Kommentar Putin-Besuch in Serbien: Demonstration von Macht und Liebe
Wladimir Putin ließ sich in Belgrad feiern. Das zeigt: Russland hat noch Einfluss auf dem Balkan. Und Serbien ist eine Scheindemokratie.
D er Besuch von Wladimir Putin in Belgrad rief Szenen aus kommunistischen Zeiten in Erinnerung: Dutzendtausende Menschen wurden auf den Straßen aufgestellt, um einem hohen Staatsgast zuzujubeln.
Putin und sein serbischer Amtskollege und Gastgeber Aleksandar Vučić demonstrierten Freundschaft und Macht. Putin zeigte, dass Russland noch ein Standbein auf dem Balkan hat, nachdem das slawisch-orthodoxe Montenegro Nato-Mitglied geworden ist und das slawisch-orthodoxe Mazedonien es bald werden soll. Gleichzeitig ließ er sich in einem europäischen Land lieben und feiern. Und Vučić trug zur Schau, dass der EU-Beitrittskandidat Serbien auch einen anderen Weg einschlagen könnte, wenn er es nur wollte.
Der russische Verdienstorden, den Putin an seine Brust hängte, die gegenseitigen Liebeserklärungen, die immer engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, die Aufrüstung mit russischen Waffen sollen wohl den Westen davon abbringen, zu starken Druck auf Belgrad auszuüben, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen und auf die Blockade der Aufnahme des Kosovo in internationale Organisationen zu verzichten.
Seinen innenpolitischen Gegnern, die seit zwei Monaten jeden Samstag gegen seine autokratische Machtausübung und Gleichschaltung der Medien protestieren, zeigte Vučić wie viele Menschen er auf die Straßen bringen kann. Über 100.000 sollen es laut Polizeiberichten gewesen sein. Es waren sichtlich verarmte Menschen, die diszipliniert und gehorsam marschierten, wie eine dem Volksführer treue Parteiarmee, deren Unmut durch projizierte Feindbilder gezielt gesteuert werden kann.
Russophile Vorzeigeübung
Vučić, der innenpolitische Gefahr vor allem in der antiwestlichen Opposition wittert, demonstrierte, auf wen Putin in Serbien setzt. Die Frage ist, ob und wie die Europäische Union auf die russophile Vorzeigeübung ihres Beitrittskandidaten und die offenkundige Verletzung der Bürgerrechte in Serbien reagieren wird.
Bisher konnte Vučić mit allem, was er macht, davonkommen. Er hat eine Scheindemokratie ausgebaut, die sich vermeintlich in Richtung EU bewegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance