Kommentar Polizeieingriff: Polizei ist nicht zu blöd für Karneval
Mit dem Schlagwort "unangemeldete Demonstration" verdreht die Polizei das Demonstrationsrecht so sehr, bis am Ende eine Festnahmevollmacht herauskommt.
S ind Berliner Polizisten eigentlich zu dumm für Karneval? Zumindest haben sie als typische Berliner keine Ahnung von dieser Feierkultur. Sonst wären sie niemals auch nur auf die Idee gekommen, Teilnehmer des Karneval der Kulturen aufzuhalten, bloß weil die eine Meinung demonstrativ zum Ausdruck bringen. Denn schon nach einer einzigen TV-Übertragung am Rosenmontag ist klar, dass die Orginalumzüge im Rheinland vielleicht etwas bieder, aber stets explizit politisch daherkommen.
Doch die Polizei ist nicht dumm. Viel schlimmer: Hinter ihrem Vorgehen steckt unübersehbar Konzept. Die Grünkostümierten haben ein neues Lieblingsspielzeug: die "unangemeldete Demonstration". Die sehen sie immer dann, wenn zwei oder drei im Namen von irgendwem oder irgendwas zusammen stehen. Vor gut zwei Wochen nahm die Polizei eine Gruppe politisch interessierter Leute hopps, die vor einem Cafe saßen, jetzt ein paar Karnevalisten. Die im Grundgesetz verbriefte Demonstrationsfreiheit wird so sehr verdreht, dass eine Generalvollmacht für Festnahmen herauskommt. Die Frage ist daher nicht, ob die Polizei zu blöd ist, sondern wer diesen Mist angeordnet hat.
Bis vor kurzem hatte Polizeipräsident Dieter Glietsch stets kritische Worte für Fehlverhalten in seiner Truppe gefunden. Jetzt hält er sich zurück. Ein Aufschrei der rot-roten Innenpolitiker ist auch nicht zu vernehmen. Von wie weit oben wird das skandalöse Vorgehen der Ordnungshütern eigentlich gedeckelt?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“