Kommentar Steuerhinterziehung: Eine vielversprechende Affäre

Die Steuerfahndungslawine, die der Fall Zumwinkel losgetreten hat, zeigt: Der Fehler steckt im System. Ein guter Anlass, systematische Ungerechtigkeiten zu beseitigen.

Der Post-Chef ist zurückgetreten, weil ihm von einer Staatsanwaltschaft ein Verbrechen vorgeworfen wird. Nämlich Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. So weit, so normal. Nun gibt es die üblichen Kommentare: Unverständlich, dass so einer nicht genug bekommen konnte, und: Die schwarzen Schafe müssen gefasst werden. Das ist alles richtig. Aber es zielt am eigentlichen Problem vorbei.

Es geht hier nicht um individuelle Schuld oder hohe Managergehälter. Es geht um das Steuersystem in Deutschland. Es ist so angelegt, dass alle ein wenig betrügen und kaum einer erwischt wird. Vor allem aber ist es mit so vielen legalen Schlupflöchern versehen, dass auch alle Fahnder dieser Welt keine Steuergerechtigkeit herstellen könnten. Mehr Steuerfahnder sind zwar notwendig, denn ohne ein gehöriges Maß an Abschreckung geben die wenigsten ihr Geld freiwillig dem Staat.

Doch wichtiger ist es, die systematische Ungerechtigkeit des deutschen Steuersystems zu beseitigen. Die diversen Arten von legaler und halb legaler Steuerflucht stehen faktisch nur den Reichen offen. Stiftungen, Konten auf Karibikinseln, Trusts auf Gibraltar - das lohnt für neunzig Prozent der Steuerzahler den Aufwand nicht.

Aus dieser Perspektive ist die Zumwinkel-Affäre vielversprechend: Das Finanzministerium berichtet, "sehr viele" Reiche und Schöne im Lande seien betroffen. Der Skandal wird sich also über Monate, mit etwas Glück über Jahre hinwegziehen. Einen so langen Atem braucht man nämlich, wenn man wirklich das Steuersystem im Inland und dazu noch internationale Abkommen ändern will. Das macht keine Bundesregierung gern. Denn nicht nur die Eilande in der Karibik sahnen bei internationalen Vermögenstransfers ab; es sind auch viele EU-Staaten gut dabei, vor allem die kleineren.

Der Bundesfinanzminister hat die Straftäter aufgefordert, sich schnell selbst anzuzeigen. Er hofft wohl, damit um wirkliche Reformen herumzukommen. Doch er wird vergeblich hoffen. Die Erfolge linker Parteien bei den vergangenen Wahlen sorgen dafür, dass das Steuersystem auch in den Parlamenten und bei Wahlkämpfen Thema wird. Dieser Riesenskandal lässt sich nicht einfach aussitzen.

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