Kommentar Parlamentswahl Ukraine: Hoffnungsschimmer in Kiew
Der Wahlsieg proeuropäischer Kräfte garantiert weder demokratische Reformen noch Frieden im Land. Aber es gibt auch eine gute Nachricht.
D ass so unappetitliche rechtspopulistische Gruppierungen wie der Rechte Sektor, Swoboda und die Radikale Partei von Oleg Ljaschko aller Voraussicht nach nicht in die neu gewählte Volksvertretung einziehen werden, ist eine gute Nachricht der vorgezogenen ukrainischen Parlamentswahl vom Sonntag. Das gilt auch für den Umstand, dass, obwohl im Osten des Landes ein Teil der Bevölkerung nicht von seinem Stimmrecht Gebrauch machen konnte, die Rada nach der Entmachtung von Expräsident Wiktor Janukowitsch jetzt endlich durch die Wähler legitimiert ist.
Dennoch sollten sich alle diejenigen, die den Sieg sogenannter proeuropäischer Kräfte bejubeln, eher in Zurückhaltung üben. Zwar besteht kein Zweifel daran, dass die neue Regierung weiter Kurs auf Brüssel nehmen wird. Das jedoch muss noch lange nicht bedeuten, dass Ministerpräsident Arseni Jazenjuk, der wohl im Amt bleibt, und seine Mannschaft willens und in der Lage sind, demokratische Reformen durchzusetzen sowie den bewaffneten Konflikt im Donbass friedlich beizulegen.
Gerade Jazenjuk fiel, anders als Präsident Petro Poroschenko, im Wahlkampf eher durch eine aggressive nationalistische und antirussische Rhetorik denn durch gemäßigte Töne auf. Für viele Ukrainer war die Stimmabgabe mit der Hoffnung auf eine baldige Stabilisierung der Lage im Land verbunden. Diesen Wählerauftrag muss die Regierung ernst nehmen und den Dialog mit den Menschen in Lugansk und Donezk suchen.
Die EU muss das unterstützen – nicht nur mit Hilfszahlungen, die an Bedingungen geknüpft sein müssen, sondern auch mit einem unzweideutigen Auftreten gegenüber Russland, das im Donbass weiter zündelt. Noch. Die Tatsache, dass Moskau auf den Wahlausgang mit Erleichterung reagiert hat, ist vielleicht ein Hoffnungsschimmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück