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Kommentar OlympiabewerbungUnd der Verlierer heißt: Hamburg

Die höhere Zustimmung war dann wohl ausschlaggebend: Hamburg muss sich jetzt um Olympia 2024 bewerben.

Licht aus für die olympischen Ringe am Berliner Olympiastadion Bild: reuters

Ohne Risiken und Nebenwirkungen

S o viel Mut hätten viele dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gar nicht zugetraut. Nicht die Hauptstadt Berlin, sondern die „second city“ Hamburg soll die Olympischen Spiele 2024 nach Deutschland holen. Nicht die international bekanntere Metropole soll es richten, sondern die dynamisch wachsende Handels- und Hafenstadt. Das ist eine weise Entscheidung, das ist eine Entscheidung im olympischen Geist des fairen Wettkampfs.

Ein gewichtiger Punkt für den DOSB war dabei die höhere Zustimmungsquote in Hamburg. 64 Prozent der HamburgerInnen haben sich Anfang März in einer repräsentativen Meinungsumfrage für Olympischen Spiele an der Elbe ausgesprochen, in Berlin lag die Zustimmung nur bei 55 Prozent. Und wenn der DOSB etwas fürchtet, dann eine erneute Niederlage in einem Volksentscheid.

2013 erst waren die Pläne für Olympische Winterspiele in der Region München in vier Referenden niedergestimmt worden. Weder in der bayrischen Hauptstadt noch in deren Partnerstädten Berchtesgaden, Garmisch-Partenkirchen und Traunstein fanden sich Mehrheiten für Olympia. Ein Debakel für den DOSB und den deutschen Sport, das sich nicht wiederholen darf.

Auch in Hamburg muss im Frühherbst das Volk noch zustimmen, ebenso in Kiel oder Lübeck, wo die Segelwettbewerbe stattfinden sollen. Eine Abfuhr bei diesen Abstimmungen würde Olympische Spiele und vielleicht auch andere Großveranstaltungen in Deutschland zumindest in naher Zukunft unmöglich machen. Deshalb ist die Priorität des DOSB für die Stadt mit der vermeintlich höheren Zustimmung verständlich, ja sogar unumgänglich.

Allerdings muss zuvor noch vollständige Transparenz über die Kosten für die Spiele und die Nachhaltigkeit der Planungen geschaffen werden. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat zugesichert, dass für die Spiele keine Schulden gemacht werden und die Nachnutzung der Gebäude und Sportstätten gesichert ist. Und für die Grünen, mit denen Scholz derzeit über eine Koalition für fünf Jahre verhandelt, sind diese beiden Punkte extrem wichtig.

Olympia ohne Risiken und Nebenwirkungen heißt das Ziel. Denn ein paar Wochen Party und anschließend jahrzehntelanger Katzenjammer wären weder weise noch sportlich. Sondern unverantwortlich. AUS HAMBURG: SVEN-MICHAEL VEIT

Eine weise Entscheidung

Berlin muss sich nicht darum bemühen, in den nächsten Jahren ein guter Olympiagastgeber zu werden. Das Präsidium des Deutsche Olympische Sportbundes (DOSB) hat sich am Montagabend für Hamburg entschieden. Eine weise Entscheidung.

Der DOSB minimiert damit das Risiko seiner erneuten Blamage durch die Bürger: Erst vor zwei Jahren scheiterte die Bewerbung Münchens für Winterspiele an Bürgerentscheiden. Die Zustimmung in Berlin für eine Bewerbung für Sommerspiele 2024 lag in Umfragen stets deutlich hinter Hamburg und zuletzt gerade mal bei 55 Prozent – wohlgemerkt in einer vom Sportbund selbst in Auftrag gebenen Erhebung. Mitte September hätten alle Berliner über Olympia abstimmen dürfen. Es wäre eine Zitterpartie geworden.

Dem Senat war es bisher nicht gelungen, jene Begeisterung zu wecken, die die Senatoren so gerne herbeiredeten. Wurde über Olympia diskutiert, ging es meist nur ums Geld: Wieviel kostet das? Wer zahlt? Wieviele maroden Schwimmbäder lassen sich so sanieren? Olympia wurde in der Argumentation zu einer netten, weil nötigen Geldspritze. Und dummerweise konnte der Senat nicht mal zu diesen Fragen befriedigende Antworten liefern. So blieb Olympia ein weiteres Großprojekt das drohte, wie der BER und die Staatsoper zur Peinlichkeit zu werden.

Wahrscheinlich wäre die auch noch in den sechs Monaten bis zur Abstimmung durch politische Possen ergänzt worden. Die rot-schwarze Regierung befindet sich längst im Wahlkampfmodus; es ist kein Geheimnis, dass die SPD nicht viel von CDU-Innen- und Sportsenator Frank Henkel hält. Wie hätte der Regierende Bürgermeister Michael Müller gemeinsam mit ihm eine Pro-Olympia-Kampagne durchstehen wollen? Und eine Niederlage bei der Abstimmung wäre auch ihrer beider Niederlage gewesen.

Es ist zwar nicht ganz ehrlich, wenn dem Glückwunsch an die Spree auch eine gewissen Schadenfreude beiwohnt. Aber es stimmt schon: Nicht der Schlechtere hat gewonnen. AUS BERLIN: BERT SCHULZ

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Hamburg-Redakteur
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20 Kommentare

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  • Glückwunsch zum Zuschlag, obwohl: ich hätte weder für Hamburg noch für Berlin votiert. Dieser Milliardenzirkus hat für mich nichts... aber auch gar nichts mehr mit dem, was man unter dem -Olympischen Geist- versteht, gemein. Aber sei es drum. Ich will mich nicht aus Spielverderber outen. Sei es ihnen gegönnt. Nur ratsam wäre es vielleicht mit dem Bau der Sport- bzw. Unterkunftsanlagen bald zu beginnen. Man denke nur an das (fast) Milliardengrab der Elbphilharmonie.

    Aber wie heißt es so schön: "wer den Schaden hat, braucht für den Spo®tt nicht zu sorgen!"

  • Erst ein Bürgerentscheid wird zeigen, was man von der "repräsentativen Umfrage" zu halten hat. Die Entscheidung für Hamburg war alles andere als weise. Die Stadt hat bereits bei einer popeligen Bundesgartenschau gezeigt, dass sie es nicht kann. Für Scholz wäre Olympia der Joker, mit dem er den Hamburgern seine Grausamkeiten aufs Auge drücken kann. Nur so ist auch diese Entscheidung zu verstehen und allein vor diesem Hintergrund ist sie zustandegekommen.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Wo "wächst" Hamburg denn bitte "dynamisch"? HafenCity und Elbphilharmonie sind Ausdruck verfehlter, vom Kapital geleiteter Stadtplanung. Und jetzt auch noch durch fünf Ringe springen? Na super...

  • Wir blasen jetzt erstmal 50-60 Millionen raus. Für: Papierkram, ein Image Video, diverse Unterwerfungserklärungen (PR-Sprech: „Garantien“, „Hosting Vertrag“), viel viel „VVIP hospitality“ (ja-ja, das sind very-very important persons)

     

    Aber dann die Jugendhilfe für 3,5 Millionen kürzen, die Winternotquatiere nicht auf die Reihe kriegen, oder bei schmierigen Privatisierungsdeals von Geld reden, „das wieder reinkommen muss“... was man dafür an Kita-Plätzen bauen oder an Radweg-Katastrophen erneuern könnte... oder einfach mal ein paar Freiflächen kaufen und als Grünflächen freihalten, in unseren zunehmend hochnachverdichteten Wohnklo-Stadtteilen.

     

    Aber die nachhaltige Entwicklung !1!!

     

    Kurze Durchsage: So „tiefseefähige“ Kaimauer, also wo Großschiffe anlegen können, ist übrigens VIEL zu kostbar, um da Wohnungen hinzubauen. Auch wenn das super in den Prospekten der Immobilienmaf... ÄH Projektentwickler aussieht. Wegen 14 Tagen Sportfest. Wirtschaftlich extrem-bullshit.

     

    Zum Glück geht der Kelch dann weiter an Boston... m)

    Vorraussichtlich verbrennen wir also lediglich 1/10-tel Elbphilharmonie (oder 3-4 Sozialprojekte) für Papierkram und Funktionäre hätscheln. Es könnte schlimmer sein.

  • Kaum eine Stadt in Deutschland ist gentrifizierter als Hamburg und Olympia wird dieser Entwicklung noch Vorschub leisten! Hamburg wird international kaum wahrgenommen. Berlin hat mehr fast dreimal soviele Gäste pro Jahr in der Stadt. Wenn überhaupt hat Deutschland beim IOC nur mit Berlin eine Chance...

  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    Informationen:

     

    http://nolympia-hamburg.de/

    • @3641 (Profil gelöscht):

      Witzig ist, dass vor allem linke Parteien und Bündnisse dagegen sind. Also dieselben Leute, die ansonsten nicht müde werden zu tröten, Schulden+Staatsinvestitionen seien das Wundermittel der Wirtschaftspolitik.

       

      Olympia ist genau das. Der Staat nimmt Geld in die Hand und baut - Straßen, Wohnungen, Bahnlinien usw. Und dann kommen Touristen in die Staat und konsumieren, worüber sich die Kellner und Verkäufer mit ihrem Mindestlohn freuen.

       

      Kann mir das mal einer erklären?

      • @Biene Maya:

        Investitionen ja, aber nicht in Schwachsinn.

      • 9G
        970 (Profil gelöscht)
        @Biene Maya:

        Das glaubst du doch selbst nicht, dass bei Olympia auch nur eine Sozialwohnung entsteht!

        Es sind zwar Bauprojekte nötig. Aber was wird gebaut? Stadien und unnütze Infrastruktur für eine vierwöchige Großveranstaltung. Prestigeobjekte.

         

        In Hamburg auch noch in einer Stadt, die unter Gentrifizierung und Mietpreisexplosion leidet, wie keine zweite hierzulande.

         

        Erklärung genug oder immer noch Zweifel?

  • naja, die Damen und Herren, die sich da hervortun, sind diejengen, die firts class Bewerbunggelder verbraten Sitzungen in aler Welt, Besichtigungstouren Bewirtung der internationalen Gäste usw, sie sitzen dann in den VIP Logen. reservierten Patkplätzen usw usw vor der Volksabstimmung, einfach mal überschlägig die Kosten berechnen und den Bürgern erzählen, was pro Nase der Spass kosten wird!

  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    Ich werde es nie verstehen, dass Veranstaltungen von Organisationen, die meiner Meinung nach durch und durch korrupt sind, durch Steuergelder massiv subventioniert werden.

     

    Eine Schande ist das!

  • Außer Martin Sonneborn von DIE PARTEI hat niemand ,mehr seit 1974 ein internationales Großsportobjekt in die BRD geholt.

     

    Das wird Hamburg auch lernen müssen.

  • Und, können wir jetzt in Berlin mal die Schwimmbäder sanieren? In den Schulsporthallen könnte schon mal überhaupt regelmässig geputzt werden, das wäre mal ein Anfang. Dann richten wir noch ein paar Radwege wieder her und schon ist mehr für den Breitensport getan als sich der DOSB vorstellen kann. Den Hamburgern wünsch ich viel Erfolg!

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    die hamburger bewerbung war einfach besser und ich freue mich als hamburger tatsächlich ein bischen.es würde der stadt einfach gut tun wenn an dieser stelle ein neuer stadtteil entsteht der nachhaltig nutzbar ist.man muss auch nicht alles immer schlecht machen,hamburg hat tatsächlich mal nicht auf gigantomanie gesetzt und deshalb ist das ganze auch nicht mit der elbphilharmonie zu vergleichen.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Ich freu mich nicht so sehr darauf, da ich keinen Chancen für 2024/28 erwarte. Gewünscht hätte ich mir aber auch, dass die beiden Herren schauen, wie der DOSB seine Entscheidung begründet. Da war die große Zustimmung durch Versammlungen und Umfragen sicherlich ein Kriterium, aber auch, dass von 33 deutschen Verbänden 18 für Hamburg und nur 11 für Berlin waren. Zudem gab's einige Expertenrunden, wo sich das Hamburger Konzept haushoch durchgesetzt hat. Vielleicht könnte die taz ja zukünftig letzteres mal kritisch unter die Lupe nehmen.

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @Verkehrsfritze:

        dem ganzen kritisch gegenüberzustehen ist vollkommen okay.dazu gibt es bei diesen großverantaltungen auch jeden grund dazu.aber auf den ersten blick gefällt mir das hamburger konzept ziemlich gut weil es tatsächlich nachhaltig funktionieren könnte und an einem sehr wichtigen punkt hamburg-mitte mit wilhelmsburg verbinden würde.

        was die chancen für 2024 angeht;die sind wohl nicht so groß.allerdings stellt sich auch hier die frage nach dem konzept der anderen städte.soviele städte mit potentiellen freiflächen mitten in der stadt gibt es wohl nicht..

  • "So blieb Olympia ein weiteres Großprojekt das drohte, wie der BER und die Staatsoper zur Peinlichkeit zu werden."

     

    Und das "großartig" ausgeführte Großprojekt Elbphilharmonie in Hamburg schon vergessen? Ja?

    • @Herr Luo:

      Die Elbphilharmonie wird doch kein Großprojekt, nur weil sie es mal durch vertragliche Streitereien und Gerichtsentscheidungen in die Schlagzeilen geschafft hat. Fehlt ja nur noch, dass der Libeskind-Bau an der Uni Lüneburg nun ein "Großprojekt" ist, weil man sich im Laufe des Baus für andere Baumaterialien entschied und es dann "teurer" wurde als anfangs überlegt.

    • @Herr Luo:

      Das fragte ich mich auch. Wer soll das bezahlen, bei der notorischen Armut, die in Deutschland herrscht?

      Dazu die Baustellen der Grossprojekte, wie will man in Hamburg zusätzlich zur dahindümpelnden Elbphilharmonie auch noch eine Olympiade ausrichten? Das letzte Wort ist nicht gesprochen, es war ja nur eine Anmeldung und noch keine Zusage.

  • 6G
    677 (Profil gelöscht)

    Ich denke, jetzt geht in Berlin das große Ärgern los.

     

    Welch vertane Chance auf erbitterte Diskussionen, kreative Aktionen und kurzweilige Demonstrationen.

     

    Vielleicht findet sich ja ein Busreiseunternehmen, welches ensprechende Kaffeefahrten nach Hamburg anbietet.