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Kommentar Prozess gegen WulffGenug gestraft

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Zu Recht hat Wulff sein Amt verloren. Auch gut, dass der Prozess gegen ihn wohl ein schnelles Ende findet. Sein Fall war für die Medien eine Ersatzbefriedigung.

Eine Staatsaffäre entpuppt sich als Posse: Christian Wulff am 19.12. im Gerichtssaal. Bild: dpa

F reigesprochen ist er offiziell nicht, aber nach dem „Zwischenfazit“ des Gerichts sieht es so aus, als ob der Prozess gegen Christian Wulff wegen Vorteilsannahme schneller als geplant beendet wird. Gut so.

Schon viel zu lang haben sich Journalisten und Juristen mit den mehr oder weniger skandalösen Verfehlungen eines mittelmäßigen Provinzpolitikers beschäftigt, der im höchsten Amt des Staates überfordert war, dessen Wirken aber unerheblich bleibt.

Inzwischen ist klar: Wulffs Missetaten waren längst nicht so gravierend, wie sie zeitweilig dargestellt wurden. Eine scheinbar weltbewegende Staatsaffäre entpuppt sich als Posse, egal, wie die Richter letztlich die Annahme von 719,40 Euro bewerten, den einzigen übrig gebliebenen Vorwurf.

Prozesseinstellung?

Im Korruptionsprozess gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff regt Richter Frank Rosenow eine Einstellung an. Die in der Anklage formulierten Vorwürfe der Vorteilsannahme im Amt seien aufgrund der ersten Bewertung der Kammer bislang nicht belegbar, sagte Rosenow am Donnerstag im Landgericht Hannover. Zunächst waren Verhandlungstage bis April angesetzt. Bis Anfang Januar sollten die Beteiligten überlegen, "ob an eine Einstellung gedacht werden kann." Wulff muss sich wegen Vorteilsannahme verantworten, weil beim Besuch des Oktoberfests 2008 Filmfinancier David Groenewold Hotel- und Essenskosten bezahlt haben und Wulff im Gegenzug für eines seiner Filmprojekte geworben haben soll. Groenewold muss sich wegen Vorteilsgewährung verantworten. (dpa)

Der frühere Bundespräsident ist schon genug gestraft. Er hat Job und Ansehen verloren, seine politische Karriere ist beendet. Übrigens zu Recht: Seine glamoursüchtige Kuschelei mit Multimillionären wie Carsten Maschmeyer und Filmsternchen wie dessen Frau war peinlich, seine Verteidigungsversuche mitleiderregend ungeschickt und sein verzweifelter Drohanruf beim Bild-Chef dermaßen dumm, dass er sich für höhere Aufgaben als unfähig erwiesen hat.

Die moralintriefende Aufregung darüber war jedoch maßlos übertrieben. Viele Medien, auch die taz, ließen sich von einer Stimmung anstecken, in der selbst das geschenkte Bobbycar des Wulff-Sohns für schlagzeilenwürdig befunden wurde. Geben wir es zu: Diese Pseudoaufklärung diente auch als Ersatzbefriedigung für Medienmacher und Konsumenten, denen wirklich wichtige Themen wie die Eurokrise zu kompliziert und anstrengend sind. Jetzt wäre wieder Zeit dafür.

Wulff selbst bleibt zu wünschen, dass seine löbliche Haltung zum Islam länger als sein Oktoberfestbesuch im kollektiven Gedächtnis bleibt.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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8 Kommentare

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  • Es bleibt der Verdacht im Raum, dass er sich sein Haus schenken liess. Das ist eine andere Dimmenstion als ein Bobbycar. In ihren Pseudoermittlungen hat sich die Staatsanwaltschaft auf die Lappalien konzentriert. Damit wurde Wulff dann abserviert aber seinesgleichen steckt man nicht ins Gefängnis - das hat die Staatsanwaltschaft gut verstanden.

    • PN
      persona non grata
      @Velofisch:

      Er hat sich ein Haus schenken lassen? Das höre ich zum ersten Mal. Gab es nicht nur den Vorwurf, dass er ein günstiges Darlehen bekommen hat? Und wurde dieser Vorwurf nicht fallengelassen?

  • G
    Gast

    Da gab es ganz andere Vollpfosten als Bundespräsidenten. oder glaubt jemand,dass Walter Scheel oder Carl Carstens als ehemalige NSDAP-Mitglieder höchste moralische Integrität ins Amt mitbrachten oder Heinrich Lübke, der als Mitglied der "Baugruppe Schlempp" Unterkünfte für KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter gebaut hatte.

    Oder meinen sie Johannes Rau? Der war In seiner Zeit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen in Affären der WestLB involviert. So berichtete Der Spiegel im Februar 2000 in einer durch massive Versuche der Verhinderung der Berichterstattung begleiteten Reportage, dass die WestLB zu einer geheimen Nebenkasse des Landes gemacht worden sei, wobei Reisen für Regierung und Reisen für den Wahlkampf nicht sauber getrennt und Regierungsarbeit aus Quellen finanziert worden seien, die das Parlament nicht kannte und nicht kontrollieren konnte.

    Weiterhin war Rau in die Düsseldorfer Flugaffäre verstrickt. Dabei zahlte die WestLB führenden Politikern nicht nur deren private Flugkosten, sondern setzte die überhöhten Rechnungen auch von der Steuer ab. Die WestLB übernahm auch die Kosten in Höhe von 150.000 DM für ein Fest, das Johannes Rau anlässlich seines 65. Geburtstages am 18. Januar 1996 mit 1.500 Gästen feierte. (wikipedia)

    Warum da nun gerade Christian Wulff bestraft werden muss, sollte taz mal klarstellen.

    • P
      polyphem.os
      @Gast:

      "..Warum da nun gerade Christian Wulff bestraft werden muss, sollte taz mal klarstellen..."

       

      weil - erstens - die anderen Ex.BPs schon tot sind und Sie - zweitens - die deutsche Justiz mit dem Spiegel verwechseln.

  • BM
    berlin mitte

    man mag frau ferres nicht mögen. oder sie kann einem , wie mir, ziemich egal sein.

    aber eine fast 50-jährige frau, die seit über 20 jahren in x filmen namhafter regisseure gespielt hat und u.a. dafür einen grimme-preis erhalten hat, nun hier als "Filmsternchen" abzuqualifizieren weil sie mit wulff befreundet ist, ist untere schublade in der tradition deutscher sippenhaftung und überdies frauenfeindlich.

    bei dem niveau wundert es nicht, dass der autor bisher nicht unter den grimme-preisträgern zu finden ist.

  • G
    Gast

    Trotz monatelanger Ermittlungen von 4 Staatsanwälten und 24 Kriminalbeamten, der Vernehmung von über 100 Zeugen, Hausdurchsuchungen und der Auswertung von von über einer Million E-mail und Telefondaten konnte Christian Wulff kein einziger Fall von Korruption oder Bestechlichkeit nachgewiesen werden.

    Dass trotzdem BiLD & Co. diesen Bundespräsidenten wegen unbewiesener Ko rruptionsvorwürfe am Grundgesetz (Präsidentenklage § 61) vorbei aus dem Amt moppen konnte ist der eigentliche Skandal!

  • I
    ich

    So eine Strafe hätte ich auch gerne.

    Ehrensold plus Büro,Fahrdienst und Personal für ca. 500000 Euro p.a..

    Nicht schlecht, und dieses ein Leben lang.

    Dafür ließe ich mir wesentlich mehr gefallen.

    Mitleid hat Der nach meiner Meinung nicht verdient.

    Anstelle wäre Demut, von seiner Person aus,angebracht.

  • P
    polyphem.OS

    "...den einzigen übrig gebliebenen Vorwurf. .." Nene, Vorwürfe bleiben viele. Aber "Prinz Bargeld" ist nichts nachzuweisen.

     

    (Besondere Interessen: [des Redakteurs und des Kommentators] .. tragikomische Aspekte des Weltgeschehens (in ganz Nds.).)