Kommentar Poggenburgs Rücktritt: An der Proll-Manier liegt's nicht
Nicht die rassistische Rede des AfD-Politikers ist der Grund für seinen Rücktritt. Es sind die Machtkämpfe, die in der noch jungen Partei eskalieren.
U nter den hässlichsten Tönen, die aus der AfD zu hören sind, ist regelmäßig die Stimme von André Poggenburg. Die Grenze des Sagbaren immer weiter zu verschieben – das war sein Job und ist sein Markenzeichen. Politisch trennt ihn nichts von seinem „Flügel“-Kompagnon Björn Höcke.
Habituell versucht Poggenburg sich abzugrenzen: Während Höcke trotz Elitenbashing auf den intellektuellen Nimbus setzt, der für die Führungsclique der Neuen Rechten typisch ist, ätzt Poggenburg in Proll-Manier, twittert mit Rechtschreibfehlern und verkauft das seiner Anhängerschaft als besondere Volksnähe. So wie kürzlich, als er erklärte, in Deutschland geborene und mit deutschem Pass hier lebende Menschen in die Türkei vertreiben zu wollen. Mehr NPD geht nicht.
Für eine Mäßigung der Partei spricht nach seinem Abgang trotzdem nichts: Distanziert hat sich von Poggenburg keiner, sein wahrscheinlicher Nachfolger Oliver Kirchner ist Mitglied der sogenannten Patriotischen Plattform, die ebenso radikal gesinnt ist wie die „Flügel“-Gang. Außerdem bleibt Poggenburg im Fraktionsvorstand.
Seine Ausfälle beim Politischen Aschermittwoch sind nur eine vorgeschobene Begründung. Ihm geriet zum Verhängnis, worüber schon so viele in der Partei stolperten: eine Mischung aus Korruption und aus dem Ruder laufenden Machtkämpfen. In der Partei knirscht es auch deshalb, weil das antidemokratische, autoritäre Politikmodell, das sie nach außen durchsetzen will, von ihrem eigenen Führungspersonal nach innen praktiziert wird. Diskussionskultur und abweichende Meinungen sind unerwünscht. Zwangsläufig auftretende Differenzen führen bei der ja noch immer jungen Partei umso schneller zum Zerwürfnis.
Dennoch versucht die AfD, ihren internen Streit als Kritik an Poggenburgs unsäglicher „Kümmeltürken“-Rede zu verkaufen – auch, um sich gegenüber der CDU als anschlussfähiger darzustellen. Es ist nur zu hoffen, dass die nicht dumm genug ist, darauf einzugehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin