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Kommentar Notwehr eines NeonaziEs zählt die Gewaltgeilheit

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Notwehrrecht ist richtig. Aber es ist nicht dazu da, gewaltgeilen Neonazis einen Freifahrtschein zum Ausleben ihrer Mordfantasien zu geben.

N otwehr oder nicht – das wird die entscheidende Frage in diesem Prozess sein. Ein Neonazi fühlt sich von einer Gruppe Antifaschisten angegriffen, fährt einen von ihnen mit dem Auto über den Haufen und beruft sich dann auf Notwehr. Der Strafprozess, der an diesem Montag in Freiburg beginnt, wird überregionale Bedeutung finden. Nicht nur weil der Neonazi zum Tatzeitpunkt NPD-Mitglied war.

Das Verfahren zeigt auch die Risiken einer aggressiven Antifa-Strategie. „Antifa heißt Angriff“ ist ein beliebter Slogan der Antifaschisten, nicht nur in Südbaden. Doch wer Nazis bedroht und attackiert, schafft damit automatisch eine Notwehrlage für die angegriffenen Nazis. Gute Absichten und die bessere Moral helfen dann nicht weiter.

Wer angegriffen wird, muss nicht flüchten, sondern darf den Angriff abwehren – wenn nichts anderes verlässlich hilft, auch mit Hilfe einer Waffe oder einem Pkw. Das ist keine nazifreundliche Auslegung des Strafrechts, sondern würde umgekehrt genauso gelten.

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Dennoch spricht im Freiburger Fall viel dafür, den Neonazi zu verurteilen. Wer sich noch wenige Tage vor der Tat eine Notwehrlage herbeiwünscht, um Linke ungestraft abstechen, abknallen ja sogar verbrennen zu können, kann sich nicht einfach auf normale Notwehrregeln berufen. Wer hier in seinem Fahrzeug nicht davonfährt, sondern in Tötungsbereitschaft seine Gegner attackiert, hat wohl keinen Verteidigungswillen, sondern realisiert den vorab klar geäußerten Vernichtungswillen.

Das Notwehrrecht hilft zurecht einem Angegriffen, wenn er sich wehrt, er soll dafür nicht auch noch bestraft werden. Es ist aber nicht dazu da, gewaltgeilen Neonazis einen Freifahrtschein zum Ausleben ihrer Mordfantasien zu geben.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).