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Kommentar Präsidentschaftswahl BrasilienDie erzkonservativen Medien

Andreas Behn
Kommentar von Andreas Behn

Marina Silva war Liebling der Medien, gegen Dilma Rousseff wurde Stimmung gemacht. Gewonnen hat die Chefin der Arbeiterpartei dennoch – vorerst.

Verzettelt: Wahlwerbung auf dem Boden eines Gebäudes in Rio. Bild: dpa

E igentlich war der Wahlsieg von Dilma Rousseff seit langem abzusehen: Die Sozialpolitik ihrer Arbeiterpartei PT kommt bei der Mehrheit an. Dem Land geht es gut, politisch und wirtschaftlich.

Die Medien aber zeichneten ein völliges anderes Bild. Dort wurde nicht nur eine dramatische Wirtschaftskrise herbeigeschrieben, sondern auch gleich eine Retterin präsentiert: Marina Silva, die ehemalige Umweltministerin aus armem Hause. Nur sie könne der offensichtlich verantwortungslosen Rousseff-Regierung eine „neue Politik“ entgegensetzen, hieß es. Silva sei die Kandidatin des Wandels – der Veränderungen, die die Massendemonstrationen im Juni 2013 gefordert hätten. In Umfragen lag sie zeitweise deutlich vor Rousseff.

Am Wahlabend selbst aber zeigte sich, dass Silva vor allem der Liebling der Medien war. Sie bekam gerade mal gut 20 Prozent der Stimmen, ein wenig mehr als 2010.

Als der eigentliche Oppositions-Kandidat Neves von der konservativen und wirtschaftsorientierten PSDB in den Umfragen endlich zulegte, waren Silva und ihr angebliches Projekt des Wandels nicht mehr nötig. Lieber gleich Neves wählen, so die Devise, damit der stärkste Kandidat in die Stichwahl kommt. Das ist nun der Fall: In drei Wochen tritt Rousseff gegen Neves an. Schon wird gefragt, wo denn angesichts der erneuten Stichwahl zwischen PT und der konservativen PSDB der Wille zum Wandel der Brasilianer geblieben ist?

Auch hier haben die Medien für Verwirrung gesorgt: Sie machten aus den vielfältigen Forderungen der Demonstranten den einseitigen Wunsch nach Wandel, also der Abwahl von Rousseff. Stets ging es in den durchweg konservativen Privatmedien nur darum, Stimmung gegen den Status Quo zu machen.

Marina Silva ist zwar auf der Strecke geblieben, dennoch war die Stimmungsmache nicht umsonst. Die Angst vor wirtschaftlichen Einbußen, wirkliche und angebliche Korruptionsskandale sowie Abnutzungserscheinungen in der Regierung machen Rousseff zu schaffen. Und so ist diese Stichwahl durchaus eine Gefahr für die PT.

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Andreas Behn
Auslandskorrespondent Südamerika
Journalist und Soziologe, lebt seit neun Jahren in Rio de Janeiro und berichtet für Zeitungen, Agenturen und Radios aus der Region. Arbeitsschwerpunkt sind interkulturelle Medienprojekte wie der Nachrichtenpool Lateinamerika (Mexiko/Berlin) und Pulsar, die Presseagentur des Weltverbands Freier Radios (Amarc) in Lateinamerika.
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1 Kommentar

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  • Nun ja, bei allem vorgegaukelten Idealismus sind privatwirtschaftliche Medienunternehmen eben vor allem eines: Profitorientierte Wirtschaftsunternehmen. Und deren Eigentümer - wie auch die Anzeigenkunden - mögen die linke Seite der Parteienlandschaft meist weniger.

     

    Dabei muss von der Chefredaktion gar keine Leitline ausgegeben werden, wer als Journalist nach oben kommen will, der schreibt ganz von alleine eben das, was der Friede Springer gefällt... dann klappt das schon mit der Karriere.