Spezialist zu Steuersündern: "Steuerfahndung ist schwach besetzt"

Die Wahrscheinlichkeit, dass Steuersünder überhaupt auffliegen, liegt bei unter zehn Prozent, sagt Steuergewerkschaftler Dieter Ondracek.

Steuerfahnder bringen mehr Geld ein, als sie kosten, meint Ondracek. Bild: dpa

taz: Herr Ondracek, mittlerweile werden mehrere hundert "Leistungsträger" verdächtigt, via Liechtenstein Steuern hinterzogen zu haben. Ist diese Masse von Ermittlungen überhaupt noch zu bewältigen?

Dieter Ondracek: Das wird eine Herausforderung. Die Personalausstattung zur Verfolgung von Steuerdelikten reicht nirgends aus.

Ein populärer Verdacht bei den Bürgern lautet, dass vermögende Steuerhinterzieher oft den Schutz der Politiker genießen würden, indem sie Druck auf die Staatsanwälte ausübten, nicht weiter zu ermitteln.

Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe noch nie direkte politische Einflussnahme auf ein Ermittlungsverfahren erlebt. Dafür ist die Politik zu vorsichtig. Aber es ist eine Form der indirekten Einflussnahme, dass die Steuerfahndung personell so schwach ausgestattet ist. In den meisten Fällen kommt es gar nicht erst zu einem Verfahren, denn momentan liegt die Wahrscheinlichkeit bei unter 10 Prozent, dass Steuersünder überhaupt auffliegen.

Wie viele Steuerfahnder fehlen denn bundesweit?

Wir bräuchten rund 1.000 Stellen zusätzlich. Für den Staat wäre das sogar ein gutes Geschäft: Jeder Steuerfahnder treibt jährlich rund 1,5 Millionen Euro ein - und kostet selbst nur etwa 80.000 Euro, wenn man die Pensionsansprüche mitrechnet.

Und warum lässt sich der Staat dieses blendende Geschäft entgehen?

Das ist ein Problem des Länderfinanzausgleichs: Die reichen Länder müssen ihre Mehreinnahmen abführen, bleiben aber auf den Personalkosten für die Steuerfahnder sitzen. Da wird es dann für die Länder attraktiv, eine Art verdeckte Wirtschaftsförderung zu betreiben, indem sie kaum Steuerfahnder einstellen - und so Firmen und Vermögende anlocken. Dieser Fehlanreiz muss während der laufenden Föderalismusreform dringend korrigiert werden.

Aber Auslandsstiftungen wie jene von Post-Chef Klaus Zumwinkel können durch inländische Steuerfahnder doch gar nicht entdeckt werden.

Die Auslandsanlagen sind relativ gut getarnt, das stimmt. Man wird also immer auf anonyme Anzeigen angewiesen bleiben. Trotzdem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Vermögen in Steueroasen entdeckt wird, wenn mehr Steuerfahnder im Inland tätig sind - einfach durch Zufälle und kleine Unregelmäßigkeiten, die dann auffallen.

Wie groß ist denn der Schaden, der durch die Steuersünder entsteht?

Jährlich werden rund 30 Milliarden Euro an Steuern hinterzogen. Die meisten Delikte spielen sich aber im Inland ab. Durch das geparkte Vermögen im Ausland werden die Finanzämter um rund 5 bis 6 Milliarden Euro betrogen.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN

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