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Kommentar Schweizer AtomausstiegStandhaft geblieben

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Die Schweizer vertrauten eher nüchternen Argumenten als einfältigem Alarmismus. Der Volksentscheid gegen neue AKWs ist ein doppelter Gewinn.

„Atomkraft? Nein danke“ – das dachte sich wohl auch die Mehrheit der Schweizer Foto: reuters

D ie Sachlichkeit hat gesiegt über eine unsäglich dümmliche Kampagne. Nichts war den Gegnern der Schweizer Energiestrategie in den letzten Wochen zu dämlich gewesen, um Stimmung zu machen gegen die Energiepolitik der Regierung. Die Aussage, Haushalte müssten künftig pro Jahr „3.200 Franken mehr bezahlen und erst noch kalt duschen“, war da noch nicht einmal der Gipfel der Absurdität.

Ein Verbot von Bananen, Kaffee und Fleisch wegen des hohen Energieverbrauchs wurde als Schreckensvision beschrieben, ebenso wie ein Verbot der Weihnachtsbeleuchtung oder auch eine nur mehr wöchentliche Paketauslieferung der Post (um Sprit zu sparen). Mitunter klang das alles wie Satire. Jetzt ist klar: Bei der Mehrheit der Eidgenossen konnten diese Warnungen nicht verfangen.

Das Ergebnis des Schweizer Volksentscheids ist nun ein doppelter Gewinn. Zum einen natürlich aus Sicht der Energiewirtschaft, die ein gutes Stück an Planungssicherheit gewonnen hat. Neue Atomkraftwerke wird es in der Schweiz nicht mehr geben, die alten werden – wenngleich aus Sicht von AKW-Gegnern viel zu spät – irgendwann vom Netz gehen. Die erneuerbaren Energien werden etwas mehr gefördert, die effiziente Nutzung von Energie wird an Bedeutung gewinnen. Das ist alles nichts Spektakuläres, aber es ist immerhin ein wichtiger Schritt.

Der zweite Sieg der jüngsten Abstimmung gilt der demokratischen Kultur der Schweiz. Mit massivem Geldeinsatz, mit auch für Schweizer Abstimmungskämpfe ungewöhnlicher Vehemenz hatten die Gegner der Energiewende versucht, noch auf den letzten Metern die Oberhand in der öffentlichen Debatte zu gewinnen.

Doch die Bürger blieben standhaft, vertrauten eher nüchternen Argumenten als einfältigem Alarmismus. Und machten damit deutlich: Selbst eine teure Kampagne kann in einer stabilen Basisdemokratie verpuffen. Auch das ist beruhigend.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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6 Kommentare

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  • "Ein Verbot von Bananen, Kaffee und Fleisch wegen des hohen Energieverbrauchs wurde als Schreckensvision beschrieben[.]"

     

    Abgesehen von der Einstufung als Schreckensvision ist das ziemlich realistisch, wenn wir die Eindämmung on Abholzung und Treibhausgasen ernst nähmen.

  • In den nächsten 30 Jahren bleibt alles wie es ist

     

    Heute sind es 60% Wasserkraft und 40% Kernenergie und 2047 werden

    es immer noch 60% Wasserkraft sein und 40% Kernenergie. Vielleicht wird

    man noch einige Stromleitungen nach Deutschland verlegen um von dort

    Strom für Geschenkt oder sogar mit negativen Preisen zu gekommen.

  • Schon schön, aber: lediglich 1/4 ihres Energieverbrauchs produziert die Schweiz selbst, vor allem Strom aus Wasser- und Atomkraft. 3/4 stammen aus dem Ausland. Je mehr ich von der Schweiz erfahre desto unsympathischer wird sie mir. Keine EU- und keine Nato-Mitgliedschaft, Strom andere produzieren lassen, ihre Steueroasen, immer schön mitprofitieren, sich immer hübsch raushalten.

    • @Rainer Seiferth:

      Komisch: mir geht es umgekehrt. Je mehr ich von der Schweiz erfahre, um so sympathischer wird sie mir. In Sachen Demokratie ist sie uns auf jeden Fall meilenweit voraus.

    • @Rainer Seiferth:

      @ Rainer Seifert: Woher haben sie diese Info? Das kam mir doch ein wenig unrealistisch vor, so daß ich mal beim Schweizer Bundesamt für Energie nachgeschaut habe, dort findet man sehr umfangreich Tabellen und Statistiken rund um den Energieverbrauch in der Schweiz:

      http://www.bfe.admin.ch/themen/00490/00491/

       

      Und dort entnehme ich einer Graphik, daß der Landesverbrauch 2015

      34.108 Giga Wh betrug, die Netto-Landeserzeugung 33.583 Giga Wh. Stromerzeugung und -verbrauch liegen also sehr dicht beeinander.