Kommentar Räumung der Volksbühne: Ein einmaliges Experiment
Es war das Theater-Event des Jahres: die Besetzung der Volksbühne. Schade, dass sich die Berliner Politik keine Mühe machte, es zu verstehen.
N ur mal angenommen, Berlin hätte einen Regierenden Bürgermeister, der sich für die Hauptstadt in seiner ganzen Breite interessieren würde. Nur mal angenommen, die Volksbühne in Berlin hätte einen Intendanten, der ein Gespür dafür hätte, was Theater alles sein kann. Dann, ja dann hätten alle in der rot-rot-grün regierten Stadt den roten Teppich vor dem Theater am Rosa-Luxemburg-Platz ausgerollt, um die Besetzer freudig zu begrüßen. Stattdessen stand dort am Donnerstag die Polizei vor der Tür.
Was für eine Farce. Und was für ein Verlust für Berlin. Denn das, was die Besetzer in wenigen Tagen auf die Beine gestellt haben, war ohne Zweifel das Theaterevent des Jahres. Gemessen an den klassischen Maßstäben des Feuilletons war der kulturelle Output gering. Doch der Hauptact war das Plenum, bei dem täglich Hunderte mit aller Leidenschaft um die Zukunft dieses Theater gerungen haben. Und um die der Stadt. Ein einmaliges Experiment, bei dem man tief in der Nacht erleben konnte, wie ein Kultursenator die Fassung verliert, an dem man anderntags einen Mitarbeiter der Bühne, der sich als Proletarier vorstellt, mit den Besetzern anlegt, die sich auch selbst infrage stellten. Immer wieder aufs Neue.
Trotz aller Gegensätze bildetet all dies ein einzigartiges Miteinander. Eine soziale Plastik, die Beuys, Brecht und Schlingensief beglückt hätte. Hier ging es nicht nur um die Bretter, die die Welt bedeuten, sondern darum, die Welt tatsächlich zu verändern. Ein Geschenk an die Stadt, die nichts nötiger hat als einen offenen Streitraum. Einen Ort, wo sich die Menschen einbringen. Selbst ermächtigen.
Gescheitert ist diese Kulturavantgarde in erster Linie an der politischen Regie. Der rot-rot-grüne Senat hat sich zu zwei Dritteln nicht mal die Mühe gemacht, das Experiment verstehen zu wollen. Nur Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hat sich auf Gespräche eingelassen, saß aber von Beginn an zwischen allen Stühlen. Dass die Besetzer dann in kompletter Selbstüberschätzung das Angebot verstreichen ließen, immerhin Teile des Hauses nutzen zu können, gab dem Experiment dann den Rest.
Bald wird es wieder das übliche Theater geben in der Volksbühne. Mit Glück wird sich mal ein revolutionärer Gedanke in eine Inszenierung schleichen. Und das geneigte Hauptstadtpublikum wird dazu mit den Juwelen klimpern.
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