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Kommentar Pressefreiheit in der TürkeiBerichterstattung ist kein Verbrechen

Kommentar von Frank Überall

Nach Deniz Yücels Verhaftung können wir nicht länger wegschauen. Hetzern gegen freie Medien muss die ganze Gesellschaft konsequent entgegentreten.

Über 100 türkische Journalisten sitzen im Gefängnis – unter ihnen „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel Foto: dpa

E s ist für uns so selbstverständlich, dass wir uns frei informieren können. In der Türkei ist das längst anders. Unabhängiger oder kritischer Journalismus wird dort von den Mächtigen willkürlich als Terrorismus gebrandmarkt. Verhaftungswellen sind längst rea­ler Alltag in diesem wundervollen Land, das sich Präsident Erdoğan und seine Clique zur Beute gemacht haben.

Die Pressefreiheit wird mit Füßen getreten, der Rechtsstaat wird ausgehöhlt. Weit mehr als 100 türkische Journalistinnen und Journalisten sitzen im Gefängnis, weil sie nichts anderes gemacht haben als ihre Arbeit. Jetzt hat es auch Deniz Yücel getroffen, den Korrespondenten der deutschen Tageszeitung Die Welt. Damit bedrohen die türkischen Autoritäten die Pressefreiheit in Deutschland und Europa.

Die polizeiliche Festsetzung von Deniz Yücel wirkt als Einschüchterung gegenüber allen anderen, die es wagen, kritisch und investigativ in der Türkei zu recherchieren und zu berichten. Spätestens jetzt können wir nicht mehr wegschauen. Der Ausnahmezustand in der Türkei lässt die Hoffnung auf faire Gerichtsprozesse schwinden.

Im Fall Yücel und in den zahllosen Fällen der Verfolgung türkischer Kolleginnen und Kollegen muss endlich klar werden, dass das Grundrecht Pressefreiheit wichtiger ist als subjektive Empfindlichkeiten der dort Herrschenden. Das müssen unsere Politiker deutlicher machen als bisher. Ein Schmusekurs mit denen, die Menschenrechte willkürlich einschränken, ist nun wirklich nicht zeitgemäß.

dpa
Frank Überall

44, ist Medien- und Politikwissenschaftler und Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV)

Hetzern gegen freie Medien muss die ganze Gesellschaft konsequent entgegentreten. Gewiss nicht nur in der Türkei. Aber dort spitzt sich die Lage derzeit besonders zu. Ein Rechtsstaat, der ohnehin schon ausbaufähig war, droht spätestens mit dem Referendum für eine umfassende Machtposition des Präsidenten gänzlich zur Farce zu werden.

Als Journalisten und Bürger können wir hier wenig dagegen tun. Aber wir können zeigen, dass Journalismus kein Verbrechen ist. Wir können darüber berichten und die Angriffe auf freie Berichterstattung anprangern, in der Hoffnung, dass die türkische Zivilgesellschaft damit gestärkt wird.

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22 Kommentare

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  • 7G
    7648 (Profil gelöscht)

    Der Arme. Ich fand seine Glossen, als er noch bd taz gewesen war, häufig sehr lustig.

     

    Aber bitte liebe Normaljournalistenzunft (abgegrenzt vd Boulevardjournalistenzunft), reflektiert diese Sache mit den Hackern doch noch einmal. Ich weiß, dass das gerade sehr schick ist, Hacker und leaks und so.

     

    Aber im Vergleich:

    - Unerbetene Paparazzifotos von der barbusigen, wie hieß die noch gleich, kurz eine Internetsuchmaschine benutzen, Herzogin Kate.

    - Ein Boulevardjournalist, der in die Wohnung irgendeines sensationsrelevanten Opfers eindringt und private Fotos klaut (Hinterkopf, mit Quelle kann ich spontan nicht dienen).

    - "Euer" Keyloggerverwender da (taz 2016/ 17).

     

    - Oder die einem Minister geklaute und ungefragt veröffentlichte private Korrespondenz. Irgend so ein Minister, also bitte. Und gibt es auch nicht immer noch ein internationales Urheberrecht, das für diese Korrespondenz zu gelten hätte?

     

    Wo ist da noch der große Unterschied?

     

    Für den Fall, dass der strukturelle Unterschied dieses "leaks" zur barbusigen Herzogin Kate nicht so groß wäre, wie sich (fast) alle wünschen, die gerade die Türkei verdammen, also für den Ernstfall bitten wir dann schön ordentlich um Milde und Gnade, gell.

     

    Zur Zeit, 2017, sind die Journalisten die Guten und die Politiker die Bösen, aber irgendwann im Lauf der Geschichte könnte sich das am Ende wieder umdrehen, und die Politiker könnten in den Augen der Mehrheit wieder die Guten sein, und die Journalisten werden alle als Idioten angesehen werden, die die Obrigkeit halt ab und zu belehren müsse....

    Ich weiß schon, dass ich gerade nonkonform bin.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @7648 (Profil gelöscht):

      "Ich weiß schon, dass ich gerade nonkonform bin."

       

      ... sofern nonkonform dasselbe ist wie daneben;-)

  • Der türkische Sultan Erdogan hat die türkische Republik (res publika) des Kemal Attatürk fasst abgeschafft?

    Frage 1

    Wie schützen wir eigentlich deutsche Staatsbürger im türkischen Sultanat?

    Frage 2

    Ist damit eine doppelte Staatsbürgerschaft (deutsch/türkisch) beendet?

    Bei uns in der Bundes-Republik gilt das Grundgesetz (GG). Das gilt auch für Artikel 4 und Artikel 5 !!

     

    Dabei können wir erst recht von intelligenten Türkeninnen lernen? Ich habe sehr gute Erfahrungen durch Düsen Tekkal und Elif Shafak gemacht. Zwei tolle Frauen die uns lehren, selbst zu denken. Das gilt ganz aktuell für die Deutsche Gefühlswelt vor den Wahlen: Wir müssen eine emotionale Intelligenz erwerben, sonst verstehen wir die Welt nicht mehr!

  • Als ebenso fleißige wie langjährige taz-Leserin hatte ich 2014 den Verdacht, Deniz Yücel sei nicht ganz grundlos zur Welt gegangen. Der Mann hatte nur eine Antwort auf das autoritäre Vorgehen seiner erklärten Gegner: noch sehr viel mehr Autorität.

     

    Er hat sich in der Rolle des Revoluzzers gefallen. Aber die Pressefreiheit ist nichts, was er persönlichen Eitelkeit einzelner Männer dienen sollte. Sie wird gebraucht. Heute mehr als je zuvor. Wichtiger als subjektive Empfindlichkeiten einzelner Journalisten hätte es also sein müssen, Hetzern aller Art entgegen zu treten. Auch mit der eigenen, möglichst sachlichen Berichterstattung. Damit nicht eines traurigen Tages die Hetzer derart zahlreich sind, dass sie mutwillig die Demokratie ruinieren können.

     

    Nein, Ausgewogenheit war Deniz Yücels Sache nicht. Nicht in der taz. Er müsste sich sehr geändert haben, sollte das heute anders sein. Das ist aber kein Grund, ihn festzusetzen. Nicht, wenn man sich als Autorität seiner Sache sicher ist. In Deutschland sind die Autoritäten sich ihrer Sache sicher. Sie lassen sich nicht provozieren. Vielleicht ist Deniz Yücel ja genau deswegen in die Türkei gegangen. Er hat gewusst, dass es da anders ist.

     

    Ich denke, er setzt seine ganze Person ein in jenem "Spiel", das er zu spielen meint. Man kann so etwas machen, wenn man ein echter Mann und Held sein will. Als Frau hab ich eher die Erfahrung machen müssen, dass man damit nur einem einzigen Menschen hilft: sich selbst. Den andere, vor allem denen, die nicht ganz so stark, nicht jung, nicht männlich, nicht vollkommen unabhängig, selbstsicher und doch (gesetzlich) geschützt sind, erweist man damit einen Bärendienst.

     

    Ich hoffe sehr, sie hauen Deniz Yücel raus. Auch wenn das heißt, dass er noch immer nicht versteht. Er ist ja noch recht jung. Womöglich fällt der Groschen noch, wenn er nicht mehr die Kraft hat, seine Wut zu kultivieren – oder das seltsame Gefühl, für andere Verantwortung zu haben.

    • @mowgli:

      "Als Frau hab ich eher die Erfahrung machen müssen..." Ihre Erfahrungen mit Männern sind hier ziemlich irrelevant.

       

      Auch steht hier nicht Herrn Yücels Persönlichkeit zur Debatte, sondern seine Arbeit und die Arbeit aller seriösen Journalist*innen hier und anderswo. Und genau die ist gefährdet, wie man an Herrn Yücel und 100 Kolleg*innen alleine in der Türkei sieht.

       

      Hier geht es um Meinungs- und Pressefreiheit, sowie die Einhaltung der Menschenrechte, zu denen auch rechtstaatliche Verfahren vor Gericht zählen.

       

      Doch allein die Anklage lässt erahnen, dass zumindest der türkischen Regierung nichts an einem rechtstaatlichen Verfahren liegt.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Yücel ist den Weg gegangen, den viele taz-ler in jungen Jahren vor ihm auch schon gingen.

      Warum es bei ihm ausgerechnet "Die Welt" war?

       

      Darüber kann frauman spekulieren, was aber nicht weiter führt, was Ihr Kommentar in nahezu größtmöglichem Textumfang beweist.

    • @mowgli:

      Viel über die Motive Yücels spekuliert. Vll hat er in der Osttürkei einfach nur Dinge gesehen, die ihn in innere Konflikte stürzten und er eben auf seine altbewährt provokative Weise die Dinge angeht. So ist er eben, ein Idealist. Was ist meine Gesundheit, mein Leben gegen eine so große Sache.

      Seine Provokation bringt die Bundesregierung in die Bredouille und das könnte vorderst seine Absicht gewesen sein.

      Mowgli, ich lese in Ihren Zeilen Abschätzigkeiten, Selbstdarstellungsucht, narzisst. Verhaltensweisen Yücels heraus. Unter aller Sau!

      Vll verstehen Sie nicht.

      • @lions:

        Es ist schlimm genug, dass einem feixenden Herrn Erdogan schlicht sch..egal ist, welche wirkungslosen Kommentare von offizieller und privater Seite abgesondert werden, um Herrn Yücel unserer vielfachen Solidarität, persönlichen Sympathie und psychologischen Unterstützung zu versichern.

         

        Katastrophal erscheint mir die Dreistigkeit, mit der sich darüberhinaus offizielle türkische Politiker deutsche "Einmischung in innere Angelegenheiten" verbitten, während sie hier unkommentiert und folgenlos Zwietracht säen können zwischen den unter unserem Dache die Rechte und Freiheiten sowie den Schutz unseres Grundgesetzes genießenden hier lebenden Türken mit türkischer, deutsch-türkischer oder deutscher Staatsangehörigkeit und sogar die Unverschämtheit besitzen, diese zur Denunziation (für die Türkei!) aufzufordern.

         

        Sowohl im Falle 1 (Yücel) als auch im Fall 2 (Einmischung etc.) geht mir der Hut hoch. Und ich frage mich allmählich, ob nicht Fall 1 eine direkte Folge von Fall 2 ist.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Sie haben es auch nie mal eine Nummer kleiner, nicht wahr?

       

      Vielleicht ist er ja zur Welt gegangen, weil er endlich auch mal Geld verdienen will. Bei der taz sind die Gehälter nämlich eher eine Aufwandsentschädigung.

       

      Da sitzt einer im Knast, weil das er das tat was Journalisten tun. Und das einzig gute ist, dass er Ihre küchenpsychologischen Ergüsse nicht lesen kann.

       

      Konnten Sie es denn nicht ein einziges mal gut sein lassen damit?

  • "Nach Deniz Yücels Verhaftung können wir nicht länger wegschauen." - Das liest sich wie das peinliche Eingeständnis, bisher weggeschaut zu haben. Obwohl das Hinsehen den Betroffenen auch nicht wirklich genützt hat.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @reblek:

      Eigentlich wurde bisher weder "weggeschaut" noch "hingesehen", sondern einfach ohnmächtig beim Verschrotten der türkischen Demokratie zugeguckt...

      • @571 (Profil gelöscht):

        ...zugucken müssen...

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Faire Gerichtsprozesse?

    Die werden unmöglich sein, sind doch die Festnahmen und Inhaftierungen schon weitaus mehr als "unfair".

    Für das, was die Journalisten dort noch erwartet , muss wohl ein schärferes Adjektiv gefunden werden.

    Frau Merkel, Sie werden "spätestens jetzt" eine andere Linie fahren müssen.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Na, na. Sie erwarten doch wohl nicht ernsthaft dass sie einmal Tacheles redet, diese Verkörperung von kalter Contenance voll Mitgefühl aus Kalkül

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @61321 (Profil gelöscht):

        Doch, das genau erwarte ich.

        Denn seit der Verhaftung Yücels heißt es "auch ein Deutscher unter den Opfern", und das zieht bekanntlich - fast immer.

        • @571 (Profil gelöscht):

          Falsch - Herr Yücel ist Türke, zumindest aus Sicht des türkischen Staates auf dessen Staatsgebiet er sich gerade befindet.

           

          Tja Doppelpass, Pech gehabt.

          • 5G
            571 (Profil gelöscht)
            @Thomas_Ba_Wü:

            Dass die Staatsbürgerschaft Yücels für die türkischen Verfolger relevant war, bezweifle ich.

            • @571 (Profil gelöscht):

              Da dürften Sie tatsächlich irren! Gerade das ist für die türkische Regierung/Justiz wichtig. Denn so kann sie sagen: Wie wir hier verfaren, ist unsere Sache, Herr Yücel ist Türke! Oder glauben Sie ernsthaft, Erdogan möchte sich hier auf diplomatischer Ebene reinreden lassen?

            • @571 (Profil gelöscht):

              Ich auch.

              Allerdings hat Frau Merkel doch eine andere Handhabe wenn es sich um einen Ihrer Staatsbürger handelt als einer von Erdogans Leuten.

              Zumindest wäre es dort theoretisch deutlich besser möglich mittels eines "Deals" Herrn Yücel rauszuholen. Pussy Riot wurden auch nicht durch Empörung Madonnas und der westlichen Welt begnadigt sondern durch Geheimverhandlungen Merkels und Steinmeier.

              • 5G
                571 (Profil gelöscht)
                @Thomas_Ba_Wü:

                Frau Merkel hofft auf ein "faires Verfahren".

                Sie nimmt sich also Zeit, "rausholen" sieht anders aus...

  • "Spätestens jetzt können wird nicht mehr wegschauen." Spätestens jetzt?

     

    Der Zustand ist doch nicht neu! Allein seit sieben Monaten ist die Pressefreiheit am Boden. Von den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei fange ich gar nicht erst an, ich wäre morgen früh noch nicht fertig!

     

    Aber so lange Deutschland immer noch mehr Angst vor Flüchtlingen hat - während sie gleichzeitig immer mehr Flüchtlinge aus der Türkei aufnimmt - und krampfhaft am Deal mit der Türkei festhalten will, egal wie paradox das wirkt, wird sich nichts aber auch gar nichts ändern!!

    • @Lesebrille:

      "Spätestens jetzt ..." ist für mich eine Verlautbarung infolge politischer Demenz. Wir brauchen ein umsetzbares Einwanderungsgesetz. Nicht mit einem Herrn Maas oder einer Innen-Misere, sondern mit Juristen, die ihr Handwerk gelernt haben. Frau Merkel ist nur noch zur Abwahl geeignet.