Kommentar Studienerfolgsquote: Fragwürdige Reform
Die niedrige Absolventen-Zahl wird politisch unter den Tisch gekehrt. Dabei gehört die Frage, ob die Hochschulen gut sind oder nicht, auf die Tagesordnung.
S icher, ein Studienabbruch ist kein Beinbruch. Auch wenn junge Leute nur ein paar Semester Uni-Luft schnuppern und nachher etwas anderes machen, haben sie dort fürs Leben gelernt. Deshalb machen auch Studienaussteiger-Projekte wie Shift gewissen Sinn. Doch Hamburg hat sich offenbar an ein hohes Maß an Schwund gewöhnt, gibt sich geradezu lässig und unambitioniert. Hier geht es eben auch um vergeudete Lebenszeit und enttäuschte Hoffnungen.
Dass man die Studienerfolgsquoten steigern müsse, war lange Zeit ein Steckenpferd der Konservativ-Neoliberalen. Es diente als Argument dafür, die Hochschulen mit ihren Freiräumen abzuwickeln, und aus den Diplomstudiengängen mit zehn Semestern Regelstudienzeit zwei Kurz-Studiengänge zu machen: den Bachelor und den Master. Das sollte mehr Absolventen bringen. Nach dem Motto: Lieber den Bachelor in der Hand als die Taube auf dem Dach. Doch Ruhe zum Studieren bleibt da weniger, schon nach zwei, drei Semestern müssen sich Bachelor-Studierende die Zukunftsfrage stellen.
Dass nun so viele nicht an der Uni bleiben, wird einige Gründe haben. Verunsicherung, Neuorientierung, Angst vor der eignen Zukunft, scharfe Prüfungen, Überforderung, aber eben auch schlechte Studienbedingungen. Viele derer, die hier schnell wieder aufgaben, dürften unter den eher provisorischen Bedingungen der vom Bund bezahlten Sonderprogramme studiert haben. Und es ist ja bekannt: Weil der Hamburger Senat unbedingt die Schuldenbremse ziehen möchte, wurden die Hochschulen nicht auskömmlich finanziert. Demos gibt es keine mehr, denn Studienabbrecher sind nicht organisiert. Die Sorgen werden individualisiert und das Versagen ist auch schambesetzt.
Dass Uni-Leitungen Zielvereinbarungen ändern möchten, die sie eh nicht einhalten können, ist verständlich. Aber selbst Fachpolitiker im Parlament sagen, sie hätten davon nichts mitbekommen. Die Hochschulen und die Behörde dealen das unter sich aus. Das Thema ist entpolitisiert. Die Frage, ob die Uni gut ist oder nicht, wird auf abstrakte Exzellenz-Titel reduziert.
Darum gehört das Thema auf die Tagesordnung. Zu fragen ist, ob die Reform überhaupt hält, was sie versprach. Denn viele halten nicht mal den Spatz in der Hand.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?