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Kommentar TierrechteWarme Worte, keine Taten

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Agrarminister Christian Schmidt kündigt eine Tierwohl-Initiative an. Nur sagt er leider nicht, wann die Landwirte diese umsetzen sollen.

Tierrechte? Keine Spur. Massenhaltung in Fairmont, USA Bild: reuters

D ie Rhetorik der Tierschützer hat Bundesagrarminister Christian Schmidt schon drauf: Die Ställe, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung seiner „Tierwohl-Initiative“, müssten an die Tiere angepasst werden – nicht umgekehrt. Das predigen der Tierschutzbund, die Bürgerinitiativen gegen Massenställe oder die Grünen bereits seit Jahren. Dass jetzt auch das CSU-geführte Bundesministerium endlich so redet, könnte ein Fortschritt sein.

Leider scheinen diese Thesen bei Schmidt zu leeren Worthülsen zu verkümmern. Seine Tierwohl-Initiative hat zwar schöne Ziele: Die Landwirte sollen künftig darauf verzichten, den Tieren Körperteile wie Schnäbel oder Schwänze mit der Klinge zu kürzen. Stattdessen müssen sie anders verhindern, dass sich beispielsweise Schweine gegenseitig in den engen und reizlosen Ställen verletzen. Doch Schmidt will das nur per „freiwillige Selbstverpflichtung“ erreichen. Er nennt noch nicht einmal ein klares Datum, bis diese ethisch äußerst fragwürdige Praxis aufhören soll. Das wird den Druck auf die Landwirte, ihre Tiere besser zu halten, kaum erhöhen.

Deshalb kann auch Schmidts wichtigstes Argument gegen Verbote nicht überzeugen. Es lautet: Mit der freiwilligen Strategie kommen wir schneller ans Ziel. Dabei könnte der Agrarminister das Tierschutzrecht jederzeit so präzisieren, dass das massenhafte Kupieren klar untersagt ist. Aber Schmidt wartet weiter – wahrscheinlich, weil er es nicht wagt, gegen die Interessen der Agrarindustrielobby vorzugehen.

Schmidt sagt, er sei erst seit sieben Monaten im Amt. Aber seine Partei führt das Agrarministerium bereits seit 2005. Die CSU hatte also schon neun Jahre, die Zustände in den Ställen bedeutend zu verbessern. Jetzt liefert sie immerhin mal warme Worte – aber noch lange keine Taten.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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9 Kommentare

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  • Konventionelle und Biologische Tierhaltung in einen Topf zu werfen, ist komplett neben der Sache. Schwanzbeißen und dergleichen ist eine Folge ungerechter Preise und Bauern, die ungerecht mit den ihr anvertrauten Tieren umgehen. Sei es aus Gewinnmaximierung, Geld- und Arbeitsknappheit oder dem allgemeinen Desinteresse am Wohlergehen des Tieres. Also zahlt gerechte Preise an Bauern, die mit ihren Tieren gerecht umgehen, dann dürften sich alle Probleme erledigen.

    • @Jandebuur:

      aha, ein Exprte. Wie muss man mit den Schweinen umgehen, damit Schwanzkannibalismus nicht auftritt? Da würden mich schon valide wissenschafliche Publikationen interessieren. An der der Frage sind schon Gereationen von Wissenschaftlern gescheitert. Ich sage Ihnen eine große Karriere voraus.

      • @Manfred Stein:

        Hallo, danke für die" Lorbeeren",

        während viele das Problem aus theoretischer Sicht beurteilen und analysieren, komme ich aus der Praxis. Es ist nicht das Problem, Schwachstellen in seinem eigenen Betrieb zu erkennen. Auch ist eine breite öffentliche Diskussion von Nöten. Die Probleme sind ebenso differenziert und komplex von Betrieb zu Betrieb, so daß es müßig ist, diese in der Gesamtheit hier zu behandeln. Wenn Sie eine konkrete Frage haben, werde ich diese gerne aus meiner Sicht beantworten. Ich halte Bauern für die Ursache des Problems, und nur diese können sie auch lösen zum Wohle des Tieres, meinetwegen auch mit wissenschaftlicher Unterstützung. Wenn Sie an einer Lösung des Problems interessiert sind , fragen Sie doch mal einen Bauern, wie hoch wäre Dein Preis für die Erzeugung ohne Antibiotika, Kannibalismus etc?? Dann können wir mal eine Wertediskussion beginnen. Sie bekommen die Produktion, die Sie wünschen, transparent und ehrlich, wenn Sie bereit sind , zu zahlen. Bei der Gelegenheit können wir dann auch über geeignete Vermarktungs- und Verarbeitungseinrichtungen diskutieren, die von Bauern und Verbrauchern solidarisch geführt und kontrolliert werden. Schöne Grüße

        • @Jandebuur:

          Hochmut kommt vor dem Fall.

           

          Ich kenne Biobetriebe, die Ihre Schweine gemäß der Richtlinien halten (Stroh, massig Platz, Aussenauslsauf, hohe Rendite, etc.), Problem ist Schwanzbeisen. Die Experten der Brange haben sich die Klinke in die Hand gegeben, Lösung keine. Jäger berichten über ähnliches, wo ist hier der Preisdruck?

           

          Für mich gehören Sie nicht in die Gruppe der Propheten, sondern eher in die Richtung der Aufschneider.

          • @Jörg 70:

            Um das hier noch zu Ende zu bringen

            Fallen ist nicht schlimm ,nichts daraus zu lernen, das wäre schlimm.

            "gemäß der richtlinen "egal ob Eu -Bio ,Verbandsbio oder sonstwie Premium , artgemäß oder Neuland bedeutet noch lange nicht ,daß das auch funktioniert oder sinnvoll ist.

            Jäger sind ein ganz eigenes Thema.

            Ich gehöre auch noch zu der Gruppe der Beobachter.

            Seit frühester Kindheit beobachte ich Schweine, sei es auf dem Hof meiner Eltern oder in anderen Ställen in denen wir Dorfkinder selbstverständlich auch spielten.

            Es wäre wünschenswert ,wenn sich der mündige Konsument in Zukunft etwas mehr kümmern würde , anstatt blind Kontolleuren ,Verbänden ,Vermarktern ,Bauern und Journalisten zu glauben

  • Guten Tag,

     

    Schwanzkannibalismus tritt in allen Haltungsformen auf: Stall, Freiland, Bio, selbst bei Wildschweinen. Eine Schwedische Studie belegt, dass Bio-Schweine häufiger betroffen sein können. Solange man die Ursachen nicht kennt, ist das Kürzen der Schwänze eine erträgliche Methode zur Schadensbegrenzung.

     

    In Österreich wird auf die Laserbehandlung der Schnabelspitzen von Hennenkühen verzichtet. Das funktioniert, wenn man die Hennen dann in abgedunkelten Ställen hält.

  • Abgefressene Schweineschwänze sind nicht das Ergebnis einer bestimmten Haltungsform, vielmehr haben auch Biobetreibe diese Probleme.

    Ohne eine genaue Analyse für die Gründe, wird der Tierschutz auf der Strecke bleiben, nur die Populisten gewinnen ein weiteres mal, aber die interessiert eh nur das Spendenaufkommen

  • Leute, weder Schwänze noch Schnäbel werden heutzutage noch mit einer Klinge gekürzt. Bitte vorher informieren und sich das vielleicht sogar einmal in der Realität ansehen und dann erst losschreiben. Erste Versuche, Legehennen ohne Schnabelbehandlung zu halten, sind wenig vielversprechend. Mir scheint die Behandlung des Schnabels mit Infrarot das geringere Übel zu sein: Dem Küken wird nach dem Schlüpfen ein Lichtimpuls auf die Schnabelspitze gesetzt, bei dem Nerven und Blutgefäße verödet werden. Das bewirkt, das die Schnabelspitze sich nicht voll ausbildet. Diese Behandlung ist für das Küken weniger traumatisch als eine Impfung für ein Kleinkind und allemal besser, als ein Leben lang im Dunkeln gehalten zu werden. Eins darf man auch nicht vergessen: Picken ist für Geflügel natürliches Erkundungsverhalten und wird auch in kleinen Beständen munter praktiziert.

  • Alle Argumente sind schon 1000 mal genannt worden. Die Politik wird dieses Thema niemals ernsthaft in Angriff nehmen. Die Lobby ist zu stark.

     

    Entscheiden kann nur der Verbraucher. Wir essen schon seit Jahren kein Fleisch aus dem Supermarkt, kaufen nur noch beim Bio-Produzenten direkt. Zudem schadet es nicht weniger Fleisch zu essen, im Gegenteil.