Kommentar Roma-Register in Schweden: Verwurzelter Rassismus
Die schwedische Polizei erfasste jahrelang Daten von Roma und kriminalisierte sie. Sowas hat in einem demokratischen Rechtsstaat nichts verloren.
Man kann nur spekulieren, was sich die schwedische Polizei beim Aufbau ihres Roma-Registers dachte. Naheliegend ist, was ein ehemaliger Polizist zu Protokoll gab: „Roma galten bei uns per se als kriminell.“ Und wenn man sich schon die Mühe macht, Familienstammbäume zu erstellen, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, und dabei auch Verstorbene oder Zweijährige aufnimmt, ist das kaum anders zu verstehen: Man geht von einer Art „kriminellem Gen“ aus.
Hinter diesen Gedankengängen steht kein durchgeknallter einzelner Beamter. Diese Register wurden mindestens acht Jahre lang aufgebaut, ständig aktualisiert und stetig ergänzt. Offenbar wurde landesweit auf diese Informationen zurückgegriffen – und niemand reagierte.
Bis jetzt ein Insider aus Furcht, gegen den „Korpsgeist“ zu verstoßen, einen anonymen Tipp an die Medien weitergab, statt seine Vorgesetzten zu informieren. Womit er völlig richtig lag, wie sich zeigte: Seine Vorgesetzten waren sich nicht zu schade, das rassistische Muster des Registers zu leugnen. Außerdem bedauerten sie nicht etwa den gesamten Vorgang, sondern lediglich, dass Kinder registriert wurden.
Klar, dass eine solche Polizeiführung in einem demokratischen Rechtsstaat nichts verloren hat und Teil eines größeren Problems ist, dessen Ursachen man weiter oben suchen muss. Passenderweise ist Schweden gerade dieser Tage vom UN-Antirassismuskomitee wieder einmal umfassend kritisiert worden.
Zum dritten Mal in den vergangenen Jahren wird Stockholm vorgeworfen, zu wenig gegen die „fortgesetzte Stigmatisierung und Diskriminierung“ der Roma zu tun. Schlimmer als das rassistische Polizeiregister wäre, wenn Schweden sich weiterhin der Illusion hingäbe: Antiziganismus? Bei uns doch nicht!
Leser*innenkommentare
Partizanka
Gast
"Man kann nur spekulieren, was sich die schwedische Polizei beim Aufbau ihres Roma-Registers dachte."
Ja, was kann man denn spekulieren? Was spekuliert der Autor? Was gibt es für alternativ mögliche Spekulationen? Was hat sich "die Polizei" tatsächlich gedacht - vielleicht mal nachfragen, dann muß man auch nicht "spekulieren". Diese Informationen hätten dem Artikel gutgetan.
derSchreiber
Gast
@Karla
Ganz dummer Vergleich.
Schließlich wurden Sie in diese Kartei aufgenommen weil sie (mindestens) einmal eine Ordnungswidrigkeit begangen haben.
Ansders wäre es, wenn Sie, liebe Karla in einer Liste stehen würden nur weil sie eine Frau sind und diese ja angeblich die schlechteren Autofahrer sind.
Karla
Gast
@derSchreiber Wenn dir ein anderes Beispiel besser gefällt: In eine Nazi-Datei kommen auch alle, die diesem Umfeld zugerechnet werden, ob sie schon straffällig geworden sind oder nicht. Hast du gegen diese Praxis etwas einzuwenden?
Kimme
Gast
Generell ist eine Erfassung von Roma ja nicht verkehrt, da diese sich selten selbst mit einem Wohnsitz anmelden. Jedoch hat dies nicht nur die Polizei sondern durch das Bürgeramt zu geschehen.
"Man kann nur spekulieren, was sich die schwedische Polizei beim Aufbau ihres Roma-Registers dachte. Naheliegend ist, was ein ehemaliger Polizist zu Protokoll gab: „Roma galten bei uns per se als kriminell.“" Solche Sätze sollte jedoch die taz unterlassen. Erstens fördert so etwas Vorurteile und zweitens stellt es bestimmte Berufsgruppen unter Generalverdacht. Leider geschieht dies in dieser Zeitung viel zu häufig, nur sind es hier Polizisten und keine Homosexuellen und Juden. Wir brauchen keinen linken "Der Stürmer".
nicht so platt wie du ;)
Gast
@Kimme eine implizite Gleichstellung von Kritik an selbstgewählten Zugehörigkeiten, wie der Berufswahl Polizist_In mit der Verfolgung von Juden und Homosexuellen geht mal gar nicht.
Kimme
Gast
Korrektur: "Jedoch hat dies nicht nur die Polizei sondern durch das Bürgeramt zu geschehen." sollte natürlich heißen "...hat dies nicht durch die Polizei ... zu geschehen".
Es geht um das Zuschreiben von bestimmten Merkmalen zu einer bestimmten Gruppe. Dieses ist nicht nur engstirnig sondern auch gefährlich und sollte von einer Zeitung mit größerer Auflage nicht so verbreitet werden. Genauso wenig wie Roma alle kriminell sind, sind Polizisten nicht alle rechtsextrem oder fremdenfeindlich. Aber vermutlich haben Sie recht und die Verfolgung und Hetze gegen Kommunisten im dritten Reich und der McCarthy-Ära sind bessere Vergleiche.
Karla
Gast
Solches Kriminalisieren finde ich ganz schlimm.
Ich werde übrigens auch kriminalisiert. Nur weil ich zu schnell gefahren bin, stehe ich in der Kartei. Polizeistaat!