Kommentar Steuer-CD: Steuergeld stinkt nicht
2,5 Millionen Euro Einsatz – um die 100 Millionen Einnahmen. Da wird sich Schäuble an die pragmatische Maxime aus dem kaiserlichen Rom halten: Pecunia non olet.
K aum war es ruchbar geworden, dass den Wuppertaler Steuerfahndern ein Kaufangebot für illegal beschaffte Schweizer Kontodaten deutscher Steuerhinterzieher vorlag, brach aufseiten christ- und freidemokratischer Politiker in Deutschland ein Protestdonner los. Auf keinen Fall die Daten kaufen, denn: "Diebstahl bleibt Diebstahl, mit Dieben sollte sich der Staat nicht gemein machen" (Volker Kauder, CDU), "Da gilt die alte Regel, keine Geschäfte mit Kriminellen" (Otto Fricke, FDP), "Der Rechtsstaat wird unglaubwürdig, wenn er sich zum Hehler macht" (Hans Michelbach, CSU).
Eine "alte Regel", die Deals mit Kriminellen prinzipiell ausschließt, ist allerdings in der Praxis der Strafverfolgung bei uns nirgendwo zu entdecken. Der Staat verhandelt mit Geiselnehmern, zahlt Lösegelder, verspricht Straffreiheit, kauft Kronzeugen, schickt Undercover-Agenten, die sich in der Praxis mit Verbrechern "gemeinmachen". Gegen all diese Vorgehensweisen haben diejenigen Politiker, die sich jetzt zu Verteidigern des Rechtsstaats aufwerfen, noch nie etwas einzuwenden gehabt.
Die rechtliche Zulässigkeit des Kaufs illegal erworbener Datensätze ist anlässlich des Prozesses gegen den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel geklärt worden. Gegen die Verwendung der damals vom BND gekauften Liechtenstein-Daten im Prozess bestand kein Verbot. Hausdurchsuchungen auf der Basis dieser Daten waren ebenso rechtens wie das Geständnis des anhand dieser Daten überführten Zumwinkel. Die Daten waren zulässige Beweismittel. Rechtlich kann man den Ankauf der Daten durch den Staat als eine Art von Auslobung betrachten - ähnlich den Belohnungen für Informationen, die zur Ergreifung anderer Täter ausgesetzt werden und in deren Genuss auch Kriminelle kommen können. Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, hat auf diesen Zusammenhang hingewiesen.
ist Autor bei der taz.
Besonders heuchlerisch ist der Vorwurf, der Staat würde sich im Fall des Datenkaufs selbst zum Hehler machen. Bei den hinterzogenen Steuern handelt es sich um Geld, das der Bundesrepublik und ihrem Staatshaushalt zusteht. Es sind die Schweizer Banken, die, unterstützt von der Schweizer Regierungspraxis, sich zu Beihelfern der Steuerhinterziehung machen. Wenn von Hehlern die Rede ist: hier wäre die richtige Adresse.
Auch das Argument, die Bundesrepublik ermuntere mit dem Ankauf illegal erworbener Daten die Praxis des Datenklaus nach dem Motto "Hackt und kopiert, eine reiche Belohnung ist euch sicher", zieht nicht. Die abschreckende Wirkung, die auf künftige Steuerhinterzieher von vermehrten Datendiebstählen ausgeht, ist hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfung viel wertvoller als ein möglicher Schaden, der von der Ermunterung zum Datenklau ausgehen könnte. Hier von Anstiftung oder Beihilfe des Staates zum Datenklau zu sprechen, wie die FAZ es tut, ist nur ein schwacher Versuch, den Spieß umzudrehen. Auch die Argumente des Datenschutzbeauftragten Peter Schaar gegen den Datenkauf vermögen nicht zu überzeugen. Schaar fragt, woher wir wissen können, ob die Daten stimmen, und wie wir sichergehen können, dass es sich nur um Daten von Straftätern handelt. Er verweist auch auf die Skepsis vieler Bürger gegenüber der Datenübermittlung an die USA.
Schaar vergisst hier, dass die Information über hinterzogene Steuern im Fall eines Prozesses im Rahmen eines Beweisverfahrens, das das gesamte Finanzgebaren eines Angeklagten in Betracht zieht, gewürdigt werden muss. Eine Verurteilung allein auf der Basis der Schweizer Kontodaten wäre nicht möglich. Der Ausweg, den Schaar weist, nämlich die Nutzung des Rechtshilfeabkommens mit der Schweiz, ist angesichts der Praxis der Schweizer Behörden in Sachen Bankgeheimnis aussichtslos.
Die Sorge um den Rechtsstaat seitens mancher Koalitionspolitiker wird nicht von allen ihren Gesinnungsgenossen durchgehend geteilt. Insbesondere die Finanzexperten im Bund und in den Ländern haben sehr genau die Erfolgsquote im Fall der Liechtenstein-Kontodaten im Gedächtnis behalten. Sie lautete: 4,2 Millionen Euro (nach Abzug einer 10-Prozent-Globalsteuer) an den Datenlieferanten und 180 Millionen Euro nachgezahlter Steuern. Von der Annahme des gegenwärtigen Angebots heißt es, es werde 100 Millionen nachträglicher Einzahlungen bringen.
Angesichts dieser Prognosen fällt es leicht, die Antwort des Finanzministers Schäuble, der hier die Interessen der Finanzämter auf Landesebene bündelt, vorauszusagen. Er wird sich an die pragmatische Maxime aus dem kaiserlichen Rom halten: Pecunia non olet.
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