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Kommentar StudienabschlüsseDer Bachelor – ein Monstrum

Kommentar von Martin Reeh

Die Institutionen haben den Studierenden mit dem Bachelor Flexibilität aufgezwungen. Nun weigern sie sich, die gleiche Flexibilität zu zeigen.

Klare Worte. Foto: dpa

W as ist schlimmer als eine neoliberale Reform? Eine neoliberale Reform, bei der nicht zugleich bürokratischer Unsinn abgeschafft wird. In solchen Fällen gehen Neoliberalismus und Bürokratie gerne eine Symbiose ein und potenzieren die Nachteile beider Systeme. So wie jetzt bei Bologna-Reform und den Einstellungsvoraussetzungen für den öffentlichen Dienst.

Bologna und damit die Einführung von Bachelorstudiengängen sollte die Studienzeiten verkürzen und damit die Absolventen früher dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Die auf dem Bachelor aufbauenden Masterstudiengänge sollten vornehmlich dem wissenschaftlichen Nachwuchs vorbehalten bleiben. Kürzere Studienzeiten waren zwar eine Forderung aus der Wirtschaft, dennoch blieb unklar, ob die Wirtschaft die Bachelor-Absolventen auch wollte. Erst allmählich scheint deren Akzeptanz zu steigen.

Von Anfang an weigerten sich aber die öffentlichen Arbeitgeber, Bachelorabsolventen als Beamte für den höheren Dienst zuzulassen. Das Bundesinnenministerium hat dies jetzt noch einmal bestätigt. Wer im höheren Dienst arbeiten will, muss einen Master vorweisen.

Bologna ist längst zu einem Monstrum geworden. Das Studium dauert länger als früher, weil Bachelor und Master zusammen eine längere Regelstudienzeit haben als die alten Diplom- oder Magisterstudiengänge. Die Bürokratie hat zugenommen, auch weil sich die Bachelorabsolventen noch einmal neu für den Master bewerben müssen – und abgelehnt werden können. Die Studierenden sollten flexibler für den Arbeitsmarkt werden, aber die Institutionen, die ihnen diese Flexibilität aufgezwungen haben, weigern sich selbst, flexibler und damit für unterschiedliche Lebensläufe durchlässiger zu werden.

Mit der Bologna-Bürokratie ist es wie mit jeder anderen: Einmal eingeführt, ist sie nur schwer wieder abzuschaffen. Dabei will nicht einmal das Innenministerium ihre Absolventen.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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12 Kommentare

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  • Das Bologna-Monstrum ist vor allem eines: ein Symptom für die zunehmende bürokratische Vergreisung der EU:

    es handelt sich um eine schwerwiegende Krankheit:

    nämlich um Eurosklerose.

  • "…Was ist schlimmer als eine neoliberale Reform? Eine neoliberale Reform, bei der nicht zugleich bürokratischer Unsinn abgeschafft wird. In solchen Fällen gehen Neoliberalismus und Bürokratie gerne eine Symbiose ein und potenzieren die Nachteile beider Systeme.…"

     

    Und wie Hartz IV - immer schön Roß&Reiter nennen - gelle! ->

    Bertelsmann-öh-brain-trust.

    Der eine Drahtzieher - R. Mohn ReichsgefolgschaftsdrückerkolonnenFührer bei Adolf -

    Der andere - der Puffreisenheini

    bei (auch früher Adolf) heut VW.

    An ihren Früchten unschwer zu erkennen.

  • Angesichts Ihres Textes sind Sie offenbar von beschriebenen Missständen selbst betroffen.

    Die größten Kritiker der Elche waren früher... !

    • @lions:

      an @ Tom Farmer

      • @lions:

        Ich verstehe die Logik nicht. Haben persönlich Betroffene kein Recht allgemeingültige Kritik zu formulieren?

        Dann dürfte ja keine Frau je über Benachteiligung und Diskriminierung schreiben.

        • @Rolf Mueller:

          Aus dieser Perspektive hätten Sie recht, wenn Sie schrieben: die Frauen gestehen sich ein, dass sie es von ihren Eltern so mitbekommen haben, sich diskriminieren lassen zu müssen; Also sie selbst als Träger des Undings gelten.

          Der Kommentator verstand es nicht, wenn dem so ist, es so zu formulieren, als ob er sich in die rechtschreiblich etwas Unterbelichteten einreihen wollte. Klar, noubaddi is pörfeckt, doch eine Rezension ist gerade in diesem Kontext eine brauchbare Randnotiz, meine ich.

  • aber das ist doch schon immer gängige Praxis. Es gab ein Buch das heißt der flexible Mensch und ist von Richard Sennet und ist schon einige Jahre alt. Menschen sollen immer flexibler werden aber die Wirtschaft die diese einstellen möchte wird es nicht. Das System der Arbeitseinstellung wird doch immer starrer und es gibt kaum noch Quereinsteiger.

  • Die Absenkung des Niveaus und der Qualität erfolgt derzeit:

    1.) Beim Erlernen der Rechtschreibung : Interessant, was da für "Tippfähler" im Berufsleben von Neulingen nach dem Studium abgeliefert "wärden", gell!

     

    2.) In der Schule (jeder soll oder darf aufs Gymnasium mit dem Resultat, dass selbst schlechte Schüler einen Abschluss kriegen, da Lehrer schlicht kein Lust mehr haben sich mit jedem Vollpfosten ein weiteres Jahr zu beschäftigen) Ggf. ein Einzelfall aus der Bekanntschaft, hat sich aber nicht so angehört... scheint wohl eher ein systemisches Problem... Zitat: Dann gibts halt ein Abi mit Note 3,3.

     

    3.) Im Studium durch die Einführung des 3-jährigen Bachelors gekoppelt mit nur 12 Jahren Gymnasium und der Konsequenz, dass oft weder das strukturelles Denken noch die geistige Reife für einen Berufseinstieg Anfang 20 besteht.

     

    Die Ausbildung wird in die Betriebe verlagert inkl. der Formung der Kandidaten zu verantwortungsbewussten Menschen: O-Ton hier im Betrieb eines 23.Jährigen zur Sekratärin mit Ende 40: "Ich bin ab sofort derjenige der Ihnen sagt was Sie zu arbeiten haben."

     

    Nein, früher war nicht alles besser! Aber meist was das was draufstand auch drin; heute haben wir eben fröhliches Rätselraten inkl. Mogelpackung trotz verbesserter Auswahlverfahren.

    • @Tom Farmer:

      "Beim Erlernen der Rechtschreibung : Interessant, was da für "Tippfähler" im Berufsleben von Neulingen nach dem Studium abgeliefert "wärden", gell!"

       

      Ach ja?

       

      "jeder soll oder darf aufs Gymnasium mit dem Resultat, dass selbst schlechte Schüler einen Abschluss kriegen, da Lehrer schlicht kein (sic!) Lust mehr haben sich mit jedem Vollpfosten ein weiteres Jahr zu beschäftigen) "

      " 'Ich bin ab sofort derjenige der Ihnen sagt (sic!) was Sie zu arbeiten haben.'"

       

      Noch interessanter, dass diese "Tippfehler" auch noch in öffentlichen Postings von den Menschen auftauchen, die sich gerade darüber beklagen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      Gymnasium und Studium als elitäre Veranstaltungen - da muss ich an den Anruf eines Lehrers beim WDR5 denken, der sich beklagt hatte, dass seine beiden Söhne keinen Studienplatz auf Anhieb bekommen haben, nur weil man jetzt dieses ganze Pack an die höhere Bildung ranläßt.

       

      Mehr Auslese? OK, aber dann bite schön nach einer längeren gemeinsamen Zeit in den Grundschulen, mehr Unterstützung für Kinder aus bildungsschwachen Familien etc. Abgesehen davon, solange der Markt finanziell und die Gesellschaft statusmäßig die Hochschulbildung mehr gutiert, wird es bei dem Run auf die Hochschulen bleiben.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Ja, da bin ich bei Ihnen.

        Unterstützung soweit irgend möglich. Elitär darf Bildung nicht sein, sondern valide und entlang des individuellen Könnens und Vermögens.

         

        Wie wiederum Bildung bzw. Berufsreife zu definieren ist und ob das später zu einem wie auch immer zu definierenden (beruflichen) Erfolg führt ist dann nochmal ein anderes Thema.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Da schließe ich mich voll an!