Kommentar Rechter Anschlag in Quebec: Den Hass nicht verharmlosen
Sind uns getötete Muslime in Quebec weniger wichtig als ermordete Nachtschwärmer in Istanbul oder Paris? Hoffentlich nicht.
E s gibt keine festen Regelungen dafür, wann das Brandenburger Tor in Berlin nach einem Terroranschlag beleuchtet wird oder nicht. Nach dem Anschlag in Quebec, dem in einer Moschee sechs Menschen zum Opfer fielen, strahlte es bislang nicht in den kanadischen Nationalfarben.
Es scheint, als ob dieser Anschlag nicht so viel Anteilnahme ausgelöst habe wie andere Anschläge in jüngster Zeit. Heißt das also, dass „uns“ muslimische Terroropfer in Kanada weniger wichtig sind als getötete Nachtschwärmer in Istanbul und Paris oder ermordete Homosexuelle in Orlando? Hoffentlich nicht.
Der Anschlag von Quebec wurde offenbar von einem jungen Rechtsradikalen verübt, der an die Überlegenheit der „weißen Rasse“ glaubte. Es spricht viel dafür, dass er sich von Donald Trump und dessen jüngsten, antimuslimisch motivierten Erlassen ermutigt fühlte. Diese Dekrete geben all jenen Rückenwind, die glauben, ihren Hass auf Muslime nun frei ausleben und das Gesetz in die eigene Hand nehmen zu können.
Der Attentäter soll Trump und Le Pen bewundern, aber auch Israel und den radikalen „neuen Atheisten“ Richard Dawkins. Das zeigt, wie schon bei Anders Breivik in Norwegen, dass die alten Kooordinaten für rechten Extremismus nicht mehr passen.
Politik und Medien hierzulande täten gut daran, diesen Hass auf Muslime nicht zu verharmlosen. Denn auch in Deutschland werden, wie in Quebec, Schweineköpfe vor Moscheen abgelegt, auch hier nimmt die Gewalt gegen Muslime zu. Die richtige Antwort auf diese Entwicklung ist nicht, den „besorgten Bürgern“ schleichend nachzugeben und mit Kopftüchern und Ganzkörperschleiern immer mehr Muslimisches zu verbieten, wie es gerade en vogue ist.
Sondern ihnen selbstbewusst entgegenzutreten und die Werte von Toleranz, Demokratie und Vielfalt entschieden zu verteidigen, wie es Kanada vormacht. Ob das Brandenburger Tor dann angestrahlt wird oder nicht, ist eher zweitrangig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch