Kommentar Pressefreiheit in der Türkei: Berichterstattung ist kein Verbrechen
Nach Deniz Yücels Verhaftung können wir nicht länger wegschauen. Hetzern gegen freie Medien muss die ganze Gesellschaft konsequent entgegentreten.

E s ist für uns so selbstverständlich, dass wir uns frei informieren können. In der Türkei ist das längst anders. Unabhängiger oder kritischer Journalismus wird dort von den Mächtigen willkürlich als Terrorismus gebrandmarkt. Verhaftungswellen sind längst realer Alltag in diesem wundervollen Land, das sich Präsident Erdoğan und seine Clique zur Beute gemacht haben.
Die Pressefreiheit wird mit Füßen getreten, der Rechtsstaat wird ausgehöhlt. Weit mehr als 100 türkische Journalistinnen und Journalisten sitzen im Gefängnis, weil sie nichts anderes gemacht haben als ihre Arbeit. Jetzt hat es auch Deniz Yücel getroffen, den Korrespondenten der deutschen Tageszeitung Die Welt. Damit bedrohen die türkischen Autoritäten die Pressefreiheit in Deutschland und Europa.
Die polizeiliche Festsetzung von Deniz Yücel wirkt als Einschüchterung gegenüber allen anderen, die es wagen, kritisch und investigativ in der Türkei zu recherchieren und zu berichten. Spätestens jetzt können wir nicht mehr wegschauen. Der Ausnahmezustand in der Türkei lässt die Hoffnung auf faire Gerichtsprozesse schwinden.
Im Fall Yücel und in den zahllosen Fällen der Verfolgung türkischer Kolleginnen und Kollegen muss endlich klar werden, dass das Grundrecht Pressefreiheit wichtiger ist als subjektive Empfindlichkeiten der dort Herrschenden. Das müssen unsere Politiker deutlicher machen als bisher. Ein Schmusekurs mit denen, die Menschenrechte willkürlich einschränken, ist nun wirklich nicht zeitgemäß.
Hetzern gegen freie Medien muss die ganze Gesellschaft konsequent entgegentreten. Gewiss nicht nur in der Türkei. Aber dort spitzt sich die Lage derzeit besonders zu. Ein Rechtsstaat, der ohnehin schon ausbaufähig war, droht spätestens mit dem Referendum für eine umfassende Machtposition des Präsidenten gänzlich zur Farce zu werden.
Als Journalisten und Bürger können wir hier wenig dagegen tun. Aber wir können zeigen, dass Journalismus kein Verbrechen ist. Wir können darüber berichten und die Angriffe auf freie Berichterstattung anprangern, in der Hoffnung, dass die türkische Zivilgesellschaft damit gestärkt wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator