piwik no script img

Kommentar Poggenburgs RücktrittAn der Proll-Manier liegt's nicht

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Nicht die rassistische Rede des AfD-Politikers ist der Grund für seinen Rücktritt. Es sind die Machtkämpfe, die in der noch jungen Partei eskalieren.

André Poggenburg will als Partei- und Fraktionschef der AfD in Sachsen-Anhalt zurücktreten Foto: dpa

U nter den hässlichsten Tönen, die aus der AfD zu hören sind, ist regelmäßig die Stimme von André Poggenburg. Die Grenze des Sagbaren immer weiter zu verschieben – das war sein Job und ist sein Markenzeichen. Politisch trennt ihn nichts von seinem „Flügel“-Kompagnon Björn Höcke.

Habituell versucht Poggenburg sich abzugrenzen: Während Höcke trotz Elitenbashing auf den intellektuellen Nimbus setzt, der für die Führungsclique der Neuen Rechten typisch ist, ätzt Poggenburg in Proll-Manier, twittert mit Rechtschreibfehlern und verkauft das seiner Anhängerschaft als besondere Volksnähe. So wie kürzlich, als er erklärte, in Deutschland geborene und mit deutschem Pass hier lebende Menschen in die Türkei vertreiben zu wollen. Mehr NPD geht nicht.

Für eine Mäßigung der Partei spricht nach seinem Abgang trotzdem nichts: Distanziert hat sich von Poggenburg keiner, sein wahrscheinlicher Nachfolger Oliver Kirchner ist Mitglied der sogenannten Patriotischen Plattform, die ebenso radikal gesinnt ist wie die „Flügel“-Gang. Außerdem bleibt Poggenburg im Fraktionsvorstand.

Seine Ausfälle beim Politischen Aschermittwoch sind nur eine vorgeschobene Begründung. Ihm geriet zum Verhängnis, worüber schon so viele in der Partei stolperten: eine Mischung aus Korruption und aus dem Ruder laufenden Machtkämpfen. In der Partei knirscht es auch deshalb, weil das antidemokratische, autoritäre Politikmodell, das sie nach außen durchsetzen will, von ihrem eigenen Führungspersonal nach innen praktiziert wird. Diskussionskultur und abweichende Meinungen sind unerwünscht. Zwangsläufig auftretende Differenzen führen bei der ja noch immer jungen Partei umso schneller zum Zerwürfnis.

Dennoch versucht die AfD, ihren internen Streit als Kritik an Poggenburgs unsäglicher „Kümmeltürken“-Rede zu verkaufen – auch, um sich gegenüber der CDU als anschlussfähiger darzustellen. Es ist nur zu hoffen, dass die nicht dumm genug ist, darauf einzugehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Sollten sich da Schlachter selbst zerfleischen?

  • Warum eigentlich Punkt und Bindestrich bei dieser treffenden Überschrift "Poggenburg tritt als S.-A.-Chef ab"?

  • Die AfD serviert eine Führungsfigur ab, die unsäglich dummes und rassistisches Geschwätz von sich gegeben hat. Das wäre eigentlich zu loben. Stattdessen wird nachgetreten. Wieso eigentlich?

  • Pockenpork darf im Schweinestall nicht mehr mitspielen.

    Wird er nun die amtliche Aussteigerhotline wählen und heißen Scheiß auftischen?

    Der sensible Markus Lanz könnte ihm dereinst erklärende Ausreden entlocken: "Viele meiner besten Freunde sind Kameltreiber". Der darob gerührte Überraschungsgast Wolfgang Bosbach vermittelt dem Geläuterten sogleich erste Kontakte zur CDU.

  • Da gibt es ja noch unzählige "Menschenfreunde" wie Alexander "nach Anatolien entsorgen" Gauland oder Alice "Yücels deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen" Wedel... in der AFD, da können wir beruhigt sein. ;)

  • Zur Prollmanier: Der S.A-Chef ...(nee... war noch gedanklich bei der Überschrift eines andern Artikels; War genial!) also SA- Chef Röhm und seine Mannen waren dem Hitler i-wann auch zu prollig und sind abserviert worden. Die Drecksarbeit hielt Hitler für gemacht. Nun schwor er vermehrt auf intellektuelle Gefolgschaft, wie "Unser Doktor Goebbels" - ein Geschichtslehrer aus Bor...äh verdammt noch mal... ein Historiker und Germanist aus Berlin.

    Wer Parallelen findet, behalte sie für sich. Man könnte aber durchaus zu anderer Erkenntnis als der Autor kommen.

  • Das Wesentliche der Rede war auch weder der Begriff "Kümmeltürke" noch "Kameltreiber".

    Poggenburg hat schon zu Beginn mit "Liebe Kameraden" ein klares Signal an die B

    bekennenden Nazis im Publikum gerichtet.

    Sodann bezeichnete er politiker der Linken in eindeutigem Nazi-Sprech als "arbeitsscheues Lumpenproletariat"

    Nachdem das Publikum zu Merkel gröhlend "Volksverräter, Volksverräter!" brüllen durften, bezeichente er türkischstämmige Deutsche als" Vaterlandsloses Gesindel", bekräftigte die folgende "Abschieben, Abschieben!" Gröhlerei dieser wiederwärtigen Alkoholisierten anschließend ausdrücklich und forderte noch einen "donnernden Applaus, für die "Bürgerbewegung Pegida".

    Brechreizerregend war da nicht nur die Rede sondern das Zusammenspiel von Redner und AFD-Nazi-Publikum

    • @Wagenbär:

      Sie haben hier etwas völlig falsch verstanden. Das Publikum verlangte von Merkel 'Volksfahrräder, Volksfahrräder' - eine urlinke Forderung also. Von Volksverrätern war nicht die Rede.

  • herr poggenburg bedient aufs krasseste das vor,- bzw. nach-urteil, die ddr sei ein staat der organisierten verblödung gewesen. nein, genauso war die ehem. brd kein staat der organisierten verschlauung...