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Kommentar Perspektiven der EurozoneFront gegen Merkel

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Ökonomisch scheint die Eurozone stabilisiert, politisch ist sie labil wie nie zuvor. Die Südallianz gegen Deutschland könnte sich 2016 bilden.

Harmonisch ist anders: Matteo Renzi ist nicht mehr so gut auf Angela Merkel zu sprechen. Foto: dpa

E igentlich waren das schöne Zeiten für Angel Merkel, vor akkurat vier Jahren, Anfang 2012. Gewiss, die Eurokrise war auf dem Höhepunkt, der in Europas Süden sprichwörtliche „Spread“ zwischen den deutschen Staatsanleihen einerseits, den italienischen oder spanischen andererseits lag über 5 Prozent, die Gemeinschaftswährung stand kurz vor dem Zerfall.

Aber die Rettung war ja schon unterwegs, Berlin und Brüssel hatten die Troika erfunden, die die Daumenschrauben anzog bei all jenen Ländern – vornehmlich aus dem Süden Europas –, die „über die Verhältnisse gelebt“ hatten.

Besonders schön für die Kanzlerin: Die betroffenen Völker spielten scheinbar anstandslos mit. Durchweg alle Südländer gaben sich Regierungen, die als willige Vollstrecker des Austeritätskurses auftraten.

In Spanien wurde – im Dezember 2011 – der konservative Mariano Rajoy Ministerpräsident, in Portugal hatte schon im Juni zuvor Pedro Passos Coelho von der Rechten die Macht übernommen. Griechenland sah im November 2011 den Sturz der Pasok-Regierung unter Andreas Papandreou, der durch den Technokraten Lukas Papadimos abgelöst wurde, und nur wenige Tage später musste in Italien der Rechtspopulist Silvio Berlusconi die Koffer packen; an seine Stelle trat der frühere EU-Kommissar Mario Monti, auch er ein „Techniker“.

Renten kürzen, Gewerkschaftsrechte stutzen

Alle miteinander exekutierten die ihnen verordneten Sparprogramme, kürzten Renten, flexibilisierten die Arbeitsmärkte, stutzten Gewerkschaftsrechte. Ein Rezept, das scheinbar funktionierte: Die Eurokrise ist im Griff, der Spread beträgt nur noch 1 Prozent, die Defizite der Südländer in Leistungsbilanzen und Staatshaushalten wurden deutlich zurückgefahren. Doch im Gegenzug explodierte ein anderes Defizit – das Legitimitätsdefizit der EU und der Eurorettungspolitik.

Ökonomisch ist die Eurozone wenigstens kurzfristig stabilisiert, politisch jedoch ist sie destabilisiert wie nie zuvor. Keine jener Regierungen, auf die aus Berliner Sicht „Verlass“ war, ist noch im Amt. Den Anfang machten die Griechen, als sie Syriza den Wahlsieg bescherten. Die Bundesregierung hielt mit ihrer „Regeln sind Regeln“-Rhetorik dagegen und zwang Griechenland ein Diktat auf, das das demokratische Votum seiner Bürger schlicht als unerheblich beiseiteschob – auch um unschönen Entwicklungen etwa in Spanien vorzubeugen.

taz.am wochenende

Der 2. Januar sei der schlimmste Tag des Jahres, sagen manche. In der taz.am wochenende vom 2./3. Januar 2016 lesen Sie deshalb vom Ende des Feierns, vom Ende des Kapitalismus, vom Ende vergangener Wirklichkeiten. Außerdem geht es um Tod, um Siechtum, um Schopenhauer, Drogen und Alkohol. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Renzi erklärt Stabilitätskurs für gescheitert

Doch der Süden will einfach nicht mehr. In Portugal wurde im Jahr 2015 die Rechte abgewählt, kam eine Links-links-Regierung an die Macht, in Spanien schnellte Podemos auf 20 Prozent hoch, und in Italien liegen die Eurogegner des Movimento 5 Stelle in den Meinungsumfragen mittlerweile bei knapp 30 Prozent. Ministerpräsident Matteo Renzi zog seine eigenen Schlüsse. Von Tag zu Tag wird er lauter gegenüber Deutschland und der Kanzlerin, erklärt den bisherigen Stabilitätskurs für gescheitert – ebenso wie ein Europa, das nur aus Zahlen und bürokratischen Beschlüssen bestehe.

Die Bundesregierung aber macht vorerst weiter, als sei nichts gewesen. Das ist eine leichte Übung, wenn man ein Land regiert, in dem Wohlstand und Einkommen wachsen, in dem zwei Drittel der Bevölkerung optimistisch in die Zukunft blicken, eine leichte Übung auch in einer Republik, in der Wolfgang Schäuble nicht zuletzt dank seiner Härte gen Süden zum mittlerweile beliebtesten Politiker aufgestiegen ist.

Eben diese Frontstellung – ein Norden, der den Süden weiter Mores lehren will, ein Süden, der sich das nicht mehr gefallen lässt – birgt das Potential, den Euro zum Einsturz zu bringen. 2016 könnte zum Schlüsseljahr werden, in dem sich die seit Langem beschworene Südallianz gegen Deutschland zusammenfindet, die bisher nicht zu realisieren war. Dann wäre Angela Merkel gefordert, und sie müsste mehr bieten als seinerzeit ihre Auskunft auf die Frage, was ihr zu Deutschland einfalle: „Die dichten Fenster!“ Sie müsste endlich die Vision von einer Eurozone liefern, die auch Südeuropa Perspektiven verheißt.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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24 Kommentare

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  • Hätte sich Deutschland, wie vereinbart an die Europäischen Verträge gehalten, wären viele Länder in der EU nicht in diese Krise gestürzt. Denn liebe Deutsche, vereinbart war, dass die Löhne entsprechend der Produktivitätssteigerungen plus Inflationsausgleich jährlich erhöht werden. Alle haben sich daran gehalten, na ja fast alle, denn Deutschland machte nach Euroeinführung mit Hartz IV genau das Gegenteil, schaffte den größten Niedriglohnsektor Europas, und konnte somit alles im Euroraum, welches keine eigene Währung mehr hatte niederkonkurrieren. Mit den bekannten fatalen Folgen für die Länder. Gefolgt mit Austerität, welche noch nie in der Geschichte funktionierte, wurde das Chaos komplett. Aber Deutschland wäscht bis heute seine "Hände in Unschuld" und gibt wie immer anderen die Schuld? Deutschland müsste über die nächsten zehn bis fünfzehn Jahren, jährlich seine Löhne entsprechend der Produktivität, mindestens um 5% erhöhen, damit die anderen Länder überhaupt je wieder eine Chance haben wollen. Statt dessen aber macht Deutschland weiter wie bisher, warum auch was ändern, wenn man noch hunderte von Milliarden durch Zinseinsparungen Gewinne gemacht hat und macht?

  • Ziemlich schwacher Artikel, besonders im Bezug auf die wirtschaftlichen Aspekte. Sätze wie "Ökonomisch scheint die Eurozone stabilisiert" zeigen die verzerrte Sicht auf die Realität, denn wir haben weiterhin quasi Stagnation mit Tendenzen zur Deflation.







    Menschen die weiterhin an den Kapitalismus als bestes System glauben, von denen erwarte ich nicht viel. Und bitte nicht mit dem typisch plumpen "man hat doch gesehen, dass Sozialismus nicht funktioniert" Aussagen kommen.







    1. Gab es schon vor 100 Jahren knapp 200 verschiedene Sozialismus Theorien, die natürlich auch mehr oder minder gemeinsame Nenner haben.







    2. Es gab und gibt NICHT ein Land bisher, das echten Sozialismus oder Kommunismus hatte. Sozialismus und autoritäre/totalitäre Regierungsformen sind ein Widerspruch in sich. Wenn wir endlich mal alle im 21. Jh angekommen sind und die veralteten Wirtschaftstheorien aus dem 18 sowie 19. Jh über Bord geworfen haben und was ganz neues entwickeln, was auch den heutigen Gegebenheiten entsprechend ist, dann bin ich gerne wieder dabei.

     

     

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

  • Es ist doch ganz einfach: Wenn Merkel die anderen EU-Staaten weiterhin wie deutsche Vasallen behandelt, die alles nur abnicken dürfen, wird es 2018 nur noch ein Kern-Europa geben, bestehend aus Deutschland und Luxemburg.

    • @Urmel:

      Gilt das auch für Osteuropa?

    • @Urmel:

      Ein Kerneuropa ohne Frankreich ist grundsätzlich schwer vorstellbar. Ohne Europa hätte übrigens auch der Front National wohl schon bald ein Finanzierungsproblem. Brüssel ist doch das Paradies für Nationalisten schlechthin geworden.

  • "Ich habe gewisse kamelartige Fähigkeiten"...hatte Merkel schon 2013 im Brigitte-Talk gesagt. Kein Zweifel - Sie hat sich bereits auf eine längere Durststrecke eingestellt. Oder sollte Sie sich selbst am Ende wieder nur mit "Ihrem" Volk verwechselt haben?

    • @Rainer B.:

      Oder meinte sie chamäleonartige Fähigkeiten? Kann eine Fähigkeit überhaupt einem Tier ähneln? Hier stimmt doch was nicht!?

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Das ist eine leichte Übung, wenn man ein Land regiert, in dem Wohlstand und Einkommen wachsen, in dem zwei Drittel der Bevölkerung optimistisch in die Zukunft blicken..."

     

    Da las man gerade was anderes...http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/umfrage-die-mehrheit-der-deutschen-hat-angst-a-1068043.html

     

    Das mit dem Wachstum von Wohlstand und Einkommen gilt selbstverständlich für Mittelwerte. Ich weiß, ich weiß - auch überproportional in unteren Einkommensschichten, weil dort jetzt die 8,50 gelten. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich für meinen ersten Job hier (Pakete schleppen) 1991 etwa 2200 DM netto verdient hatte. 25 Jahre später bekommt man *nominal* wohl das Gleiche. So viel dazu.

  • " Sie müsste(!) endlich(!) die Vision(!) von einer Eurozone liefern, die auch Südeuropa Perspektiven verheißt."

     

    Nein , Herr Braun , sie (Merkel) muß nicht . Warum ? Weil die Forderung danach nur albern ist . Niemand unter den Ökonomen weltweit hat bisher den Zauberspruch gefunden , wie die Krise zu benden wäre (jetzt bereits im achten Jahr nach ihrem Beginn !)

    Und : Wenn es Wachstumsmöglichkeiten in der für eine Wende erforderlichen Größenordnung gäbe , "das Kapital" hätte sie längst gefunden . Die Banken sitzen auf billigem Geld , das sie händeringend gerne für rentierliche Investitionskredite hergeben möchten .

    Der schlimme Buhmann Schäuble hat ja mit seinem Satz recht :"Pumpkapitalismus funktioniert auf Dauer nicht ." Anders formuliert : Der Kapitalismus kann sich nicht weiter über die Runden retten durch auf Dauer gestellte , staatlich schuldenfinanzierte Konkunkturmaßnahmen . Die übrig gebliebenen (Pseudo-) Keynesianer schaffen es nicht , das Gegenteil schlüssig zu begründen .

     

    Deshalb wohl richtig , Herr Braun : Wenn der Süden (... und Frankreich) die Austeritätszügel loslassen , wird der Euro stürzen .

    • @APOKALYPTIKER:

      "Niemand unter den Ökonomen weltweit hat bisher den Zauberspruch gefunden , wie die Krise zu benden wäre." Man kann ihn sicher nicht finden, indem man den erstbesten, der nicht funktioniert, acht Jahre lang durch die Gegend schreit. Außerdem zeigt das Versagen der Wirtschaft ja genau ihre eklatante Schwäche: Wo das Kapital nicht nachhaltig ausbeuten kann, heult es rum und behauptet (zum Beispiel durch Ihre Stimme), es WOLLE ja so doll allen helfen, aber es KANN doch nicht. Schon lustig, dass immer erst das Primat des Kapitalismus eingespeist wird, um anschließend zu erklären, warum etwas anderes ja gar nicht gehen kann. Puh. Ihre Schlussfolgerung ist übrigens gar nicht zwingend: Wenn der Kapitalismus verkackt, heißt das noch lange nicht, dass der Euro stürzen muss. Letzteres würde nur deshalb geschehen, weil es für einen noch mehr als ohnehin schon versagenden Markt keine Alternativszenarien gibt. Und das wiederum liegt daran, dass unter anderem Deutschland (aber auch die Kollegen aus den anderen "Kernländern") nichts anderes im Kopf haben als kapitalistische Ammenmärchen und "Schaka"-Parolen ihrer Motivationstrainer. Man verlässt sich auf das Geschwätz derer, die vom Glauben an dieses Geschwätz profitieren. Wenn das dann mal nicht so recht für alle funktioniert, wie seit acht Jahren, zeigen sich Fantasielosigkeit und politische Blindheit.

      • @Karl Kraus:

        "...behauptet (zum Beispiel durch Ihre Stimme (!!) ), es WOLLE ja so doll allen helfen, aber es KANN doch nicht. Schon lustig, dass immer erst das Primat des Kapitalismus ..."

        Das ist einfach zu komisch , lieber Karl ! Klicken Sie mal meinen nickname an und suchen Sie sich ein paar von meinen vielen Beiträgen zum Thema Kapitalismus aus . Dann dürften Sie eigentlich merken , was ich vom kapitalismus halte und wie es m.M.n. um das System steht .

        Gehören Sie etwa zur Fan Gemeinde von Heilspredigern wie Flassbeck ? Heilslehre : Gelddrucken bis zum glücklichen Ende aller Tage ?

        • @APOKALYPTIKER:

          Für einen angeblichen Kapitalismuskritiker (oder doch nur Apokalyptiker?) verweisen Sie mir zu stark auf Austerität als dochnichtsoschlimm. Und dann der Popanz mit dem Gelddrucken als angeblichem und einzigem Credo derer, die alternativ überlegen. Das ist kein Argument, sondern ein Strohmann: Sie unterstellen irgendetwas, das Sie dann als unsinnig "entlarven". Auch Herr Flassbeck "predigt" so etwas nicht.

          Ich kann in Ihren Beiträgen eigentlich immer nur die Bestätigung Ihres Nicknames finden, fast ein bisschen trollig. Da Sie sich offenbar auskennen(?) mit vielen Details der wirtschaftlichen Prozesse auf dem Planeten: Lösungsvorschläge über Austerität hinaus?

          • @Karl Kraus:

            " Lösungsvorschläge über Austerität hinaus?"

            Nein . Systemimmanent bleiben dem System der kapitalistischen Warenproduktion am Ende des (systemnotwendigen !) Wachstums nur zwei Alternativen bis zu seinem eigenen unausweichlichen Ende (mit Schrecken) : Austerität bei Staatsausgaben zwecks Erhaltung des Mediums und Systemtreibstoffs Geld - mit all den sichtbaren Folgen , o d e r ubiquitäre , auf Dauer gestellte staatliche Konjunkturmaßnahmen auf der Basis von Verschuldung , sprich : von Gelddrucken - mit der unausweichlichen Folge der Auflösung des Mediums Geld in säkularer Inflation .

             

            Erwarten Sie von mir , ich sollte ein Konzept , eine Art Blaupause darüber haben , wie der Kapitalismus zu überwinden und durch welches Wirtschaftssystem zu ersetzen sei ?

            Ziemlich viel verlangt , Unmögliches . Bei min. 90 % der Menschen ist das System als quasi-naturgesetzliches mental im Hirn "fest verdrahtet" , sie können sich schlicht keine Alternative dazu vorstellen , haben aber keine zureichende Kenntnis davon , wie es funktioniert und warum es nicht auf längere Sicht weiter funktionieren

            k a n n . Deshalb meine "...fast ein bisschen trolligen #Beiträge# " zum Thema Kapitalismus .

  • Ein für mich unverständlicher Artikel. Ist ein stabiler Euro ein Wert an sich? Was sagt das Magische Viereck? Es fordert hohen Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum. Mir gefällt eine moderne Definition besser: ausgeglichene öffentliche Haushalte, gerechte Einkommensverteilung, Erhaltung einer lebenswerten Umwelt, humane Arbeitsbedingungen, Sicherung von Ressourcen. Dafür sollte sich die EZB einsetzen. Tatsächlich versucht sie es, doch eine Fehlkonstruktion bei der Schaffung des Euros behindert diese Ziele. Daher wird es immer knirschen. Nicht weil der eine oder andere Regeln missachtet, sondern weil ein einzelner Schäuble auf die Einhaltung ungeeigneter Regeln pocht. Die Krux ist, einige Länder des Südens konnten neue Regierungen installieren, in Deutschland fehlt dieser Schritt. "First things first." oder "Selber essen macht fett." Uns wird erzählt, Gürtel enger schnallen würde Beschäftigung sichern. Doch was habe ich von prekärer Arbeit? Welche Vorteile bieten "Sparprogramme, gekürzte Renten, flexibilisierte Arbeitsmärkte, gestutzte Gewerkschaftsrechte"? Primär erst einmal nichts. Im Sinne des Bruttosozialglücks Bhutans auch nichts. Es bleibt ein (leeres) Versprechen, das den Außenhandel stützen soll. Doch China schützt sich anders. Wo sich die Volksrepublik bedroht sieht, gibt es Einfuhrhemmnisse. Die sichern richtig Dosiert den Wettbewerb. Das könnte die Eurozone auch.

    • @mdarge:

      Die genannten Manßnahmen bringen eine ganze Menge: Gigantische Profite für die "oberen" 10 bis 1%. Fuck the people. Politik ist, die Parasiten am falschen Ende zu suchen.

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Ich habe das schon einmal geschrieben:

    Was sind die finanzierbaren Alternativen? Wie stellt Ihr euch das "Anti-Austeritätsprogram" vor?

     

    (Zur Erinnerung: Nur Steuern für Reiche erhöhen, ist zwar ein notwendiger Schritt, aber langfristig kein ausreichender. Ebenso aufhören seine Schulden zu bedienen: Da die "Problemstaaten" Leistungsbilanzdefizite haben, würden die Auswirkungen noch stärker sein, als unter einem Austeritätprogram.)

  • "Ein Rezept, das scheinbar funktionierte: Die Eurokrise ist im Griff, der Spread beträgt nur noch 1 Prozent, die Defizite der Südländer in Leistungsbilanzen und Staatshaushalten wurden deutlich zurückgefahren" - Heiner Flassbeck ist im Interview mit mir ganz anderer Meinung: http://diekolumnisten.de/2015/10/10/heiner-flassbeck-kein-problem-ist-geloest/

  • Naja also ich würde die Eurozone nicht gerade als Stabil bezeichnen, der einzige Weg die Arbeitslosenquote in den Südländern zu reduzieren scheint ein Auswandern der Jugend in den Norden zu sein.

     

    Früher hies es noch das man Antizyklisch handeln muss, bei hohen Schulden viel investieren, in den guten Jahren soltle man dann sparen. Daraus wurde ein immer sparen bis nichts mehr da ist was man wegsparen könnte.

    • @Sascha:

      Das Problem setzte aber früher an: In den guten Jahren wurde bereits Geld rausgehauen und versprochen bis zum geht nicht mehr.

       

      Wenn sich die Staaten wirklich Keynsianisch verhalten würde, wie es ja immer gerade Linke vermeintlich fordern, wäre ja alles in Ordnung. Aber tatsächlich läuft es darauf hinaus, dass in guten Zeiten Geld ins System gepumpt wird (auch und gerade auf Forderung der Linken, Partizipation am Aufschwung, Verschuldung ist ja gerade nicht so schlimm etc.) und in schlechten Zeiten die Staaten sich dann noch mehr verschulden. Und wenn dann wieder gute Zeiten kommen sollten, werden die Ausgaben nicht zurückgefahren, weil die Leute, die sich an die Krisenbezuschussung gewöhnt haben, nicht bereit sind, zurückzustecken. Außerdem Partizipation am Aufschwung etc.

       

      In der Theorie hat das Keynsianische System durchaus was für sich, aber in der Praxis funktioniert es nunmal nicht, solange Regierungen gewählt werden.

      • @sart:

        Das Pro-Zyklische System, das wir jetzt haben, funktioniert in der realen Welt noch schlechter als der "halbe Keynsianismus". Die Infrastruktur verottet, der Unterricht fällt aus und die Löhne sind niedrig. Das schadet unserer Zukunft mehr als Staatsverschuldung.

  • "Sie müsste endlich die Vision von einer Eurozone liefern, die auch Südeuropa Perspektiven verheißt."

     

    Sie verfügt aber über keinerlei Visionen. Sie ist nur eine leidlich effiziente Verwalterin, die in guten Zeiten etwas glänzt.

  • In diesem Zusammenhang finde ich das Buch "Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind" von Kate Pickett und Richard Wilkinson sehr interessant. Es ist zwar dünner als Pikettys "Kapital im 21. Jahrhundert", aber ich glaube, dass es nicht übertrieben ist, die beiden auf eine Stufe zu stellen. Beide sind ähnlich wegweisend in Bezug auf die ökonomische Ungleichheit, die sich in unseren Gesellschaften derzeit entwickelt.

     

    Pickett und Wilkinson haben in jahrelangen Studien die Auswirkungen der Ungleichheit auf soziologische Phänomene wie Gewalt, Drogenabhängigkeit, Gesundheit und Lebenserwartung, Übergewicht, Teenagerschwangerschaften, Bildungserfolg, Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg und Anzahl der Menschen im Gefängnis untersucht. Ihr Ergebnis ist, dass alle diese Faktoren direkt von der ökonomischen Ungleichheit abhängen: Alle diese Phänomene, die die Lebensqualität beeinflussen, verschlechtern sich mit zunehmender gesellschaftlicher Ungleichheit. Das allgemeine Wohlstandsniveau, also das durchschnittliche Einkommen, hat in den reichen Ländern demgegenüber keinen nennenswerten Einfluss mehr auf diese Faktoren.

     

    Ihr meines Erachtens interessantestes Ergebnis verbirgt sich aber in Kapitel 13: Dass auch die Lebensqualität der relativ Reichen mit zunehmender Ungleichheit sinkt. Alle die o.g. Faktoren steigen auch bei ihnen an: Verdoppelt sich die Sterberate der gesamten Gesellschaft, dann verdoppelt sich nicht nur die der Unterprivilegierten, sondern auch die der oberen Mittelschicht. Die relativ Reichen jammern dann zwar immer noch auf recht hohem Niveau; Eine gesamtgesellschaftliche Halbierung der Lebensqualität durch eine Verdopplung der Ungleichheit halbiert aber auch die Lebensqualität der oberen Mittelschicht. (Zu den extrem Reichen lagen den Autoren keine ausreichend aussagekräftigen Daten vor.)

    • @Smaragd:

      Dies scheint zu erklären, warum auch gut gekleidete Menschen aus der oberen Mittelschicht bei Pegida & Co. dabei sind. Die zunehmende Unzufriedenheit der Menschen mit den gesellschaftlichen Verhältnissen treibt sie den rechten Rattenfängern in die Arme; Dies gilt aber eben gerade nicht nur für die unteren Einkommensgruppen, sondern genauso für die Wohlhabenderen.

       

      Hier liegt dann auch die Gefahr für die CDU: Kommt die AfD ins Parlament, werden linke Mehrheiten schwieriger bis unmöglich. Dies wird die CDU ermutigen, ihre eher wirtschaftsfreundliche Politik fortzusetzen. Es ist dann die daraus folgende zunehmende gesellschaftliche Ungleichheit und Unzufriedenheit, die ihre eigene Wählerbasis nach rechts abdriften lässt. Daraus folgt, dass wir an einem Wendepunkt angekommen sind: Will die CDU als Partei überleben, muss sie sich wirtschaftspolitisch nach links orientieren - ob ihr das nun gefällt oder nicht.

       

      (Die Reflexionen über Pegida, AfD und CDU sind meine eigenen Schlussfolgerungen aus dem o.g. Buch.)