Kommentar Taiwan: Demokratietest für den Freihandel
Die Besetzung des Parlaments in Taipeh ist ein gutes Zeichen. Es scheint, dass Chinesen und Demokratie doch gut zueinander passen.
D as kleine Taiwan war schon bisher der Beweis, dass Chinesen und Demokratie gut zusammenpassen. Chinas Kommunistische Partei bestreitet das bekanntlich. Jetzt hat Taiwan eine neue studentische Demokratiebewegung, die auf der von Peking als abtrünnig angesehenen Insel die Demokratie auf eine höhere Stufe bringen kann. Und diese „Sonnenblumenbewegung“ bietet nicht nur Lehren für die chinesische Welt.
Die Besetzung des Parlaments in Taipeh war eine Reaktion auf ein Freihandelsabkommen mit China. Drei Faktoren befeuern den Protest: 1. Freihandel hat Gewinner und Verlierer. Letztere wehren sich und verlangen zu Recht volle Transparenz, bevor über Abkommen entschieden wird.
2. Wird nur geheim verhandelt und bleiben wichtige Details unklar, wie dies auch bei den TTIP-Verhandlungen zwischen Europa und den USA der Fall ist, löst dies zu Recht Widerstand aus. Wird auch noch wie in Taiwan das Parlament, die demokratischste aller Institutionen, ausgehebelt, fragen sich die Menschen, was ihre mühsam erkämpfte Demokratie eigentlich wert ist.
3. Taiwans Bevölkerung ist seit Jahren gespalten zwischen dem momentan regierenden Peking-freundlichen und einem Peking-kritischen, auf Unabhängigkeit bedachten Lager. Wollte Peking früher mit militärischen Drohungen Taiwan an sich binden, fürchten viele heute dessen wirtschaftliche Umarmung.
Taiwans Präsident Ma Ying-jeou ist in der Defensive. Die Aktion der Studenten, die ja nicht das Parlament lahmlegen, sondern ihm zu seinem Recht verhelfen wollen, ist in der Bevölkerung erstaunlich beliebt. Ein gewaltsames Vorgehen gegen die Besetzer verbietet sich, auch weil es an die gewaltsame Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking vor 25 Jahren erinnern könnte.
Präsident Ma wird also den Besetzern entgegenkommen müssen – mit Transparenz und breiter Debatte. Das wäre ein Sieg der Demokratie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei