Kommentar SPD und Frankreich-Wahl: Schulz, kein großer Europäer
Mit Schulz haben die Sozialdemokraten das Potenzial, die französischen Genossen zu unterstützen. Doch der ist ein Vertreter des deutschen Europa.
W enn es so kommt, wie Umfragen vorhersagen, werden sich in der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen eine Vertreterin einer nationalistischen sozialen Politik, nämlich Marine Le Pen, und ein Kandidat, der für Europa und Sozialabbau steht, gegenüberstehen – entweder François Fillon oder Emmanuel Macron. Das wäre: Trump gegen Clinton reloaded.
Benoît Hamon, der Kandidat der Sozialisten, scheint chancenlos. Seine Idee eines Grundeinkommens kann man für unfinanzierbar halten. Aber er steht auch für zwei Vorschläge, die den Zusammenhalt Europas befördern würden: eine Suspendierung der Verschuldungsgrenze von drei Prozent des BIP und einen europäisch koordinierten Mindestlohn.
Die deutschen Sozialdemokraten, insbesondere der als großer Europäer gefeierte Spitzenkandidat Martin Schulz, könnten nun ihrer französischen Schwesterpartei unter die Arme greifen und versprechen, beide Forderungen zu unterstützen, falls Schulz Kanzler wird – zumindest aber den deutschen (8,84 Euro) auf die Höhe des französischen Mindestlohns (9,67 Euro) aufzustocken. Bisher herrscht dazu Schweigen.
Und dabei wird es wohl auch bleiben: Denn Schulz ist, wenn es darauf ankommt, kein großer Europäer, sondern ein Vertreter des deutschen Europa. Einer, der weiß, dass die deutsche Industrie an Wettbewerbsfähigkeit verlieren würde, wenn der deutsche Mindestlohn so hoch wäre wie der französische. Es kann aber nicht dauerhaft funktionieren, auf europäischer Ebene nur das zu vereinheitlichen, was Deutschland nützt, also die Währung, und eine Vereinheitlichung dort abzulehnen, wo es Deutschland schadet.
Sollte in der zweiten Runde der Frankreich-Wahlen überraschend Marine Le Pen gewinnen, wird die Empörung der Sozialdemokraten groß sein. Schulz würde über eine „Schande für Europa“ reden – und den Mantel des Schweigens über die Mitverantwortung der SPD ausbreiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen