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Kommentar Schäuble zu GriechenlandWas scheren uns die Fakten?

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Der Bericht der Troika zu Griechenland fällt insgesamt positiv aus. Aber Schäuble und Merkel spielen auf Zeit. Das ist gefährlich.

G eht es um Griechenland, nimmt es die Bundesregierung mit der Wahrheit nicht so genau. Einerseits beteuern Merkel und Schäuble immer wieder, man werde Athen nicht fallen lassen. „There will be no Staatsbankrott“, sagte Schäuble wörtlich. Andererseits legen sie es offenbar auf eine Pleite an.

Wochenlang haben sich die beiden ungleichen CDU-Politiker hinter der Troika versteckt. Ohne den Abschlussbericht der internationalen Aufseher, so hieß es in Berlin, könne es keine neuen Finanzhilfen für Athen geben. Am Montag kam nun das heiß ersehnte Dokument. Es falle insgesamt positiv aus, freute sich Eurogruppenchef Juncker. Doch Schäuble blieb bei seiner harten Haltung: Die Sache sei noch nicht entscheidungsreif, basta!

Jetzt fühlen sich nicht nur die Griechen verschaukelt. Auch die Deutschen werden an der Nase herumgeführt. Es ist nämlich schlicht unwahr, dass der Ball immer noch in Athen liegt, wie Schäuble unverdrossen behauptet. Der Ball liegt in Berlin, und das schon seit Wochen. Bereits seit Oktober weiß Schäuble, dass die Rettung Griechenlands noch teurer wird.

Bild: taz
ERIC BONSE

ist Korrespondent der taz in Brüssel.

IWF-Chefin Christine Lagarde hat es ihm schriftlich gegeben: Der Schuldenberg wächst trotz und wegen der Sparpolitik bedrohlich; ohne einen neuen Schuldenschnitt oder zusätzliche Milliardenhilfen ist Griechenland nicht zu retten. Doch Schäuble und seine Kanzlerin spielen im beginnenden Bundestagswahlkampf lieber auf Zeit.

Damit gefährden sie nicht nur die Rettung Griechenlands. Sie gefährden auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands und der gesamten Eurozone. Merkel und Schäuble müssen endlich zugeben: Ihre Griechenlandpolitik ist gescheitert, die Rechnung fällt gesalzen aus.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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6 Kommentare

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  • DP
    Drazen Perinic

    Ausbeutung des deutschen Steuerzahlers

    Unsere Politiker glauben, daß man die tausendjährigen Sitten der Südländer kurzfristig ändern kann. Das ist ein Irrglaube, denn die Südländer werden auch künftig keine Zusagen einhalten. Berlusconi hat der EZB zugesagt, die sieben Bedingungen einzuhalten, bevor die Gelder fliessen. Bis heute sind die sechs davon nicht eingehalten worden, aber unser Geld ist weg. Die Unterschriften der Südländer unter dem Fiskalpakt und den anderen Verträgen sind keinen Pfifferling wert. Die Griechen und die anderen Südländer müssen das von uns finanzierte Schlaraffenland Eurozone verlassen. Diese Geldtransfermaschine vernichtet unseren Wohlstand. In den Eurojahren wurden die Reallöhne und Renten in Griechenland um 39;6% auf unsere Kosten angehoben. Unsere Reallöhne wurden in derselben Zeit um 1%, die Realrenten um 10% gekürzt. Der deutsche Steuerzahler wird von der Eurozone mit Hilfe der EZB ausgebeutet.

  • S
    Sextus

    Es ist erfreulich für uns, Griechen, dass es auch solche Meinungen von Deutschen gibt, wie die oben aufgeführten. Besonders der Kommentar von Volker findet meine volle Zustimmung.

  • PM
    Peter Meisel

    Die Aufgabe des Herakles

    Griechenland, die beste Kuh in Augias Stall. Wo sonst gibt es solch hohe Zinsen. Die NZZ CH berichtet von 45% bis aktuell 17% (griechische Rendite für zehnjährige Staatsanleihen NZZ 10.11.2012)

    Und für solche Höchstleistung werden beste Sicherheiten gewährt, die Produktivkraft Europäischer Steuerzahler? Eine Freude für internationale Anleger darunter auch Deutsche. Die sicher Zahlung erfolg aufs Sperrkonto, Griechenland erhält nur die Zeit, je länger desto besser, für die Anleger.

    Herakles erledigte die Aufgabe indem er die Fundamente des Stalls an einer Seite aufbrach und durch einen Kanal das Wasser der Flüsse Alpheios (Ἀλφειός) und Peneios (Πηνειός) durch den Stall leitete und somit die Augiasställe säuberte.

    Alle reden vom Wetter, Mist-Wetter, in unserem Stall! Wir machen es 2013?

  • I
    ion

    "„There will be no Staatsbankrott“" ist in DER Entschiedenheit eher neueren Datums O-Ton Schäuble und hat doch einige verwundert!

    Kann mal jemand investigativer checken, ob es zutrifft, dass die Chinesen der EU inzwischen zu verstehen gegeben haben sollen, dass sie keinerlei europäische Anleihen mehr kaufen werden, falls zugelassen wird, dass Griechenland endlich in seinen wohlverdienten Bankrott entlassen wird?

    Ist die EU bereits der perfekte Hampelmann der Weltwirtschaft (durch Griechenland, etc.)?! Wann wird endlich die Reißleine gezogen, bevor es vollends irrelevant wird, ob noch jemand eine "gesalzene Rechnung" stellen kann, wird‽

    Nicht allein "Merkel und Schäuble müssen endlich zugeben: (....)", sondern alle involvierten EU-Politiker, die die Bürger seit Jahren systematisch verar****!

  • VH
    Volker hört die Signale

    Das sich dieses Hirngespinst von wegen "Die Griechenland-Rettung will nicht so recht gelingen" und "Es wird noch teurer" tatsächlich noch immer hält.

     

    Die Koalition hält Griechenland an der kurzen Leine knapp am Abgrund. Die Gefahr muss jederzeit sichtbar sein, ohne dass eine tatsächliche Gefahr besteht: Durch die Illusion eines drohenden Staatsbankrotts zahlt Deutschland auf Kredite faktisch keine Zinsen mehr und führt gleichzeitig einen erfolgreichen Währungskrieg.

    Deutschland verbilligt durch diesen Pseudo-Konkurs ähnlich erfolgreich wie China die eigene Währung, um den Export anzuheizen - in einem Maße, dass die keineswegs arme Schweiz bereits kurz davor ist, zu kapitulieren.

     

    Das passiert natürlich auf dem Rücken der Südländer; "aber die sind schließlich eh alle faul und doof und haben's nicht anders verdient", wie der Deutsche so sagt. Und selbst wenn nicht: die können sich ja nicht wehren und diejenigen, die sich nicht wehren können, zu bekämpfen ist nunmal gute deutsche Tradition.

  • R
    regalo

    Der Kommentator hat recht: die deutsche Regierung (am Beispiel Schäuble) ist in der Frage Griechenland unaufrichtig und widersprüchlich. Aber sind wir das nicht alle? Wir wollen Griechenland helfen, aber bitte nicht einseitig auf Kosten derjenigen, die sich nicht wehren können. In Griechenland: niedrigere Renten, Herabsetzung der Mindestlöhne, schlechtere soziale Standards für Arbeiter und Angestellte und gleichzeitig keine wirkliche Verhinderung von Steuerhinterziehung und Niedrigsteuer für Reiche; in Deutschland: Erhöhung des Risikos für den normalen Steuerzahler, gleichzeitig Schonung der Spitzenverdiener und der oberen Vermögenseigner. Gerade die Euroromantiker unter Sozis und Grünen sehen über diese Widersprüche hinweg und sprechen sich im Zweifel für unbegrenzte Griechenlandhilfen ohne Bedingungen aus.