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Kommentar Russland und Iran für AssadIm Stich gelassen

Kommentar von Peter Philipp

Die russische Luftwaffe startet ihre Angriffe gegen die Gegner des Assad-Regimes nun von iranischem Boden aus. Ein Bündnis mit Folgen.

Putin liegt daneben: Statt den IS in die Enge zu treiben, werden andere Islamisten gestärkt Foto: reuters

N ur Russland schätze die Situation in Syrien realistisch ein, meinte der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani, und Teherans Kooperation mit Moskau diene nur einem Ziel: Die Gefahren des sogenannten Islamischen Staats (IS) einzudämmen. Wie weit diese Zusammenarbeit inzwischen geht, war der konservative Vorsitzende des „Madschlis“ nicht bereit zu sagen. Aber Moskau hatte gerade offiziell verkündet, russische Bomber starteten zu ihren Angriffen auf den IS nun von Hamadan im Nordwest-Iran und dies bedeute eine beträchtliche Erhöhung der Einsatzfähigkeit der Flugzeuge.

Während die russischen Maschinen über das Grabmal des weltberühmten und 1037 in Hamadan gestorbenen Universalgelehrten Avicenna (Arabisch: Ibn Sina) hinweg starten und Kurs nach Westen nehmen, gehen die Meinungen weit auseinander, was dies politisch, militärisch und strategisch bedeutet – für Syrien, die Region und darüber hinaus. Einig scheint man sich nur darin, dass die offene Kooperation zwischen Teheran und Moskau den Entwicklungen in der Region eine neue Qualität verleiht.

Ihr Kampf richtete sich bisher aber weniger gegen den IS, sondern viel mehr gegen andere Oppositionsgruppen, die von Präsident Assad pauschal als Terroristen bezeichnet und mit äußerster Härte verfolgt werden. Mit katastrophalen Folgen für die Bevölkerung, besonders in Aleppo. Die Zusage Moskaus regelmäßiger Waffenruhen zur Versorgung der Zivilisten wurden nicht eingehalten, ähnliche Appelle der UNO ebenso wenig. Die Welt sah tatenlos zu. US-Außenminister Kerry diskutierte mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow die Wiederaufnahme der Friedensbemühungen, Ergebnisse wurden aber nicht bekannt. Und die Europäer schwiegen, mit Ausnahme von Bundesaußenminister Steinmeier, dessen Forderung nach einer Luftbrücke zur Versorgung der Zivilisten in Aleppo selbst von diesen als nicht praktikabel betrachtet wurde.

Von der Welt im Stich gelassen kam es zu einem neuen Bündnis der Assad-Gegner: Unter der Führung der al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front bildete sich Dschabhat Fatah asch-Scham (Front zur Eroberung Syriens), und diese wird offenbar von Saudi-Arabien und der Muslimbruderschaft unterstützt. Statt also den IS weiter in die Enge zu treiben, wurden andere Islamisten gestärkt – und das auf Kosten der Bevölkerung von Aleppo.

Türkei ist unzufrieden

Sowohl Moskau als auch Teheran sind daran interessiert, Präsident Assad zumindest mittelfristig an der Macht zu halten. Die Russen, um ihre Rolle in der Region weiter auszubauen. Die Iraner, um die engen Beziehungen zur libanesischen Hisbollah zu bewahren – was ohne das alawitische Assad-Regime in Damaskus kaum möglich wäre. Beide wollen offenbar dem Westen zeigen, dass man auf ihn nicht angewiesen ist. Der Iran, weil das vor einem Jahr geschlossene Atomabkommen bisher nicht die erhofften Ergebnisse gebracht hat, und Russland, weil es vom Westen mit Sank­tio­nen belegt ist.

Bleibt der dritte „Unzufriedene“ in der Region: die Türkei. Nach ihrer Aussöhnung mit Russland sehen sie manche als nächsten Partner im Bündnis Iran/Russland. Und in der Tat: Ankara könnte bei einem Ende des Kriegs in Syrien Flüchtlinge zurückschicken und sein Problem mit der EU reduzieren. Es müsste dafür aber grundlegende Kursänderungen vornehmen, die nicht wirklich zu erwarten sind: So müsste es sich mit dem Verbleib Baschar al-Assads abfinden und würde damit seine sunnitischen Freunde in der Region düpieren.

Ebenso wenig dürfte die Nato es goutieren, wenn das Mitglied Türkei in solch einem Bündnis mitmachte. Zumal die USA und Verbündete vom türkischen İncirlik Angriffe auf den IS fliegen. Aber İncirlik ist nicht Hamadan und wird es auch nicht ersetzen. Sonst wären die Russen nicht dabei, eine bisher von ihnen benutzte syrische Luftwaffenbasis auszubauen.

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13 Kommentare

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  • Oh Gott, oh Gott.

     

    „Ihr Kampf richtete sich bisher aber weniger gegen den IS, sondern viel mehr gegen andere Oppositionsgruppen, die von Präsident Assad pauschal als Terroristen bezeichnet und mit äußerster Härte verfolgt werden.“

     

    Das Problem ist, dass sich die Islamisten immer schnell in „moderate“ Rebellen umbenennen, wenn es ihnen an den Kragen geht. Naja. In Palmyra waren bestimmt auch besonders moderate Kopfabschneider.

     

    „Die Zusage Moskaus regelmäßiger Waffenruhen zur Versorgung der Zivilisten wurden nicht eingehalten, ähnliche Appelle der UNO ebenso wenig.“

     

    Das Problem mit Waffenstillständen ist, dass immer beide Seiten mitmachen müssen. Und die Rebellen weigern sich standhaft. Als ihre Gegner humanitäre Korridore einrichten wollten, haben sie das mit Schüssen auf die Benutzer und einer Großoffensive quittiert.

     

    „Von der Welt im Stich gelassen…“

     

    griffen sie nach ihren neu gelieferten Waffen und schlugen zu…

     

    „Der Iran, weil das vor einem Jahr geschlossene Atomabkommen bisher nicht die erhofften Ergebnisse gebracht hat, und Russland, weil es vom Westen mit Sanktionen belegt ist.“

     

    Oder der Iran, weil man keine Lust auf fanatische Sunniten als Nachbarn hat und weil man sich jetzt sicher ist, dass die USA das Atomabkommen nicht umsetzen wollen.

     

    Oder Russland, weil es den seit 2003 dauernden Dauerkrieg beenden will, dessen zunehmende Radikalisierung auch die muslimischen Gebiete Russlands bedroht und weil es den USA ihre Grenzen aufzeigen will.

  • Teil 1:

    „Ihr Kampf richtete sich bisher aber weniger gegen den IS, sondern viel mehr gegen andere Oppositionsgruppen, die von Präsident Assad pauschal als Terroristen bezeichnet und mit äußerster Härte verfolgt werden.“

    ...und das völlig zu Recht. Anfang des Jahres ging man zusätzlich zum IS von ca. 65.000 Jihadisten in Syrien aus. Die größten Gruppen sind Ahrar al-Sham (15.000 Kämpfer), Jabhat al-Nusra (aka „Jabhat Fatah al-Sham“) (10,000), Jaish al-Islam (17,000), and Liwa al-Umma (6,000). Diese Gruppierungen unterscheiden sich ideologisch kaum vom IS. Demokratisch-laizistische Kräfte mit einer nennenswerten Anzahl an Kämpfern existieren nicht mehr. Die zu Anfang des Konflikts noch starke FSA hat sich zu großen Teilen den Jihadisten angeschlossen oder ist geflohen. (http://tonyblairfaithfoundation.org/sites/default/files/If%20the%20Castle%20Falls.pdf)

     

    „Die Zusage Moskaus regelmäßiger Waffenruhen zur Versorgung der Zivilisten wurden nicht eingehalten, ähnliche Appelle der UNO ebenso wenig. Die Welt sah tatenlos zu. US-Außenminister Kerry diskutierte mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow die Wiederaufnahme der Friedensbemühungen, Ergebnisse wurden aber nicht bekannt.“

    ...komplette Verdrehung der Tatsachen. Die von Russland und der syrischen Regierung angebotenen und z.T. einseitig gehaltenen Waffenruhen wurden von den Jihadisten bisher in jedem Fall gebrochen. Lawrow forderte seinen Amtskollegen Kerry mehrmals auf, Ansprechpartner für Friedensgespräche zu benennen. Ergebnisse wurden nicht bekannt.

    • @jhwh:

      Teil 2:

      „Von der Welt im Stich gelassen kam es zu einem neuen Bündnis der Assad-Gegner: Unter der Führung der al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front bildete sich Dschabhat Fatah asch-Scham (Front zur Eroberung Syriens), und diese wird offenbar von Saudi-Arabien und der Muslimbruderschaft unterstützt.“

      ...Legendenbildung für Anfänger. Alle Assad-Gegner werden und wurden aus dem Ausland unterstützt. Katar und Saudi-Arabien setzen seit 2012 erhebliche finanzielle Mittel ein. Die Türkei hält ihre Grenzen für den Transport von Waffen und Söldnern in die eine und gestohlenem Öl in die andere Richtung offen. Die USA wiederum liefern über sog. moderate Rebellen oder die Golfstaaten modernste Waffentechnik und helfen (gerade in und um Aleppo) mit Satellitenaufklärung. Bündnisse zwischen den Rebellengruppen gibt es bereits seit mehreren Jahren in einem Ausmaß, daß es völlig unmöglich macht, zwischen „moderaten“ und „radikalen“ zu unterscheiden. Und wie STEFAN_MIT_F bereits bemerkte ist „Jabhat Fatah al-Sham“ kein neues Bündnis, sondern nur der neue Name von Jabhat al-Nusra.

       

      Entstand dieser Artikel jetzt aus Ahnungslosigkeit oder müssen wir uns Sorgen machen.

  • Ich bin ziemlich entsetzt darüber, wie in vielen Medien hier in D so langsam Russland zum Hauptfeind im Nahen Osten wird, und der IS als 'Feind' demgegenüber in den Hintergrund tritt. Leute, habt ihr vergessen, was der IS so alles treibt? Liebe taz, auch von dir würde ich mir eine differenziertere Berichterstattung wünschen, nicht nur ein mitheulen in der Tonlage der 'Atlantiker'... (OK, war ein Kommentar, aber sehr prominent präsentiert, und mit Berufung auf einige zweifelhafte Fakten)

    • @WBD-399:

      ach ja, die Definition von 'Terroristen' ist ja immer wieder so eine Sache: Ich glaube, weltweit wird im Allgemeinen der als Terrorist oder Terroristin angesehen, der/die mit Waffengewalt und Menschenmord ein (zumeist) politisches Ziel durchsetzen will. Da sind sich harte Islamisten a la IS oder eher weichere wie 'Dschabhat Fatah asch-Scham' eigentlich sehr, sehr ähnlich. TERRORIST IST, WER TÖTET.

      • @WBD-399:

        "Ich glaube, weltweit wird im Allgemeinen der als Terrorist oder Terroristin angesehen, der/die mit Waffengewalt und Menschenmord ein (zumeist) politisches Ziel durchsetzen will."

         

        Also die USA, die NATO usw.

      • @WBD-399:

        OK, einer geht noch ;-)

        TERRORIST kann natürlich auch eine/r sein, der bestimmten Leuten Waffen schickt, und ihnen beibringt, wen und wie man damit zu TÖTEN hat.

        'Regime Change' gehört für mich auch dazu - sicherlich eine der Hauptursachen für das Syrische Drama !!

  • Die Türkei wird der Achse Iran-Syrien-Russland nicht beitreten. Der Grund liegt in der Religion. Erdogan wird keine Schiiten unterstützen. Vielmehr unterstützt Erdogan den sunnitischen IS. Das Anbandeln von Erdogan mit Putin hat eher taktische Gründe. Er zeigt damit, dass nicht die Türkei auf die Nato sondern die Nato auf die Türkei angewiesen ist. Damit verschafft er sich zum einen Handlungsfreiheit gegenüber den USA und der EU. Gleichzeitig sorgt dies dafür, dass Putin ihm nicht in den Rücken fällt.

  • Welche Interessen der Westen hat, Assad zu stürzen, können Sie unter:

    „Die Aasgeier kreisen in Berlin“ bei „der Freitag“ vom 04.09.2012

    oder „The Day After – ein konspirativer Zirkel referiert in Berlin die Zukunft Syriens“ bei „Hintergrund“ vom 29.08.2012 und in vielen weiteren Quellen nachlesen.

    Die TAZ sollte vielleicht auch einmal darauf eingehen.

  • "Die Welt sah tatenlos zu."

    Wer oder wo ist diese "Welt"? Saudis, Amis, Türken und die Menschenfreunde in der NATO sahen z.B. von Anfang an nicht tatenlos zu, sondern haben die Kopfabschneider jeder Couleur nach Kräften unterstützt.

     

    Der freundliche Herr Steinmeier könnte zur Abwechslung mal an seinen Verbündeten, die Türkei appellieren, den IS nicht weiter zu unterstützen.

     

    "Von der Welt im Stich gelassen kam es zu einem neuen Bündnis der Assad-Gegner: Unter der Führung der al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front bildete sich Dschabhat Fatah asch-Scham"

    Dazu meint Wikipedia:

    "Al-Nusra-Front oder Dschabhat al-Nusra... ist eine dschihadistisch-salafistische Organisation in Syrien. Sie war bis zum 28. Juli 2016, der Tag an dem sie ihre Trennung von al-Qaida und ihre Umbenennung zu "Dschabhat Fatah asch-Scham" verkündete, eine al-Qaida zugehörige Gruppe"

    Es war eine schlichte Umbenennung und keine Neubildung.

     

    "...diese wird offenbar von Saudi-Arabien und der Muslimbruderschaft unterstützt."

    und dies nicht seit gestern

     

    Beim Thema Syrien ist hier außer strategischer Kommunikation offensichtlich nicht viel zu erwarten.