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Kommentar Pegida-AnhängerDen Wahn bitte nicht ernst nehmen

Bettina Gaus
Kommentar von Bettina Gaus

Die Wut von Pegida bringt Leute zusammen, die sonst wenig gemein haben. Auch in Rostock-Lichtenhagen applaudierten „normale Bürger“.

GegendemonstrantInnen gegen den Pegida-Ableger Kagida in Kassel Bild: dpa

E s gibt vieles, was blanke Wut auslösen kann. Manches davon verbindet Leute, die kaum etwas gemein zu haben scheinen. Ein Autohändler, ein arbeitsloser Jugendlicher und eine Krankenschwester mögen allesamt das Gefühl haben, wenig – oder zumindest nicht genug – zu gelten in einer immer schwerer durchschaubaren Welt. Dieses Gefühl ist deprimierend, natürlich.

Wut braucht Adressaten. Wenn die ganze Welt fremd geworden ist: Was liegt näher, als diejenigen verantwortlich zu machen, die offenkundig nicht zur Mehrheit gehören? Also Ausländer oder Andersgläubige? Verständlich ist das. Bedrohlich wird es erst, wenn die Gesellschaft als Ganzes den Eindruck erweckt, es sei akzeptabel, die Enttäuschung gegen Minderheiten zu richten.

Genau das findet gegenwärtig im Zusammenhang mit Pegida und ihren Ablegern statt – und genau das stand auch Pate beim Pogrom in Rostock-Lichtenhagen. Nicht nur Rechtsextremisten, sondern vermeintlich „normale Bürger“ applaudierten dem Mordanschlag.

Die meisten hätten im Einzelgespräch ganz bestimmt versichert, sie seien keineswegs ausländerfeindlich – und gegen Gewalt. Außer, natürlich, in diesem ganz besonderen Fall. Man müsse doch sehen, dass eine bestimmte Personengruppe eine Bedrohung für Deutschland sei.

Als habe Lichtenhagen nie stattgefunden

Nein, das muss man eben nicht sehen. Man muss Verfolgungswahn nicht ernst nehmen. Wut ist nicht dasselbe wie Angst. Wenn jemand wirklich Angst hat, dann möchte man hoffen, dass eine Mutter, ein Psychiater, ein Lebenspartner das erkennt und Hilfe sucht. Aber das ist nicht die Aufgabe der Gesellschaft. Sobald die Gesellschaft den Eindruck erweckt, weiße Mäuse seien real, wird es gefährlich für diejenigen, die für weiße Mäuse gehalten werden.

Gegenwärtig brennen in Deutschland keine Flüchtlingsheime. Möge es so bleiben! Das um sich greifende Verständnis für Ressentiments jeder Art ist jedoch beängstigend. Vor allem deshalb, weil so getan wird, als sei Fremdenfeindlichkeit ein neues Phänomen. Als habe Lichtenhagen nie stattgefunden. Als müsse man sich bislang unbekannten Herausforderungen stellen.

Das ist nicht der Fall. Die Herausforderungen haben sich in den letzten 20 Jahren nicht verändert. Leider offenbar auch nicht die Hilflosigkeit, mit der die Gesellschaft ihnen begegnet.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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22 Kommentare

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  • Erstaunlich ist, dass wir einerseits in einer globalisierten Welt leben, weite Distanzen mit dem Flieger in kürzester Zeit überbrücken können, die Deutschen zu den reiselustigsten Menschen gehören, und doch so eine Angst vor dem Nicht-"Deutschen" besteht.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @DavidOff:

      Tja, die Globalisierung bedeutet eben nur die erpresserische Verbreitung der unterdrückerischen und ausbeuterischen "Werte" des Westens - "Dienstleistungesellschaft" im Tititainment = neuzeitliche Bezeichnung für Versklavung in Brot und Spiele!

       

      "Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit." (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Rassismus hat nur ein Gesicht: Der "freiheitliche" Wettbewerb um / die Symptomatik in "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" - Wer das nicht glaubt / konsumiert, ist so dumm, bzw. so verkommen, wie die die daran glauben / profitieren!

  • Blinde werden von Irren geführt. Der Spruch hat immer noch Wahrheit.

    Nicht die Flüchtlinge sind Schmarotzer, das Großkapital, die Rüstungsindustrie sind schuld am Flüchtlingsdesaster, sie sind in die Länder eingebrochen um zu rauben und die Länder zu zerstören und zu destabilisieren aus denen die Flüchtlinge kommen. Aber das zu sehen sind diese Rassisten nicht nur hässlich sondern auch zu feige, zu dumm und zu blind. Wie oberflächlich muß man denken um zu Flüchtlingshasser zu werden.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Rita Dütsch:

      "Wie oberflächlich ..."

       

      "Individualbewußtsein", gebildet zu bewußtseinsbetäubter / konsum- und profitautisticher Suppenkaspermentalität auf systemrationaler Schuld- und Sündenbocksuche, für den nun "freiheitlichen" Wettbewerb um "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei", muß egoistisch, hässlich, rassistisch, ignorant-arrogant, usw. denken, damit das System auch weiter in Konfusion mit Steuern zahlen, "Sozial"-Versicherungen, manipulativ-schwankende "Werte", usw. funktioniert!

  • {zitat}

    Wut braucht Adressaten. Wenn die ganze Welt fremd geworden ist: Was liegt näher, als diejenigen verantwortlich zu machen, die offenkundig nicht zur Mehrheit gehören? Also Ausländer oder Andersgläubige?

     

    __Verständlich ist das.__

     

    Bedrohlich wird es erst, wenn die Gesellschaft als Ganzes den Eindruck erweckt, es sei akzeptabel, die Enttäuschung gegen Minderheiten zu richten.

    {zitatende}

     

    Inwiefern ist das denn bitte verständlich. Wenn mich der Schuh drückt, mach ich doch auch nicht meinen linken Handschuh dafür verantwortlich, nur weil mir der öfter in die Sicht gerät und meine Nachbarn sagen, dass Handschuhe im Zusammenhang mit Einbruchsdelikten überproportional häufig auftreten!

     

    Es ist absolut nicht akzeptabel, schon garnicht in einem gesellschaftlichen Rahmen, so wie ihn der Kommentar diskutiert, sich einfach einen Sündenbock zu suchen. Schließlich hat das auch im Kleinen ganz konkret drastische Folgen für die Gruppe die da als Ersatzventil diffuser Unzufriedenheit herhalten muss.

     

    Absolut nicht akzeptabel!

  • "Rassismus hat viele Gesichter - Aber alle sind hässlich" - "aber" macht an dieser Stelle keinen Sinn. Das ist symptomatisch für diese Schlagwortdebatte.

  • tja, wieder kloppen sich die normal Bürger, wo bleiben aber unsere Volksflüstere-Herr Gauck-die hohen Vertreter der Parteien und Kirchen, hat sich jemand sehen lassen, redet jemand mit dem VOLK, schon al Lichterhagen brannte, hat man das Volk allein gelassen, BP Weizäcker war ganz in der Nähe, Herr Gauck als Pastor von Rostock usw, alle gingen auf Tauchstation, also, wo sind all dei Prmos , dei grosse Reden schwingen !

  • "Rassismsu hat viele Gesichter - Aber alle sind hässlich" (Titelfoto)

     

    ;-))))

  • Pegida - ein ausgewachsenes Wahnsystem . Auf seinem Grunde partielle Dummheit und Realitätsausblendung , Wut auf die Welt und sich selbst , Hass , Kälte , Abstiegsangst , ein undurchschautes Gemisch aus all dem (?). Ein politikfähiges Konzept zeigt sich bisher nicht . Die AfD mag sich getrost an der Brühe vergiften , die sie da absaugen will .

  • Normalos bzw. Norm-Bürger, im Kapital- und Monopolinteresse. So auch schon von 1933 bis 1945.

     

    Die Fortsetzung folgte im westdeutschen BRD-"Wirtschaftswunder" und der gesamtdeutschen "sozialen Marktwirtschaft" -- nach 1989/90 -- der (objektiv) herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisie und deren Gauckschen und Merkelschen GroKo-Bundesregierung, Parteien- und Parlamentsmehrheit, --- im heutigen Überwachungsstaat (-- der BRD-Stasi).

     

    Ökonomisch, ideologisch wie gesellschaftpolitisch, ungebrochen, kapitalistisch und imperialistisch, nationalistisch und großdeutsch, bis heute.

  • Es sind grundsätzlich immer nur „normale Bürger“ und niemals Nazis und Rassisten.

     

    Das war schon bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und bei der Entnazifierung so.

     

    Alles nur "normale Bürger".

     

    Nazis?

     

    Fehlanzeige.

     

    Wie sonst wäre SS-Untersturmführer Hanns Martin Schleyer "Sachbearbeiter [im] Zentralverband der Industrie für Böhmen und Mähren [geworden]. Der Verband war unter anderem für die Arisierung der tschechischen Wirtschaft und die Beschaffung von Zwangsarbeitern für das Deutsche Reich zuständig, 1948 als Mitläufer eingestuft" und worden und avancierte als Arbeitgeberpräsident zu einer der führenden Persönlichkeiten in der BRD?

     

    Die Stuttgarter Hans-Martin-Schleyer- Halle oder die Hans--Martin-Schleyer-Stiftung zeugen bis heute von der tiefen Dankbarkeit für sein Lebenswerk.

     

    siehe u.a.:

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Martin_Schleyer

  • Streit gibnt es jetzt sogar bei

     

    Wikipegida:

     

    http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/debatte-um-wikipedia-eintrag-von-pegida-sprecherin-die-zukunft-der-frau-oertel/11255484.html

     

    Und 36 ist Katharina Oertel im Leeve nich.

     

    Ansonsten hat meine Omma gerade Abitur genmacht.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Eilige Intuition:

      "Und 36 ist Katharina Oertel im Leeve nich."

       

      Sonnenstudioabo?

    • @Eilige Intuition:

      "Normal" ist eine schwierige Einstufung. Die Normung ist wichtig zur Beurteilung von Un- oder Abnormalem bzw. Randerscheinungen. Kaum einer möchte aber einfach nur normal sein, sondern etwas Besonderes innerhalb einer friedlichen Gesellschaft. Und jeder hat ein Recht darauf. Protest ist erlaubt. Gegenprotest auch. Die Diskussion ist zwangsläufig zur Verbesserung unserer Lebensqualität nötig. Dingsida scheint aber nicht zu diskutieren. Deshalb halte ich die meisten Protestierenden dort nicht für normal.

      • @Stechmücke:

        "nomale Leute" hatte ich nicht ohne Grund in Anführungsstrichen zitiert.

         

        "Normal, normal,

        was ist den schon normal?

        Normal sind zwanzig Bräute.

        Normal sind zwanzig Bier.

        Normal ist Hier und Heute.

        Normal ist DinA4.

         

        (Wilfried Schmickler, Kabarettist)

  • Die Wut von Pegida bringt Leute zusammen, die sonst wenig gemein haben. Auch in Rostock-Lichtenhagen applaudierten „normale Bürger“.

     

    Ein Autohändler, ein arbeitsloser Jugendlicher und eine Krankenschwester...

     

    Sehr wahrscheinlich ist es, dass viele Menschen, die da bei diesen rassistischen Demos mitmachen, gar keine Rassisten sind.

     

    Warum kommen sie dann zu diesen menschenverachtenden Veranstaltungen?

     

    Es ist wohl die soziale Ungerechtigkeit und die Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenslage, die sie dazu bewegt dabei zu sein.

     

    Dann kommen die Instrumentalisierer ins Spiel: die Rechtsextremisten und die Anhänger von der AfD und NPD. Und die finden, aus eigenen Interessen (!), gleich die Schuldigen.

     

    Es ist leicht, die Ausländer oder Flüchtlinge zu beschuldigen. Denn aus Erfahrung werden sie nichts dagegen sagen. Zum Beispiel Flüchtlinge kennen die politischen Prozesse in unserem Land nicht. Außerdem wissen sie nicht einmal, dass sie etwas dagegen sagen dürfen.

  • Weil's zum Vergleich heute (*gida) und "damals" (Lichtenhagen) paßt:

     

    http://www.taz.de/Film-ueber-Rostock-Lichtenhagen-1992-/!153257/

     

    Der Film "„Wir sind jung. Wir sind stark“

    von Burhan Qurbani ist gerade ins Kino gekommen.