Kommentar Rot-Rot in Brandenburg: Vorwärts ins letzte Jahrhundert
Die Hartwährung in Brandenburg ist Pragmatismus. Neben dem Wegfall des Umweltministeriums gibt es ein zweites Fiasko im neuen Kabinett.
G erade in einem armen, von Abwanderung gebeutelten Land wie Brandenburg taugen allzu hochfliegende politische Pläne wenig. Es geht ja eher darum, den Sinkflug abzufedern und trotz schwindender Einwohnerzahl halbwegs funktionierende und bezahlbare Verwaltungseinheiten zu bewahren. Die Hartwährung in der Landespolitik ist Pragmatismus. Das neue rot-rote Kabinett in Potsdam weckt gleichwohl die ärgsten Befürchtungen. Denn die SPD blinkt heftig nach rechts. Und rückwärts.
Es ist zwar nicht überraschend, dass die SPD einen als hart geltenden Innenminister beruft. Im Wahlkampf konnten CDU und AfD mit dem Verweis auf Kriminalität an der Grenze zu Polen punkten. Dass die SPD dort keine offene Flanke riskieren will, ist nachvollziehbar.
Doch Innenminister Karl-Heinz Schröter ist keine gute Wahl. Als Landrat hat er starrsinnig daran festgehalten, Asylbewerbern nur Gutscheine, kein Bargeld auszuhändigen. Mag sein, dass Ministerpräsident Woidke es für geschickt hält, mit Schröter einen Kritiker der geplanten Kreisgebietsreform nun zum Verantwortlichen für diese Reform zu machen. Doch in der Migrationspolitik ist Schröter schlicht reaktionär. Die SPD will offenbar CDU-Politik mit rot-roter Verpackung machen.
Das zweite Fiasko dieser Kabinettsliste ist die Auflösung des Umweltministeriums, das zu einer Unterabteilung des Landwirtschaftsministeriums wird. Dort hat nach wie vor der SPD-Minister Jörg Vogelsänger das Sagen, ein bekennender Anhänger von Massentierhaltung. Sein erklärtes Ziel ist es, agrarindustrielle Mastanlagen zu fördern – ganz im Stil der blindwütigen Wachstumspolitik der SPD im letzten Jahrhundert. Dass die Belange nachhaltiger Entwicklung dem Agrarministerium zugeschlagen werden, zeigt welche Rolle Umweltpolitik in Potsdam spielen wird: keine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker