Kommentar Razzia in Düsseldorf: Subjekte krimineller Seelenfänger
Ein Generalverdacht ist nicht angebracht: Doch die gesellschaftliche Debatte profitiert davon, wenn Täter und Hintergründe konkret benannt werden.
D as Gangstermilieu rund um den Düsseldorfer Bahnhof wird von der Polizei schon seit 2013 beobachtet. Die vernetzte Kleinkriminalität von überwiegend aus Nordafrika stammenden Banden an diesem Ort bleibt dennoch lange unbeachtet. Die medienwirksame Razzia der Polizei mit fast 300 kontrollierten und 40 festgenommenen Personen hat mit der politischen Brisanz zu tun, die dieses Thema nicht nur in Nordrhein-Westfalen birgt. Die nach den Silvesterübergriffen in Köln viel kritisierte Polizei muss Erfolge vorweisen.
Doch die gesellschaftliche Debatte profitiert davon, wenn Täter und ihre Hintergründe konkret benannt werden: Unter Verdacht stehen junge Männer, vor allem aus Marokko, aber auch aus Algerien und Tunesien.
Durch ihre Dreistigkeit in Köln haben sie sich selbst in den Fokus gerückt. Die Männer aus dem Maghreb kommen über das Mittelmeer durch Spanien und Italien, wo das Klima gegenüber Asylsuchenden immer härter geworden ist und Arbeitsplätze rar sind. Sie reisen verstärkt über die Türkei ein, geben sich als Syrer aus, um ihren Teil von der Willkommenskultur abzubekommen. Sie mäandern durch Europa in der Hoffnung, der Perspektivlosigkeit zu entkommen.
Arabische Viertel, ob in Brüssel, Paris oder Düsseldorf, ziehen sie an. Dort wird ihre Sprache gesprochen. Sie bekommen kurzfristige Unterstützung, in Moscheen, von Bekannten. Doch legal kommen sie nicht an die Fleischtöpfe Europas. Ihre Onkel, die hier in den 1970er Jahren als Gastarbeiter angeworben wurden und blieben, sind für sie beneidenswerte, unerreichbare Vorbilder.
Den Neuankömmlingen steht dagegen meist nur eine Infrastruktur außerhalb der Legalität zur Verfügung, die ihrem eigenen illegalen Status entspricht. Die Chance einer Anerkennung für Asylsuchende aus dem Maghreb wird immer geringer. Sie sind ohne gesellschaftliche Kontrolle, manchmal verroht und immer völlig sich selbst überlassen. Und damit lohnendes Subjekt krimineller Seelenfänger.
Einwanderung bringt Konflikte. Die müssen konkret und tabulos benannt werden. Notwendig ist es, zu differenzieren, genau hinzusehen, zu benennen, damit sich die Wut nicht auf hilfesuchende Flüchtlinge ergießt. Und damit sich die Diskussion nicht immer wieder neu aufspult: über den Islam und den arabischen Mann an und für sich und überhaupt. Solche Diskussionen bringen nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mindestlohn feiert 10-jähriges Jubiläum
Deutschland doch nicht untergegangen