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Kommentar TV-Event „Terror – Ihr Urteil“Schuldig im Sinne des Unsinns

Was haben „Terror – Ihr Urteil“ und die anschließende Debatte bei „Hart aber Fair“ gebracht? Nichts – nur dass Gerhart Baums Puls schnell auf 180 stieg.

Das Fernsehgericht tagt, das Urteil lautet: Der Apfel wird weiter von der Tischkante nach unten plumpsen Foto: dpa/ARD/Degeto

Deutschland hat abgestimmt! Also nur das ARD-Publikum, und von denen auch nur die, die durchgekommen sind. Aber die, die haben sich klar entschieden: Nicht schuldig! 86,9 Prozent wollten Lars Koch, den Major der Luftwaffe aus dem zuvor gezeigten Film „Terror – Ihr Urteil“, nicht bestraft sehen. Die Verfilmung basiert auf einem Theaterstück des Strafverteidigers und Schriftstellers Ferdinand von Schirach.

Kochs Geschichte: Er hat eine von Terroristen entführte Lufthansa-Maschine vom Himmel geschossen, die sonst wohl in die mit 70.000 Zuschauern vollbesetzte Allianz-Arena in München geflogen wäre. Er hat 164 Leben gegen 70.000 abgewogen. Er hat genau das getan, was das Bundesverfassungsgericht 2006 als nicht grundgesetzkonform einstufte.

Und knapp 87 Prozent der ZuschauerInnen stimmten Koch zu.

Im Endeffekt wurde am gestrigen Abend also auch über einen Verfassungsgrundsatz abgestimmt. Ja, kann man machen. Aber: Das Ganze bringt natürlich ungefähr so viel, als würden wir über die alten Gravitationsgesetze von Newton abstimmen lassen. Da können wir noch so viele 0137-Nummern anrufen, der Apfel wird trotzdem weiter von der Tischkante nach unten plumpsen.

Aber egal, das bedeutet ja nicht, dass man nicht noch ein bisschen drüber quatschen könnte: Willkommen bei „Hart aber Fair“ mit Frank Plasberg. Mit dabei: Franz-Josef Jung, ehemaliger Verteidigungsminister, Gerhart Baum, ehemaliger Innenminister, Thomas Wassmann, früherer Major der Luftwaffe, Petra Bahr, Theologin.

Jung ist der, der als Verteidigungsminister dafür sorgte, dass trotz der Verfassungsgerichtsentscheidung nur noch Piloten in den Eurofightern sitzen, die zur Not auf den Knopf drückten. Baum ist der, der einst die Klage gegen den Abschuss von Passagiermaschinen in Karlsruhe anführte und der nach dem Urteil der Zuschauer nicht enttäuscht, nein, sondern sauer auf das Publikum ist. „Die Menschen kennen das Grundgesetz nicht. Die Menschen kennen auch das Urteil nicht“, schimpft Baum.

Schimpfen auf die Politik zieht halt immer

Dagegen hat der Film aber tatsächlich etwas getan. Die Menschen kennen jetzt nicht nur Teile des Grundgesetzes und des Verfassungsgerichtsentscheids von 2006, sondern wissen auch, wie der Luftraum über Deutschland überwacht wird, wie die Ausbildung zum Kampfpiloten abläuft (Arizona, geil), und was passiert, wenn man eine Rakete ins linke Triebwerk eines Jumbojets ballert (Rakete trifft Triebwerk, Kerosin in der linken Tragfläche explodiert, dadurch löst sich die Tragfläche vom Rumpf des Flugzeugs, mit der Tragfläche reißt auch der Luftstrom ab, Maschine dreht sich auf den Rücken und stürzt ab). Alles nicht uninteressant.

Ex-Flieger Wassmann sieht die Piloten von der Politik im Stich gelassen. Die hätte sich seit 2006 nicht mehr um das Thema gekümmert. Applaus. Schimpfen auf die Politik zieht halt immer.

Bahr, künftige Bischöfin der evangelischen Kirche, redet von Opfern, und dass der Pilot und alle Anrufer nur die Wahl zwischen „falsch und falscher“ gehabt hätten.

Baums Puls ist schnell auf 180. Bevor er explodiert, noch eine Frage an Franz-Josef Jung: Würden Piloten nun im Notfall schießen? Das käme natürlich immer auf die spezifische Situation vor Ort an, sagt Jung. Es gebe ja auch so tragische Extremsituationen, weiß Theologin Bahr beizupflichen.

Es gebe ja auch so tragische Extremsituationen, weiß Theologin Bahr beizupflichen

Ja, gibt es. Und damit sind wir wieder am Anfang.

Es ist halt nicht alles gesetzlich regelbar, aber glücklicherweise ist im Fernsehen über alles abstimmbar!

Gut, dass wir drüber geredet haben. Thema nächste Woche: Die alten Gravitationsgesetze von Newton – brauchen wir die noch?

Ach, wir haben noch 20 Minuten? Naja, wenn wir kommenden Montag gegen die Erdanziehung abstimmen, müssen wir uns eh ganz neue Fragen bezüglich der Luftfahrt stellen. Die Sitzung ist beendet.

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35 Kommentare

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  • Ich bin klar für schuldig, weil Befehlsverweigerung und vorsätzliche, weil bewusste Verletzung des GG $1.

    Schuldig, Bewährung (tu das bitte nie wieder) oder aber Freispruch wäre meine Lösung, eben aus ethische Gründen.

    Dem Artikel entnehme ich aber, dass es hier scheinbar um eine Debatte um die Naturgesetze geht "...wenn wir kommenden Montag gegen die Erdanziehung abstimmen..."

    Ja, so ist es halt in der Natur. Alle staatenbildenden Lebewesen opfern, wenn nötig, Einzelne oder auch eine Gruppe ihrer "Mitbewohner", um die Allgemeinheit, bzw. die große Mehrheit zu schützen. Krieg nennt man das beim Menschen. Und hier wurde (asymmetrischer) Krieg gegen Terroristen geführt und in diesem Sinne hat der Major sogar natürlich (im Sinne der Natur) *richtig* gehandelt.

  • Ja - Thomas Fischer - &

    Ruhe im Schacht!

    Rest - Zeitverschwendung!

  • Wie Herr Fischer in der Zeit zu recht schreibt, ist der Film eine einzige Verdummung. Das Recht hat genau für solche Fälle eine Lösung in § 35 StGB den entschuldigenden Notstand parat. Damit ist der Handelnde straffrei. Gleichzeitig aber darf niemand gezwungen werden, das Flugzeug abzuschießen und die Passagiere dürften sich (natürlich in einer andere Konstellation) auch gegen ihre Tötung zur Wehr setzen.

    Das Dilemma ist gelöst - nur der Staat will mehr. Er will genau das Recht haben zu entscheiden und dann diese Entscheidung auch gegen den Willen der Betroffenen durchsetzen. Das hat das Bundesverfassungsgericht untersagt und hiergegen wird mit einer ziemlich falschen Darstellung polemische Stimmung gemacht. Es geht nicht um den Piloten, der hier vor dem moralischen Dilemma steht und sich fürchten muss, ins Gefängnis zu kommen. Es geht um unseren Minister, der gerne über Leben und Tod entscheiden können möchte. Der entscheiden will, wer sich umbringen lassen muss.

    • 7G
      7965 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Herr Fischer hat eben nicht die Lösung parat. Denn der entschuldigenden Notstand in Paragraf 35 StGB setzt ein persönliches Näheverhältnis zwischen dem Piloten und den Menschen im Stadion voraus. Das ist doch auch in dem Film behandelt worden. Haben Sie nicht aufgepasst? Argumente, warum hier entgegen dem Gesetzeswortlaut eine analoge Anwendung zulässig wäre, bleibt Herr Fischer schuldig. Außerdem wird das Problem auf den Piloten verlagert , der sich auch mit Recht weigern könnte, den Schuss nicht abzugeben.

      • @7965 (Profil gelöscht):

        genau so soll es auch ein. Letztlich bleibt es eine Gewissensentscheidung, die sich jeder juristischen Bewertung im Sinne eine "Bestrafung" entzieht. Die Situation ist unlösbar, Strafe daher verfehlt. Es ist kein "Notstand" nach § 35 StGB, sondern "übergesetzlicher Notstand".

        • 7G
          7965 (Profil gelöscht)
          @Dr. McSchreck:

          Was heißt hier „genau so soll es auch sein “? Nach ihrer Meinung, nach meiner nicht. Ich erwarte vom Staat, dass er Leben schützt; das ist die wichtigste Aufgabe des Staates. Stattdessen kommen hier (vorzugsweise die Linken) zu absurden Ergebnissen, in dem sie es Zufall ( der Entscheidung des Piloten) überlassen, ob 70.000 Menschen sterben oder nicht.

      • 7G
        7965 (Profil gelöscht)
        @7965 (Profil gelöscht):

        - den Schuss nicht abzugeben

        + den Schuss abzugeben

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Sie irren ! Eine Abwägung von Menschenleben ist verfassungswidrig und nie von einem Notstand gedeckt oder entschuldigt. Genau das und nur das hat das Buundesverfassungsgericht entschieden.

      Wer eine Passagiermachine abschießt macht sich - unabhängig von der vox populi - des Totschlags oder Mordes schuldig, unabhängig davon, was für Motive ihn leiten. Etwas anderes wird gelten, wenn man den zu allem entschlossenen Entführer der Machine tötet. Das ist durch Nothilfe oder Notwehr gedeckt.

      Wer einen Tyrannen tötet kann sich unter Umständen auf einen Notstand berufen.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        das hat das BVerfG bewusst offen gelassen, Herr Kreibig. Die individuelle Schuld ist von der staatlichen Verantwortung zu trennen.

  • Netter Versuch, aber schlecht durchdacht!

     

    Die ganze Diskussion läuft quer, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden!

     

    Das GG regelt das Verhältnis vom Staat zu seinen Bürgern. Und da ist es m.E. auch vernünftig, keine Aufrechnung in abstrakten Gesetzen zuzulassen.

     

    Aber verhandelt wurde keine Klage gegen den Staat. Verhandelt wurde die Klage gegen die Privatperson Koch! Es ging um eine Straftat, nicht um die Befehlsverweigerung oder um Staatshaftung.

    Und bei einem Strafprozess ist nun mal belanglos, was der Staat darf, wichtig ist, welche Schuld eine Privatperson auf sich geladen hat.

     

    Koch wird nicht nach dem Grundgesetz, sondern nach dem StrafGB beurteilt.

    Auf dieser Basis ist es ziemlich vernünftig, ihn freizusprechen.

    (Und zwar auf Grund des Gesetzes, nicht etwa wegen des dummen Gefasels von übergesetzlichen Situationen.)

     

    Das widerspricht aber gar nicht der grundgesetzlichen Einschränkung staatlichen Handelns.

     

    Der aufgebauschte Gegensatz ist ein künstliches Missverständnis - so dass die ganze Diskussion absurd wird...

  • jeder der sagt, die Sache sei klar, liegt falsch. Egal in welche Richtung es klar sein soll.

     

    Die für den Abschuss plädierenden müssen immer sich vor Augen halten, dass niemand in die Zukunft sehen kann. Die anderen machen es sich zu leicht, indem sie die vielen zusätzlichen Opfer vernachlässigen. Es geht nicht um "Leben gegen Leben" sondern "10 Minuten mehr Leben" gegen "überleben von ganz vielen".

     

    Einfach ist daran gar nichts.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      Man kann auch einen Todgeweihten töten. Da gehts nicht um zehn Minuten, sondern um die Handlung. Eigentlich ganz einfach. Und falsch liegt man da nicht.

  • Ich würde mir wünschen, dass auch ein Kampfpilot sich an die geltende Rechtslage und die bestehenden Verantwortlichkeiten hält.

     

    Er ist dort oben nicht allein und schon gar nicht alleinverantwortlich, es sei denn er hat keinen Funkkontakt und keine Zeit mehr, über Alternativen nachzudenken.

     

    In der Realität sind selbst solche Situationen nie so ausweglos, wie sie in diesem zugespitzen Szenario dargestellt werden. Der Pilot hätte ja, wenn er schon den gesetzlich vorgegebenen Weg verlassen will, auch - verbal oder/und mit Flugmanövern - damit drohen können, die Passagiermaschine zu rammen. Das hätte einem Terrorist, der nicht will, dass seine Waffe als Feuerwerk am Himmel verglüht, noch Handlungsspielraum gelassen.

     

    Ein Abschuss läßt hingegen nichts mehr offen. Der vermeintlich "Gute" schafft die Tatsachen, denen sich der "Böse" passiv beugen muss.

     

    Leider hat das Publikum das nicht durchschaut (oder diese Art der Selbstjustiz geteilt) und für den zweiten Attentäter abgestimmt.

     

    Und sich dabei selbst einmal mehr bewiesen, wieviel es in Krisensituationen (oder was es dafür hält, siehe Flüchtlings"krise") noch auf Rechtsstaatlichkeit im Handeln gibt.

    • @cursed with a brain:

      Blödsinn. In einer solchen Situation stehen Behörden im Funkkontakt zum Entführer, wenn der denn antwortet. Wenn die Lage klar wird, daß er sich nicht umstimmen läßt, bekommt der Kampfpilot den Feuerbefehl. (Der feuert nicht "nach eigenem Ermessen")

  • Es ist ein richtiges Prinzip, dass vor allem der Staat nicht Leben gegen Leben aufrechnen darf. In der Praxis geschieht das aber häufig:

    Bei einer Katastrophe mit vielen Verletzten, oder im Krieg in einem Feldlazarett, wird eine Triage durchgeführt. Es wird eine Reihenfolge für die Behandling der Meschen festgelegt.

    Ein Arzt könnet einen Schwerstverletzten aufwändig behandeln und ihn vielleicht retten, aber in der Zeit würden 3 andere sterben. In so einem Fall wird die Behandlung auf größtmögliche Effizienz organisiert, also wie kann man einer größtmöglichen Anzahl von Menschen helfen.

    • @EF:

      Lieber EF:

      Sehen Sie keinen Widerspruch zwischen Ihren Aussagen, dass

      (i) ein Prinzip richtig sei

      (ii) es in der Praxis sinnvoll/effizient sei es haeufig zu brechen?

  • Der Bohei um die Sendung ist mir unverständlich. Das Thema ist doch seit der causa Daschner/Gäfgen juristisch genug ausgeleuchtet - ohne dass es dabei hell geworden wäre, eben, weil es nicht möglich ist.

     

    Erinnert mich eher an meine Verhandlung als Wehrdienstverweiger in grauer Vorzeit.

  • Genau wie im Fall Drescher - verurteilen, da Artikel 1 absolut gilt. Dann aber im Strafmaß die Umstände berücksichtigen oder in Extremfällen begnadigen.

    Die Theologin hat recht, es gibt Situationen, in denen man in jedem Fall Schuld auf sich lädt. Nichts tun ist im Großen wie im Kleinen oft keine bequeme Option.

  • Frhr. von Boeselager hat bis zu seinem Tod mit sich gehadert:

     

    Er war einer der wenigen, der in Hitlers Nähe gekommen ist mit einer geladenen Pistole.

     

    Der Widerstand um Graf Stauffenberg war sich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht einig, wie die Nachfolge organisiert sein soll.

     

    Also hat er nicht geschossen.

     

    Die Zweifel haben Boeselager sein Leben lang begleitet.

     

    Nicht zu schiessen und ein Stadion voller Menschen auf dem Gewissen zu haben, ist auch schwer zu zumuten, egal was im Gesetz steht.

     

    Boeselager hat seinen "Fehler" damals mit einer Bombe in Hitler Flugzeug versucht zu korrigieren. Die Zünder sind aber aufgrund der Kälte in der Höhe im Frachtraum eingefroren.

    • @Lorenz Meyer:

      Ich weiß nicht, ob das Leben eines faschistischen Diktators, der Millionen Menschenleben auf dem Gewissen hat, verglichen werden kann mit einem Flugzeug voller Durchschnittsmenschen. Die Überlegung ist doch hier eine ganz andere und hat weniger mit der Abwägung von Menschenleben zu tun als mit Machtfragen.

      • @mwanamke:

        Damit haben Sie eigentlich allem was im Artikel steht voll Recht gegeben, vor allem was Herrn Baum in Rage gebracht hat.

        Auch Sie maßen sich an, Leben gegeneinander aufzurechnen und sind damit Teil des Lynchmobs, der bei dieser Sendung abgestimmt hat.

        Nur mal zur Info: Unser Grundgesetz gilt sogar für Massenmörder und Wahnsinnige.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Lorenz Meyer:

      Naja, die Herren Frontoffiziere (neben Ihrem geschätzten Freiherrn auch der tumbe Staufenberg und seine Kumpane), haben sich ja auch stets selten dämlich angestellt. Der eine wollte oder durfte nicht auf den Massenmörder schießen (als Ausreden stehen zur Verfügung: a) der v. Kluge hat es verboten; b) der vermaledeite Eid gestattete es nicht; c) Ihr Argument: die ungeregelte Nachfolge; d) das Wetter), dann froren Zünder ein (wie unpraktisch), oder der Sprengstoff wurde falsch berechnet, wie am 20. Juli (woher sollen Frontoffiziere auch etwas über Sprengstoff wissen ?).

      Wahrscheinlicher dürfte sein, dass Ihrem Freiherrn das eigene Leben teurer oder das er zu feige war, was okay ist, wenn man nicht später mit seinem "Hadern" kokettiert, wie nah man doch dran war an der Rettung Europas, statt zu schweigen oder die Wahrheit zu sagen. Fakt ist, er hat gezaudert und das war verhängsnisvoll.

      Darüber hätte sich der Freiherr mal ein Leben lang grämen sollen.

      Und ehrend zB. des Schreiner Georg Elser, gedenken, der ein Attentat ganz alleine geplant und durchgeführt hat - was auch geklappt hätte, und dies lange bevor der Freiherr (der erst ein paar Jahre Kriegsverbrechen an der Ostfront beobachten (und/oder an diesen teilnehmen)) musste, bevor er bemerkt zu haben schien, was für ein Verbrecher der Hitler war.

      Elser stellt die adeligen Möchtegerntyrannenmörder moralisch und von den technischen Fertigkeiten und vom persönlichen Mut her, her weit in den Schatten.

      Im übrigen passt Ihr Beispiel nicht. Denn Hitler umzubringen war geboten. Der klassische Fall eines übergesetzlichen Notstands, der nichts mit einer im übrigen unzulässigen Güterabwägung zu tun hat.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Beim Attentat vom 20. Juli wurde nicht der Sprengstoff "falsch berechnet", sondern aufgrund einer ungeplanten Vorverlegung der Besprechung um eine halbe Stunde blieb nicht genügend Zeit, um beide Sprengladungen scharf zu machen. Stauffenberg beging, gestört durch einen nicht eingeweihten Oberfeldwebel, den entscheidenden Fehler, die zweite, ungeschärfte Sprengladung nicht in seine Aktentasche zu packen, sondern seinem Adjutanten zu überlassen, welcher dann aber keinen Zutritt zur Besprechung hatte.

         

        Infolge des Fehlschlags und Hitlers Überleben wurden etwa 200 Personen des Widerstandes aus Militär, Verwaltung und Adelskreisen hingerichtet.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @cursed with a brain:

          Staufenberg entschied aus eigener Verblendung heraus, die Hälfte der vorgesehenen Sprengladung würde reichen. Sie reichte bekanntlich nicht. Mitverschwörer waren schon vor dem Attentat vereinzelt der Ansciht, Staufenberg sei aufgrund seiner Kriegsverletzung physisch und psychisch nit in der Lage das Attentat durchzuführen. Sie hatten recht. Staufenberg ließ sich nicht abbringen. Hochmut halt.

          Erzählen Sie doch noch bitte, warum ein Großteil der 200 Personen hingerichtet wurden. Genau. Staufenberg kabelte kurz nach dem Knall - ohne sich Gewissheit verschafft zu haben - nach Berlin, der Führer sei tot und brachte seine Mitverschwörer dazu, sich als solche zu outen. Das ist nicht nur Hochmut, sondern grenzenlose Dummheit und Kameradenverrat.

  • "Das Ganze bringt natürlich ungefähr so viel, als würden wir über die alten Gravitationsgesetze von Newton abstimmen lassen."

     

    Der Vergleich ist natürlich Stuss. Naturgesetze sind von menschlichen Meinungen unabhängig; Paragraphen und gerichtliche Urteile sind es nicht. Auch das Grundgesetz besteht nicht aus ewigen rechtlichen Wahrheiten, sondern aus menschengemachten Spielregeln und ist damit - im Unterschied zum Gravitationsgesetz - eine historische Zufälligkeit.

     

    Das Gleiche gilt für die Urteile des Bundesverfassungsgerichts: Keine objektive Erkenntnis über das Wesen des Grundgesetzes, sondern abhängig von Willkür und Zeitgeist. Man erinnere sich, dass das BVerfG noch in den 50ern geurteilt hat, die Verfolgung Homosexueller verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Klar ist es gut, dass die Zeiten sich geändert haben, aber es wäre völlig absurd zu meinen, dies läge daran, dass bestimmte Wissenschaftler, nämlich "Rechtswissenschaftler", heute das Grundgesetz besser verstehen. In Wirklichkeit hat der moralische Geschmack der Bevölkerung sich geändert, und Juristen und Politiker haben sich daran angepasst.

    • @Thomas Friedrich:

      Mag ja sein, dass sich "in Wirklichkeit [nur] der moralische Geschmack der Bevölkerung sich geändert [hat], und Juristen und Politiker […] sich daran angepasst [haben]". Aber wie kam es denn zu dieser Geschmacks-Änderung?

       

      Wäre über die Newtonschen Gesetze nicht diskutiert worden, gäbe es heute keinen Anlass, im Fernsehen die Frage zu behandeln, ob ein Flugzeug, das zur Waffe umfunktioniert wurde, abgeschossen werden darf oder nicht. Es gäbe dann nämlich keine Flugzeuge. Die Mehrheit aller Menschen hat schließlich gemeint, dass Menschen niemals fliegen werden, weil Äpfel nun mal auf den Boden fallen.

       

      Leider-Gott-sei-Dank hat man ja diskutiert. Man hat zum Beispiel darüber geredet, welche Art Kraft geeignet sein könnte, eine Flugmaschine zur Änderung ihres Normal-Zustandes (dem der Ruhe) zu bewegen.

       

      Nein, demokratisch abgestimmt wurde darüber vermutlich nicht. Aber die Diskussion hat schließlich doch dazu geführt, dass Menschen es probiert haben. Irgendwann hatten sie einfach genügend Mut dafür. Der Rest ist im Museum zu besichtigen.

       

      Übrigens: Es gibt nicht nur ein erstes Newtonsches Gesetz. Es gibt auch noch ein zweites und ein drittes. Wer das weiß, ahnt, dass der sogenannte "Druck" nichts bringen kann – außer noch viel mehr Ärger, als es im Normal-Zustand schon gibt.

      • @mowgli:

        2017 ist es "richtig", dass der "Deutsche" nicht anderen Völkern überlegen ist - 1933 war es richtig, dass der "Deutsche" anderen Völkern überlegen ist.

         

        1933 und 2017 ist die Erdanziehungskraft noch immer 9,81 m/s²

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    164 Menschen opfern um 70.000 zu retten. Die Entscheidung ist doch ganz klar, egal was das Grundgesetz und alte Männer in roten Bademänteln sagen.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @86548 (Profil gelöscht):

      Wieso eigentlich 70.000 ?

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Wenn der Zweck die Mittel per se heiligt, dann kann der Mensch getrost im Dschungel bleiben...

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @86548 (Profil gelöscht):

      Die Entscheidung ist doch ganz klar: Artikel 1 ist, ebenso wie die Würde des Menschen, unantastbar.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Nein, ist sie nicht und es gibt auch gute ethisch-moralische Gründe die Entscheidung abzulehnen. Auch ein rein praktischer Grund wird angesprochen (der sehr eng mit dem konsequenzialistischen Denken zusammen hängt, der es so klar erscheinen lässt): Wenn der Terrorist sich in letzter Sekunde doch entscheidet, das Flugzeug nicht als Waffe zu missbrauchen, dann hat der Flieger nämlich nicht 70.000 Menschen gerettet sondern nur 164 Menschen getötet.

      • @Johannes Hartmann:

        "Wenn der Terrorist sich in letzter Sekunde doch entscheidet, das Flugzeug nicht als Waffe zu missbrauchen, dann hat der Flieger nämlich nicht 70.000 Menschen gerettet sondern nur 164 Menschen getötet."Zitat

        Autsch!Diese Argumentation tut richtig weh!Mir jedenfalls.Verlassen wir uns also demnächst getrost auf liebe terroristen,die uns im Grunde nur erschrecken wollen,wieso auch nicht,schließlich ist in ein paar Tagen Halloween.Da fliegen die Abfangjäger wieder tief.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Zumal die 164 auch gestorben wären, wenn man das Flugzeug nicht abgeschossen hätte. Die Situation ist also viel einfacher als z.B. das Trolley-Szenario, wo ein Mensch geopfert wird, der andernfalls gar nicht betroffen gewesen wäre.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      genau: Menschenleben kann man nicht aufrechnen. Klarer Fall, kein Abschuss