Kommentar Sichere Herkunftsländer: Angelas Werk und Winfrieds Beitrag
Aus Staatsraison wird Winfried Kretschmann wohl dem Asylpaket im Bundesrat zustimmen. Er sollte sich nicht zu billig verkaufen.
![Winfried Kretschmann und Angela Merkel stehen sich gegenüber und schauen sich an. Winfried Kretschmann und Angela Merkel stehen sich gegenüber und schauen sich an.](https://taz.de/picture/975789/14/6836774.jpeg)
E s gibt derzeit einen unappetitlichen Wettlauf der Parteien: Wer tut mehr dafür, dass mehr Abschiebungen möglich sind? Die Grünen in den Länderregierungen, speziell der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Wahlkampf, können sich dieser Diskussion nicht entziehen. Und wollen das auch gar nicht. Denn die Länder sind darauf angewiesen, dass die Flüchtlingszahlen sinken.
Das Konzept der sicheren Herkunftsländer, dem der baden-württembergische Ministerpräsident jetzt in der Länderkammer zustimmen soll, wird dazu aber wenig beitragen. Es ist ein zweifelhaftes Konstrukt, weil es sehr pauschale Maßstäbe an das individuelle Recht auf Asyl anlegt.
Aber zugleich wird dieses Konstrukt völlig überschätzt – von seinen Gegnern wie seinen Befürwortern. Selbst wenn Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden, bleibt doch das Recht auf eine individuelle Prüfung der Asylgründe bestehen. Außerdem werden schon jetzt in Ländern wie Baden-Württemberg Nordafrikaner mit erfahrungsgemäß geringen Bleibechancen in ein beschleunigtes Verfahren geschickt.
Mit oder ohne „Asylpaket II“ werden die meisten Flüchtlinge aus diesen Ländern am Ende wohl trotzdem hier bleiben. Schon deswegen, weil Marokko und Algerien bei Abschiebungen in ihre Länder nicht sehr kooperativ sind.
Genug Gründe für einen Grünen-Politiker, das neue Asylpaket als reine Symbolpolitik abzulehnen. Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg und Tarek Al-Wazir in Hessen werden wohl trotzdem zustimmen. Der grüne Ministerpräsident vor allem deshalb, weil er glaubt, dass die Flüchtlingskrise nach größtmöglicher Übereinstimmung zwischen den demokratischen Parteien verlangt.
Kretschmann scheint immer noch überzeugt, dass Merkel die Einzige ist, die eine europäische Lösung durchsetzen könnte. Von seinem CDU-Wahlherausforderer Guido Wolf wird der Grüne schon als „Merkel-Versteher“ stigmatisiert.
Selbst wenn Kretschmann mit seiner Haltung gegenüber Merkel richtig liegt, darf er sich seine Zustimmung nicht zu billig abkaufen lassen. Seine Parteikollegin Claudia Roth hat eine Altfallregelung ins Gespräch gebracht. Ein Bleiberecht für jene Asylbewerber, die schon jahrelang im Verfahren feststecken und längst hier heimisch geworden sind. Es wäre eine Gelegenheit für die Konsens-Grünen aus den Ländern, etwas Konkretes für diese Flüchtlinge zu erreichen.
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