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Kommentar „Scientists for Future“Warum nicht mal Politiker fürs Klima?

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Schön, dass Forscher die Schülerstreiks unterstützen. Künstler und Sportler sollten sich anschließen. Das gilt auch für eine andere Berufsgruppe.

Und noch jemand, der Greta Thunberg liebt: Über 700 Wissenschaftler unterstützen die von ihr ins Leben gerufenen Schülerstreiks für eine bessere Klimapolitik Foto: dpa

I n der Ökodebatte gibt es ein Paradox: Während bei der Atomkraft die Öffentlichkeit wesentlich aufgeregter agierte als die Wissenschaft, ist es beim Klima genau andersherum: Auf der einen Seite schiebt die Politik das Thema auf die ganz lange Bank (wie derzeit wieder die CDU/CSU zum Klimagesetz), und wir Verbraucher fliegen ohne Skrupel durch die Gegend.

Bei Expertinnen und Experten rund ums Klima dagegen vertiefen sich mit jedem Arbeitstag und jedem neuen Report die Sorgenfalten: Die Gefahr wird immer größer, die Zeit immer knapper, Gegensteuern immer unwahrscheinlicher.

Da ist es gut und richtig, wenn sich jetzt die „Scientists for Future“ laut zu Wort melden und die protestierende Jugend von „Fridays for Future“ unterstützen. Denn wir brauchen eine Wissenschaft, die ihr Engagement nicht an der Labortür abgibt und zusieht, wie ihre Erkenntnisse verdreht oder ignoriert werden. Auch und gerade WissenschaftlerInnen haben das Recht und die Pflicht, an den Entscheidungen über unsere Zukunft mitzubestimmen.

Aufruf kann nur ein Anfang sein

Allerdings kann der lobenswerte Aufruf nur ein Anfang sein. Denn bisher riskieren die Wissenschaftler nicht wirklich etwas. Während die Jugend von „Fridays for Future“ Unterricht versäumt, Demos organisiert und Fehlstunden kassiert, reicht den ForscherInnen bisher eine Unterschrift.

Vielleicht sollten sie überlegen, wie sie die Gangart verschärfen können. Sie könnten sich zum Beispiel regelmäßig und lautstark hinter konkreten Forderungen („CO2-Steuer“) versammeln oder ihre Mitarbeit in allen Beratungsgremien der Regierung ruhen lassen, bis ein ernsthaftes Klimaschutzgesetz verabschiedet ist.

Das wäre ein deutliches Zeichen, dass es so nicht weitergeht, wie es weitergeht. Und vielleicht der Anfang davon, dass sich der Protest aus der Jugendecke heraus in der Gesellschaft breit machen würde: Dann könnte man sich „Artists for Future“ vorstellen, „Athletes for Future“ oder „Business for Future“. Und irgendwann vielleicht sogar: „Politicians for Future“.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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8 Kommentare

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  • " Während bei der Atomkraft die Öffentlichkeit wesentlich aufgeregter agierte als die Wissenschaft, ist es beim Klima genau andersherum"



    Die groesste Aufregung gab es jeweils nach den Atomunfaellen in Fukushima und Tschernobyl.



    Die Wissenschaftlerin weiss, dass ein weiterer Unfall dadurch nicht wahrscheinlicher wird, dass gerade einer stattfand. Gab es mal zehn Jahre lang keinen Unfall, wusste man wenigstens, dass dieses Risiko ueberstanden war. Entsprechend, so Gott odsr der Zufall wollen, wenn in DE bis zum Atomausstieg nichts mehr passiert sein wird.

    Beim Klima kommt dagegen jeden Tag neuer schaedigender Antrieb hinzu, und die verzoegernden Wirkungen verstecken den Blick der Oeffentlichkeit auf die bereits verursachten, aber noch nicht eingetretenen Folgeschaeden. Denn selbst, wenn wir morgen alle fossilen Energiewandler wie Kraftwerke, Heizungen und Autos weltweit stillegen, ginge die Erwaermung noch fuer Jahrzehnte weiter, wenn auch abgebremst und ohne die dramatischsten Risiken.

  • "Denn wir brauchen eine Wissenschaft, die ihr Engagement nicht an der Labortür abgibt und zusieht, wie ihre Erkenntnisse verdreht oder ignoriert werden. Auch und gerade WissenschaftlerInnen haben das Recht und die Pflicht, an den Entscheidungen über unsere Zukunft mitzubestimmen."

    Sie fordern den politischen Wissenschaftler. Wissenschaft und Lehre sollten neutral sein. Sie liefern Erkenntnisse und Fakten und sprechen Warnungen aus, aber dass sie sich in jede Bewegung einschalten, ist überflüssig und schädlich und sogar gefährlich.

    • @JM83:

      Die Forschung hat nicht "neutral" zu sein. Sie hat sich nur an Fakten zu halten und mit den Ergebnissen zu arbeiten, die sie in einem Evidenz basierten Verfahren gewonnen hat.



      Für die Forscher*innen gilt das noch viel weniger. Sie sind diejenigen, mit der nötigen Expertise um sich Faktenbasiert in die Debatte einzuschalten und all denen den Kopf zu waschen, die immer noch denken Fakten, ihre Meinung und ihr Businessintresse stünden gleichberechtigt nebeneinander und sie könnten mal das eine und mal das andere für wichtig nehmen, je nachdem was gerade besser in den Kram passt.



      Die scientists for future verlieren durch ihren Appell nichts an glaubwürdig, sondern er untermauert nur wie ernst sie ihre eigenen, faktenbasierten Forschungsergebnisse nehmen.



      Danke dafür @scientists for future

  • ..." Auf der einen Seite schiebt die Politik das Thema auf die ganz lange Bank (wie derzeit wieder die CDU/CSU zum Klimagesetz), und wir Verbraucher fliegen ohne Skrupel durch die Gegend..."



    Genau das ist das Hauptproblem.



    Solange der größte Teil der Bevölkerung völlig skrupelos immer mehr und weiter fliegt, unvermindert viel Fleisch und Kubabymilchprodukte in sich reinschlingt, die Hauptnachfrage des Konsumenten nach Autos SUV`s und andere hochmotorisierte Vehikel sind, ständig neue Produkte wie Smartphones, Fernseher, Klamotten, usw. usw. kauft und dies als Grundrecht sieht passiert rein gar nix in der Politik. Diese konsumgeile Bevölkerungsmehrheit wählt ja die Politiker, die nix tun. Denn Klimaschutz heißt auch Verzicht.



    Und Verzicht wird als Freiheitseinschränkung fehlgedeutet.



    In dieser konsumvernebelten Atmosphäre haben es Wissenschaftler extrem schwer.



    Der bequeme Konsument wählt vielmehr zunehmend Wissenschaftsverleugner wie die AFD, die munter und strunzdumm, aber konsumentenfreundlich, Weiterverschwenden von fossilen Brennstoffen und sonstigen Recoursen fordert.



    Die Schüler machen genau das vor was richtig und wirksam ist. Mit zivilem Ungehorsam die politischen Penntüten und Konsumvernebelten aufrütteln und Ihnen klar und deutlich vorwerfen daß die Zukunft der jungen Menschen von Besitzstandswahrern und dessen politischen Gehilfen kaputtgewirtschaftet wird.



    Die Wissenschaftler unterstützen diese Menschen allein durch das Schaffen von Wissen und dessen Verbreitung: Und sie tun es schon sehr laut und sehr gründlich. Schüler wollen lernen. Sie wollen das lernen, was gut für ihre Zukunft ist.

    • @Traverso:

      "Solange der größte Teil der Bevölkerung völlig skrupelos immer mehr und weiter fliegt,"...

      Und Eisbecher in Kalifonien futtern will...

  • Die da oben haben sich um das Klima zu kümmern, aber selbstverständlich ohne mich in meiner Bequemlichkeit einzuschränken. Das ist paradox, idiotisch und menschlich.



    Eine dankbare Aufgabe für die Psychologie: Heraus zu finden, was tatsächlich als die größere Bedrohung wahrgenommen wird, der Klimawandel, oder die nötigen Umbrüche zu dessen Vermeidung.

  • Bereits Anfang der 30er koennte die Arktis im Sommer eisfrei sein:

    news.agu.org/press...de-of-predictions/

    Dann haetten Europas Schulen den ganzen Sommer ueber hitzefrei.

  • Leider ist für viele Wissenschaftler die Arbeit oftmals mit der Fachpublikation abgeschlossen. Dass im Wissenschaftsbetrieb explizit "Outreach" gefordert, geschweige denn gefördert wird, ist immer noch die Ausnahme. Wenn sich die Wissenschaft dann darüber beschwert, dass ihre Ergebnisse in der Öffentlichkeit kein Gehör finden, zu schwach oder gar falsch dargestellt werden, ist dies zu erheblichen Teilen ein Versagen der Wissenschaft selbst.