Kommentar Rentner in der Altenpflege: Aus der Not einen Pfleger gemacht
Rentner sollen den Fachkräftemangel ausgleichen. Einen Gefallen tut man damit weder den Pflegenden noch den Gepflegten.
Der Fachkräftemangel unter Pflegekräften ist ein altbekanntes Problem. Die Lösung soll nun lauten: Rentner pflegen Rentner. Ob die der körperlich anstrengenden Arbeit jedoch auf Dauer gewachsen sind, ist fraglich. Aus finanziellen Gründen haben einige Rentnerinnen und Rentner möglicherweise aber keine andere Wahl. Und so steigen sie wieder in den Beruf ein –und pflegen ihresgleichen. Doch nach jahrzehntelangem Berufsalltag in einem echten Knochenjob sollten sie ihren verdienten Ruhestand eigentlich genießen können.
Dass Berufsaussteiger wieder mit anpacken und so reguläre Mitarbeiter entlasten, das gibt es auch in anderen Branchen, bei Lehrern etwa. Aber der Vergleich hinkt. Denn altes Unterrichtsmaterial hervorzuholen und ein paar Stunden zu unterrichten, ist etwas anderes als ein Job in der Altenpflege, in dem Patienten ins Bett gehoben und gewaschen werden müssen. Dass die körperliche Arbeit im Alter beschwerlicher wird, liegt auf der Hand. Und auch finanziell gesehen stehen pensionierte Lehrerinnen und Lehrer anders da als Angestellte in der Altenpflege.
Die Leitung des ambulanten Dienstes in Oldenburg möchte ihre Mitarbeiter entlasten. Das ist verständlich und erst mal ein guter Ansatz. Doch zwei oder drei Rentner zu beschäftigen, das kann kein strukturelles Problem lösen. Pflegeberufe müssen attraktiver und junge Leute dafür begeistert werden. Dabei spielt insbesondere die Bezahlung eine Rolle, denn ein Altenpfleger verdient weniger als beispielsweise ein Krankenpfleger, der jedoch einen ähnlichen Job macht.
Auch wenn einige Rentner bei der Bewerbung angeben, sie fänden es toll, gebraucht zu werden, so gibt es doch die Gefahr, dass sich die meisten melden werden, um ihre Rente aufzubessern. Einen Gefallen tut man damit weder den Pflegenden noch den Gepflegten. Und auch der Zukunft des Pflegedienstes läuft es zuwider, wenn weniger neue Kräfte ausgebildet werden und sich an den schlechten Bedingungen nichts ändert. Das ist kurzsichtig und fadenscheinig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!