Auch Schäuble für CD-Kauf: Merkel kauft Steuersünder
Angela Merkel befürwortet, die gestohlenen Daten über deutsche Steuerhinterzieher zu kaufen. Auch Wolfgang Schäuble sprach sich am Montag dafür aus.
Deutsche Behörden werden vermutlich die aus der Schweiz stammende Liste mit deutschen Steuersündern kaufen. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) sprachen sich am Montag dafür aus. Formal zuständig ist bisher aber die Steuerverwaltung in Nordrhein-Westfalen, weil sich der Informant, der die Liste anbietet, an die Steuerfahndung in Wuppertal gewandt hatte. Zur Probe hatte er auch schon die Daten von fünf Steuerhinterziehern aus NRW preisgegeben.
"Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, in den Besitz dieser Daten kommen", sagte die Kanzlerin. Steuerhinterziehung müsse geahndet werden, das wisse jeder vernünftige Mensch. Merkel hatte da bereits mit ihrem Finanzminister über den Fall gesprochen. Schäubles Ministerium hatte sich am Morgen etwas zurückhaltender geäußert: "Die Entscheidung wird auf der Linie dessen liegen, was Bund und Länder im Liechtensteiner Fall entschieden haben."
Im Sommer 2007 hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) 4,6 Millionen Euro für eine DVD mit den Bankdaten von rund 1.400 Bundesbürgern bezahlt, die Geld in Liechtenstein angelegt hatten, ohne die Erträge zu versteuern. Informant war der damals 42-jährige Heinrich Kieber, der zeitweise für die Liechtensteiner LGT-Bank gearbeitet hatte. Als Computerspezialist war er für die Digitalisierung von Schriftstücken zuständig und hatte deshalb umfassenden Zugriff auf die heiklen Bankinformationen.
Kieber hatte sich, so jedenfalls die offizielle Darstellung, im Januar 2006 per E-Mail beim BND gemeldet. Die Verhandlungen bis zur Übergabe der DVD dauerten also über ein Jahr. Auch damals wurden zunächst einige Datenproben getestet. Außerdem erhielt Kieber zu seinem Schutz eine neue Identität.
Nach Erwerb leitete der BND die Daten als "Amtshilfe" an die Steuerbehörden weiter. Ob dieser Weg zulässig war, ist bis heute umstritten. Der Strafrechtler Günter Heine, ein in Bern lehrender Deutscher, hält zwar den Ankauf der Daten durch den BND für zulässig, weil er auch der präventiven Bekämpfung der Geldwäsche gedient habe. Die Weitergabe an Strafverfolgungsbehörden sei aber nicht möglich, so Heine, denn "die gesetzlich beschränkte Eingriffsbefugnis der Steuerfahndung darf nicht unterlaufen werden".
Eine baldige Klärung der Frage ist nicht zu erwarten. Am Bundesgerichtshof ist kein einziger Fall aus dem Liechtenstein-Komplex anhängig, wie eine Nachfrage der taz bei der Bundesanwaltschaft ergab. Für die Steuer- und Strafbehörden hat die unklare Rechtslage aber Vorteile. Niemand kann ihnen später vorwerfen, sie hätten sehenden Auges rechtswidrig gehandelt. Da sich der Informant diesmal allerdings gar nicht beim BND gemeldet hat, wirkt das vom Finanzministerium angedeutete Einbeziehen des Geheimdienstes allerdings deutlich wie ein Trick zur Umgehung rechtlicher Grenzen.
Inzwischen haben schon mehrere Bundesländer Nordrhein-Westfalen Hilfe bei der Finanzierung des Datenankaufs angeboten. Der Informant fordert 2,5 Millionen Euro. Die Länder wissen, dass ein Mehrfaches zurückkommen kann. Im Liechtenstein-Komplex sind nach SZ-Angaben bisher knapp 180 Millionen Euro Steuern nachbezahlt worden. Hinzu kamen als Sanktion Geldauflagen in Höhe von 20 Millionen Euro.
Schon die bloße Diskussion über die Schweizer Steuerdaten dürfte für die Länder lukrativ sein. Wer jetzt verunsichert ist und sich selbst anzeigt, entgeht zwar - nach einer Sondervorschrift in der Abgabenordnung - einer Strafe, er muss aber auf jeden Fall die hinterzogenen Steuern nachzahlen.
Bisher ist noch nicht bekannt, wie der Informant heißt und wo er die Bankdaten herhat. Nach einem bisher unbestätigten Bericht der Financial Times Deutschland soll es der Italofranzose Hervé Falciani sein, der als Informatiker bei der Schweizer Tochter der Londoner HSBC arbeitete. Falciani wurde 2008 in Frankreich kurzzeitig festgenommen. Anhand der auf seinem Computer beschlagnahmten Daten wird in Frankreich gegen Steuersünder ermittelt.
Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, riet zum Kauf der CD. Die Polizei arbeite täglich mit Kriminellen zusammen, etwa beim Abschöpfen von Informanten, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!