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Kommentar Sawtschenko und UkraineVerbal aufrüsten

Kommentar von Barbara Oertel

Ukraines Präsident Poroschenko könnte die Freilassung der Pilotin als Erfolg verbuchen. Stattdessen droht er mit Militäreinsätzen.

Entspannung wäre besser: Präsident Petro Poroschenko und Nadija Sawtschenko Foto: ap

A uch wenn die genauen Umstände des Gefangenenaustausches zwischen Russland und der Ukraine noch nicht bekannt sind: Die Freilassung der Pilotin Nadija Sawtschenko aus russischer Haft ist zunächst einmal eine gute Nachricht.

Aber was fällt dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko dazu ein, der jetzt endlich einmal einen Erfolg vorzuweisen hat und diesen weidlich für sich ausschlachtet? Leider nichts außer, man werde sich auch noch den Donbass und die Krim zurückholen.

Ja, gehts noch? Anstatt die Gunst des Augenblicks zu nutzen, um vielleicht eine Entspannung der Lage in der Ostukraine zu erreichen, wird verbal aufgerüstet.

Das ist unklug und zynisch. Denn die Umsetzung des Minsker Abkommens steht auf der Kippe. Fast täglich wird die Waffenruhe gebrochen und es sterben Menschen. Über die Regionalwahlen in Donezk und Lugansk wird zwar viel gesprochen, aber bisher sind noch nicht einmal die dafür notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. Hinzu kommt, dass zahlreiche Gefangene, wie der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow, weiter in russischen Knästen schmoren.

Aber Petro Poroschenko und seine Regierung haben auch noch einige andere Baustellen. Da ist diese Liste mit persönlichen Daten tausender Journalisten aus dem In-und Ausland, die offiziell aus der Ostukraine berichtet haben. Und die jetzt quasi zum Abschuß freigegeben sind. Als Herausgeber firmiert eine angeblich unabhängige Organisation, die aber in Wahrheit nichts anders ist als ein verlängerter Arm des ukrainischen Innenministeriums.

Mit anderen Worten: Hatz auf Medienmacher, die auch noch von staatlicher Seite abgesegnet ist. Ein derartiges Vorgehen erinnert in fataler Weise an die Zustände in Russland, von denen sich abzusetzen die Ukraine ja so bemüht ist. Mit dem Respekt rechtsstaatlicher und demokratischer Grundrechte, für die tausende Demonstranten wochenlang auf dem Maidan eingetreten sind, hat es rein gar nichts zu tun.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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2 Kommentare

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  • Ist Politik nicht überhaupt und generell ganz oft genau das: unklug und zynisch?

     

    Es gibt offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was es bedeutet, die "Gunst der Stunde" ordentlich zu nutzen. Menschen sind für Typen wie Putin und Poroschenko doch nicht mehr als Schachfiguren. Wenn sie sterben müssen, damit das ausgegebene Ziel erreicht wird, dann ist das eben so. Nein, klug ist das nicht. Aber das macht nichts. Wer die Macht hat, der kann auch sehr, sehr dumme Dinge tun, ohne dass ihm jemand in den Arm fällt. Je dümmer eine Tat, scheint mir, um so größer die Genugtuung, wenn man damit durchkommt.

     

    Übrigens: Enttäuschungen setzen immer voraus, dass zuvor eine Täuschung war. So wenig, wie die Montagsdemonstranten anno 1989 allesamt für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit marschiert sind auf den löchrigen Straßen der DDR, haben die Maidan-Demonstranten allesamt den Respekt rechtsstaatlicher und demokratischer Grundrechte im Sinn gehabt. Manche von ihnen wollten auch einfach nur mal selber an die Macht – um tun zu können, was sie immer schon tun wollten aber nie tun durften. Das aber hat im Überschwang der Gefühle mal wieder kaum einer sehen wollen. Auch niemand, der bei der taz arbeitet.

  • Da bleibt nur Kopfschütteln und die Wiederholung: "Geht's noch, Herr Präsident?"