Kommentar Oppermanns CDU-Schelte: Sprachrohr der Heimatvertriebenen
Angela Merkel treibe Millionen Bürger zur AfD, sagt der SPD-Fraktionschef. Doch ist die CDU zu weit rechts? Oder die SPD nicht links genug?
T homas Oppermann hat ein Interview gegeben. Das allein wäre noch kein Aufreger, nicht einmal, wenn sich der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Welt am Sonntag äußert. Drei bis vier Sätze aber haben es in sich. Der Staat, behauptet Oppermann da, gebe in der Flüchtlingskrise ein hilfloses und chaotisches Bild ab.
Bevor man aber auf den Gedanken kommt, dass Oppermann als führendes Mitglied der die aktuelle Politik des Staates verantwortenden Großen Koalition muitige Selbstkritik üben würde, wechselt er schnell das Thema und macht die CDU für alles Schlimme verantwortlich. Denn die hinterlasse eine Repräsentationslücke. Weil: „Bodenständige Konservative haben in der CDU keine politische Heimat mehr.“ Und schuld daran ist wer? Angela Merkel. Denn sie „macht Millionen Bürger heimatlos.“ Deswegen, so Oppermanns Analyse, würden auch nicht-extreme Wähler zur AfD abwandern.
Rumms. Das trifft. Nur völlig daneben.
Die Kanzlerin treibt also mit ihrer beständigen Menschlichkeit gegenüber Flüchtlingen Millionen unschuldiger Bürger in die Arme der rechten Demagogen? Ja, so kann man das sehen – aber nur wenn man sich zugleich zum Sprachrohr der Heimatvertriebenen aus der CDU aufspielen möchte, die nun als politische Flüchtlinge Asyl ausgerechnet bei der AfD suchen müssen.
Tatsächlich bodenständige Konservative aber müssen sich von Oppermann beleidigt fühlen. Denn der SPD-Fraktionschef stempelt sie als naturgemäß ängstlich bis tendenziell fremdenfeindlich ab, anstatt anzuerkennen, dass ihre Bodenständigkeit auch auf urchristlichen Werten beruhen kann, die das komplette Gegenteil verheißen: Nächstenliebe zum Beispiel. Schon mal gehört?
Aber das nur am Rande.
Denn im Kern geht es mal wiederum die zentrale Frage: Was ist die Triebfeder für politisches Handeln? Ein klare Haltung, von der man andere durch kluge Argumentation überzeugen will? Oder eine strategische Position, die sich an den auf dem Markt befindlichen Positionen orientiert?
Oppermann hat sich – ganz im Stil eines abgezockten Parteimanagers – für zweiteres entschieden. Ja, schlimmer noch. Er kritisiert ausgerechnet die als „Fähnchen-im-Wind“-Kanzlerin verschrieene Merkel, wenn sie endlich einmal Haltung zeigt.
Tatsächlich mag eine Partei kurzfristig Stimmen gewinnen, wenn sie stets dem immer neuesten Stimmungstrend hinterher rennt. Vielleicht könnte die Union sogar einen Teil ihrer Wähler davon abhalten, zu AfD zu wechseln, wenn sie ihnen – nein, kein stramm konservatives –, sondern ein national orientiertes Programm bieten würde.
Aber wäre damit etwas gewonnen? Im Gegenteil. Denn so würde es der AfD gelingen, Teile ihrer Politik durchzusetzen, selbst wenn sie Stimmen verliert. Ein Sozialdemokrat sollte daher froh sein, dass die CDU keine AfD-Politik macht.
Warum Oppermann dennoch die Union an den rechten Rand drängen will, liegt auf der Hand. Sie rückt seiner Partei zu sehr auf die Pelle, auch weil die SPD viel stärker noch als die CDU an Profil verloren hat.
Statt der sozialdemokratisch handelnden, konservativen Kanzlerin vorzuwerfen, zu wenig rechts zu sein, sollte also die SPD eher darüber nachdenken, wie sie zu einem klar sozialdemokratischen Profil zurückfindet. Kleiner Tipp: links suchen! Denn wenn jemand tatsächlich heimatlos geworden ist, dann viele einstige Stammwähler der SPD. Und das schon seit Jahren.
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