Kommentar Oscar-Verleihung: Gegenentwurf zu Trump
Hollywood hat das Sexismus- und Gewaltproblem noch lange nicht überwunden. Aber die Oscar-Nacht hat Veränderungswillen gezeigt.

D ie Oscar-Verleihungen waren ein Spektakel ganz nach dem Geschmack von Donald Trump. Glitzer. Geld. Berühmtheiten. Doch im Inhalt waren die vier Stunden am Sonntagabend in Hollywood ein glatter Gegenentwurf zu dem, was der US-Präsident in Washington bietet.
Statt seinem miefigen, rückwärtsgewandten, weißen, patriarchalischen, bitteren, rachsüchtigen und angeblich „großen“ Amerika feierten sie ein Land, das offen ist. Für Frauen und für Einwanderer, für Afroamerikaner und Latinos, für Dreamers, Schwule und Lesben, für Menschen, die in kompletten Sätzen reden und für eine Feministin, die sich selbst eine Anarchistin nennt.
Nichts von dem, das Trump hochleben lässt – von der Waffenlobby NRA bis zu den Massenabschiebungen und zu seiner Mauer gegen Mexiko –, hatte am Sonntag in Hollywood Bestand. Dort feierten sie die 700.000 Dreamers, beteuerten den überlebenden Kids des Schulmassakers in Florida ihre Unterstützung, schwärmten von einer Welt ohne Grenzen und schickten Liebeserklärungen an einige der Regionen, die Trump im Visier hat: Afrika, Haiti, Puerto Rico. Dabei schafften sie auch das Kunststück, den Mann, der wie ein bleiernes Gewicht auf den USA und der Welt liegt, weitgehend unerwähnt zu lassen.
Die 90. Oscar-Zeremonie hätte auch ganz anders ausfallen können. Denn in den zurückliegenden Monaten ist Hollywood durch eine der schwersten Krisen seiner Existenz gegangen. Auslöser mag der Produzent Harvey Weinstein gewesen sein. Hollywood hat den Skandal von sexueller Gewalt und Sexismus mit dieser Zeremonie aber noch lange nicht überwunden. Unter anderem deswegen nicht, weil – in der Person von Kobe Bryant – wieder einer einen Oscar verliehen bekam, der selbst der Vergewaltigung beschuldigt worden ist. Und weil auch dieses Mal nur sechs Frauen einen Oscar bekamen – während mehr als fünfmal so viele Männer ausgezeichnet wurden. Aber trotzdem: Hollywood hat gezeigt, dass es zuhört und veränderungswillig ist.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an