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Kommentar Streit um TempelbergTerror in neuem Gewand

Kommentar von Susanne Knaul

Die Schüsse auf einen Rabbi in Jerusalem folgen einem neuen Muster. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft bietet den Nährboden der Gewalt.

Ein israelischer Soldat sucht in der Altstadt Jerusalems nach seinem Ziel. Bild: reuters

D er Mordanschlag gegen den jüdischen Tempelberg-Aktivisten Jehuda Glick zeugt von einer neuen Qualität des palästinensischen Widerstands gegen die israelische Besatzung.

Bislang folgten fast alle Terroranschläge in zwei Punkten einem wiederkehrenden Muster: zum einen die Willkür bei der Wahl der Opfer, zum anderen die Bereitschaft, selbst mit in den Tod zu gehen. Die Schüsse am Mittwochabend aber galten niemand anderem als Jehuda Glick. Sein Tod sollte die radikal jüdischen Kräfte stoppen oder jedenfalls einschüchtern, denen der Sturm des Tempelbergs vorschwebt. Und: Der Anschlag war geplant, der Schütze hoffte, unerkannt zu entkommen.

Die Methode des Überfalls, bei dem der Täter auf einem Motorrad kam und dann die Pistole zückte, um aus unmittelbarer Nähe mehrere Schüsse abzugeben, erinnert eher an Bandenkriege als an den palästinensischen Widerstand. Schon kommt Hoffnung auf, die radikalen Siedler und die palästinensischen Kämpfer könnten, ähnlich wie Kriminelle und Polizei, die Sache unter sich ausmachen und den Rest der Leute außen vor lassen.

Man wünscht sich, dass nur keine Babys mehr überfahren werden, wie vor wenigen Tagen aus vermutlich den gleichen, terroristischen Gründen. Doch in beiden Fällen ging es bei der Gewalt um politische Ziele, in beiden fühlten sich die Täter als vom eigenen Volk beauftragt. Terror ist Terror.

Die einzige Hoffnung, dem Terror ein Ende zu machen, ist, den Nährboden für die politische Gewalt auszudörren. Für Besatzungsmacht und besetztes Volk gelten zweierlei Recht, was besonders schmerzlich für die Palästinenser in Jerusalem spürbar wird. In der de facto geteilten Stadt der beiden Völker, die Israel gänzlich für sich beansprucht, sind Muslime und Christen Bürger zweiter Klasse.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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18 Kommentare

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  • Wir müssen endlich mal wegkommen von dieser Vorstellung, dass es sich bei den Palästinensern um ein armes, unterdrücktes, „besetztes Volk“ handelt. Die Platte hat einen Riss. In all den Jahren hat man unser eingebimstes christliches Mitleid-mit-den-Schwachen nur missbraucht, um uns als Hilfstruppen eines banalen arabischen Reconquista-Versuchs zu acquirieren. Erbärmlich, wie wir im Westen dieser politischen Strategie auf den Leim gegangen sind. Schweden als Vorreiter hat sich mit seiner „Palästina“-Anerkennung gerade selber unter den Teppich gekehrt.

     

    Die PLO hat mehrmals in ihrer Geschichte ihren Machtcharakter unter Beweis gestellt: während der Zeit des Schwarzen September in Jordanien, in den Jahren ihres Parallelstaates im Süden Libanons (Massaker von Damur) und 1990 bei der Unterstützung Saddam Husseins. Von den späteren ultrabrutalen Bruderkriegen mit Hamas und Osbat al-Nour ganz zu schweigen.

     

    “den Nährboden für die politische Gewalt auszudörren” - nett gesagt in dem Artikel, aber Gleichberechtigung war nie das Ziel der palästinensischen Nationalbewegung.

    • @Senckbley:

      dann gehen wir doch mal der Montevideo-Convention auf den leim

      http://www.cfr.org/sovereignty/montevideo-convention-rights-duties-states/p15897

      da steht in art.1 zu lesen

      "The state as a person of international law should possess the following qualifications: a ) a permanent population; b ) a defined territory; c ) government; and d) capacity to enter into relations with the other states."

      für Palästina alles gegeben.

      dass Sie die PLO nicht mögen - je nun, mann kann und muß nicht jede regierung mögen.

  • man wünscht sich ja so vieles....

    unter anderem wünsche ich mir, dass mir nicht mehr tote palästinenserinnen als schuldige terroristen präsentiert werden.

  • Fotozeile zum Kommentar: "Ein israelischer Soldat sucht in der Altstadt Jerusalems nach seinem Ziel."

     

    Ich hoffe, dass diese Fotozeile nur ein schlechter Gag ist.

    • @CarlitosR:

      Journalisten arbeiten mit reißerischen Artikeln, das war schon immer so. Du sollst ja zum Lesen animiert werden.

      • @DD:

        was ist da reißerisch?

        sieht das nach kleine jungs auf schatzsuche beim kindergeburtstag aus?

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Frau Knaul unterliegt zwei elementaren Denkfehlern:

     

    A) Die radikal jüdischen Kräfte, die den Palästinensern nun seit über 4 Jahrzehnten stück für stück ihre Heimat rauben, sitzen in der israelischen Regierung und sind keinesfalls auf Radikal a la Glick zu reduzieren. Wenn die PLO israelische Besatzungsverbrecher beim ISTGH anklagen würde/wird, wird nicht ein Glick auf der Anklagebank sitzen, sondern ein Netanjahu.

     

    B) Terror ist nicht gleich Terror! Solche Behauptung ist falsch. Der Terror, den Menschen ausüben, um eine Volksgruppe ihrer Menschenrechte und ihres Eigentums zu berauben ist ein völlig anderer Terror, als der, den Menschen zwecks der Erlangung von Freiheit und Menschenrechten ausüben.

    • @1393 (Profil gelöscht):

      Ja, das Stimmt Freiheit für Kurdistan und Palästina

      • 1G
        1393 (Profil gelöscht)
        @Azad:

        Nunja, das einzig Gute an der Invasion der USA im Irak war, dass die Kurden nun praktisch einen eigenen Staat haben. Dass die Kurden der Türkei lange Zeit schwer mit vielen Opfern (und auch ähnlich vielen türkischen Ermordeten) um ein Selbstbestimmungsrecht kämpfen mussten, stimmt auch. Jedoch ist das mit den Palästinensern eher nicht vergleichbar, weil Kurden in der Türkei immer Staatsbürger waren und sind, während die Palästinenser seit 40 Jahren völlig rechtlos unter einer höchst kriminellen Gewaltherrschaft leben. "Freiheit für Kurdistan" ist in dem Sinne nun eher "Freiheit für die Basken".

    • @1393 (Profil gelöscht):

      Zu B)

      Terror ist Terror. Unrecht ist Unrecht. Der Zweck heiligt nicht die Mittel, Herr/Frau Erol Bulut

      • 1G
        1393 (Profil gelöscht)
        @CarlitosR:

        Alter Witzbold. Sie sind doch hier derjenige, der die nicht enden wollenden gewaltgetragenen tödlichen Mittel "heiligt", bzw. mit Absolutione versehen will, mit dem Israel nun seit über 40 Jahre die Menschenrechte und das Eigentum der Palästinenser raubt.

        • @1393 (Profil gelöscht):

          Sie verwechseln Aggression (Hamas, Hisbollah, Fatah, PLO) mit Gegenwehr, die auch in prophylaktischer Natur sein kann und von der IDF ausgeübt wird.

          Es werden seit Jahrzehnten Milliarden in das pal. Volk gepumpt. Dieses Volk sollte endlich aufhören, Israel und die Juden für ihre Lebensverhältnisse und ihr Schicksal verantwortlich zu machen und sich vom Terror in den eigenen Reihen emanzipieren und etwas aufbauen, statt nur zu zerstören und mit seinen Nachbarn in Unfrieden zu leben.

  • "In der de facto geteilten Stadt der beiden Völker, die Israel gänzlich für sich beansprucht, sind Muslime und Christen Bürger zweiter Klasse."

     

    [...] Wenn nur Muslime auf dem Tempelberg beten dürfen, dann ist es doch wohl eine Verdrehung von Tatsachen, hier zu behaupten, dass Muslime und Christen als Bürger zweiter Klasse gelten. [...]

     

    Kommentar gekürzt, bitte mäßigen Sie ein wenig Ihren Ton.

    • @CarlitosR:

      Und schon wenn nur ein Teil Jerusalems Palästinensern vorbehalten ist, gibt es keine Benachteiligung mehr? Ihre Empörung ist unsinnig und wohlfeil, Sie wissen das. Die zwei-Klassen-Gesellschaft in Israel existiert. Jeder dort weiß das, nur der übrigen Welt muss ab und zu Sand in die Augen gestreut werden, wenn sie droht, allzu genau hinzusehen.

      • @Max Mutzke:

        Auch in Deutschland gibt es eine Zweiklassengesellschaft. Zum Beispiel im Gesundheitswesen. Gesetzlich Versicherte müssen länger auf einen Arzttermin warten als ein Privatversicherter. Ich könnte noch viele weitere Beispiele anführen. Komisch, dass das, was für viele andere Länder gilt, Israel angekreidet wird. Das nennt man: Mit zweierlei Maß messen. Doppelstandard. Und diese auf Israel angewandten Doppelstandards weisen oft auf antisemitische Ressentiments hin.

        • @CarlitosR:

          mir ist nicht bekannt, dass in 'schland die sagen wir friesen unter besatzungsrecht leben.

          aber ich laß mich gern eines besseren belehren.