Kommentar Räumung Oranienplatz: Teile und herrsche
Das Symbol ist weg, doch die Flüchtlinge haben viel erreicht. Der Staat ist unter Druck, Residenzpflicht und Lagerzwang sind kaum mehr zu halten.
S o bitter die Räumung des Oranienplatzes für viele der Bewohner sein mag: Gescheitert sind die Flüchtlingsproteste keineswegs – auch wenn mit dem Camp am Ende das wichtigste Symbol aufgegeben werden musste.
Ginge es allein nach der CDU und den konservativen Medien, wäre von dem Protestcamp schon längst nichts mehr übrig gewesen. Doch eine Räumung durch die Polizei erschien dem Senat lange nicht opportun. Deswegen zog er es vor, die einzelnen Fraktionen der Flüchtlinge so gegeneinander auszuspielen, dass die einen den anderen am Ende die Zelte über dem Kopf eingerissen haben.
Man kann dies aus guten Gründen für eine perfide Strategie halten. Es zeigt aber, wie viel Sympathie und politischen Zuspruch die Flüchtlinge sich erkämpft haben. Seit sie vor gut zwei Jahren ihre Proteste begannen, gab es mehr Aufmerksamkeit für ihre Forderungen als je zuvor. Und dass ihre Anliegen legitim sind, ist heute in vielen Kreisen Konsens, die vor Kurzem noch nie von Residenzpflicht oder Lagerzwang gehört haben.
Doch das ist nicht das einzige, was die Flüchtlinge erkämpft haben. Eine Reihe von asylpolitischen Reformen sind angekündigt oder schon auf dem Weg. Aus bloßer Gutmütigkeit hätte der Staat sicher keine solchen Zugeständnisse gemacht. Die Residenzpflicht ist wohl nicht mehr lange zu halten. Eine Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete soll kommen, Bayern will keine Essenspakete mehr ausgeben. Und die Proteste der „Lampedusas“ in Hamburg und Berlin haben die „Dublin“-Regelungen erneut in den Fokus gerückt: Die dauerhafte, öffentliche Präsenz der aus Italien Weitergeflüchteten in den beiden wichtigsten deutschen Metropolen haben gezeigt, wie dringend das europäische System der Flüchtlingsverteilung reformiert gehört.
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