Kommentar Regierungsbildung in Israel: Keine Außenpolitik, aber Großisrael
Nach der Wahl kündigte Jair Lapid an, Netanjahu „beim nächsten Mal“ vom Thron zu fegen. Nun wird er mit dessen Likud-Beitenu-Block koalieren.
P akt mit dem Teufel: Gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen stellte der Chef der „Zukunftspartei“ klar, dass er entweder mit Naftali Bennett, dem Chef der national-religiösen Partei Habajit Hajehudi, in die Regierung ziehe oder gar nicht. Im Gegensatz zu Jair Lapid, über den wir kaum mehr wissen, als dass der Superstar des israelischen Fernsehens größenwahnsinnige Machtallüren hegt, formuliert Bennett seine Agenda für jedermann leicht verständlich: Er wird einem zweiten Staat neben Israel niemals zustimmen.
Noch im Rausch seines guten Wahlergebnisses frohlockte Lapid, dass er „beim nächsten Mal“ Netanjahu vom Thron fegen werde. Nichts erklärt sein strategisches Bündnis mit Bennett besser, als Lapids Streben nach einer großen politischen Karriere. Um Bennett nicht vor den Kopf zu stoßen, untersagte er zum Beispiel seinen Genossen die Teilnahme an einer Informationstour der „Genfer Initiative“, einer israelisch-palästinensischen NGO.
Netanjahu und seinem vorerst verhinderten Außenminister Avigdor Lieberman steht also ein Vertreter „Großisraels“ und ein Machtpolitiker ohne außenpolitischer Agenda zur Seite. Hoffnungsschimmer ist einzig Zipi Livni, die als Justizministerin den rasenden Fall des Staates in die Antidemokratie und Unfreiheit bremsen wird. Erfreulich ist auch, dass die Ultraorthodoxen in die Opposition gehen und es damit die Chance gibt, den Status quo aufzubrechen, der den Staat immer teurer zu stehen kommt.
Eine Regierung ohne die ganz Frommen gab es zum letzten Mal vor zehn Jahren, als Tommi Lapid, der Vater Jairs, mit seiner antireligiösen Schinui-Partei ins Kabinett zog und so gut wie nichts erreichte. Wenn es Lapid junior nicht besser macht, wird er genauso schnell von der politischen Bildfläche verschwinden wie er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen