Kommentar Rechtsverständnis der Polizei: Innensenator Grote muss durchgreifen
Staatliche Stellen haben nicht wie angeklagte Bürger das Recht zu lügen. Der Innensenator muss nachhaltig dafür sorgen, dass sich die Polizei an das Gesetz hält.
I m Strafrecht gibt es den Grundsatz: Jeder Beschuldigte hat das Recht zu schweigen und die Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst belasten. Die Strafprozessordnung gewährt einem Angeklagten sogar das Recht zu lügen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Daher scheint es oberflächlich betrachtet legitim zu sein, dass die Hamburger Polizei vor dem Verwaltungsgericht rundweg bestreitet, falsch gehandelt zu haben. Im Verfahren wegen Verstoßes gegen die Rundfunkfreiheit leugnet sie auch bereits belegte Rechtsverstöße und Grundrechtseingriffe.
Dieses Verhalten ist aber nur scheinbar akzeptabel: Denn das Verwaltungsrecht ist kein Strafrecht, sondern Staatsrecht, in dem die Spielregeln im Umgang des Machtapparates mit den Bürgern festgelegt sind. Und auf der Anklagebank sitzt nicht die heutige 43-jährige Staatsschützerin Iris P., die zwecks Infiltration während der „Operation Iris Schneider“ damals die Kontrolle verloren und ihre vermeintlichen neuen FreundInnen mit Lügen, Täuschung und Hinterlist hintergangen hat.
Hier steht die Staatsgewalt in Form des Staatsschutzes vor Gericht, der alles verantwortlich betrieben hat. Wenn dieser Staatsschutz von der Unschuldsvermutung durch Lügen wider besseren Wissens profitieren möchte, kommt das einer Rechtsbeugung gleich.
Die Frage ist, ob es der neue Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) ernst meinte, als er der taz im Zusammenhang mit verdeckten Ermittlungen sagte: „Nicht alles, was in der Vergangenheit geschah, ist geeignet, fortgesetzt zu werden.“ Falls ja, dann muss er jetzt Charakter zeigen.
Er muss die Polizeiführung dazu verdonnern, die sechsjährige Geheimdienst-Operation „Iris Schneider“ mit einer Erklärung als rechtswidrig zu bezeichnen und sich öffentlich für den Eingriff in die Rundfunkfreiheit zu entschuldigen. Und Grote muss die Ewiggestrigen aus dem Polizeidienst entfernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend