Kommentar Nordkorea und toter Tourist: Grausame Realitätsverdrehung
Was wirklich mit Otto Warmbier in nordkoreanischer Haft passiert ist, bleibt unklar. Der Umgang mit ihm muss in jedem Fall brutal gewesen sein.
S elbst für erfahrene Nordkorea-Beobachter ist der grausame Todesfall des US-Amerikaners Otto Warmbier eine Überraschung. Es ist gemeinhin bekannt, dass das Kim-Regime seine eigenen Dissidenten in einer Weise behandelt, die an die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte erinnert. Doch westliche Gefangene, vor allem US-Bürger, wurden in der Vergangenheit nicht angerührt. Das nordkoreanische Regime hat sie vornehmlich als Druckmittel missbraucht.
Umso schockierender ist nun, was Otto Warmbier in seiner Haft passiert sein muss. Laut nordkoreanischen Behörden soll er an Botulismus – einer lebensbedrohlichen Fleischvergiftung – erkrankt und nach Einnahme einer Schlaftablette ins Wachkoma gefallen sein. Seine Eltern glauben jedoch, dass ihr Sohn von Wächtern misshandelt wurde.
Die Ärzte des Uniklinikums Cincinnati wollen sich bei den Ursachen der letztlich zum Tode führenden Hirnschäden bislang nicht festlegen. Doch allein schon, dass das Regime den Studenten Warmbier nach seinem Koma noch über ein Jahr gefangen hielt, beweist seine Brutalität.
Die Verurteilungen aus Washington fielen zwar durchaus drastisch aus, doch der politische Handlungsspielraum ist begrenzt: Schärfere Sanktionen würde China nur bedingt mittragen und einen militärischen Erstschlag wird Trump nicht riskieren. Zumal noch weitere Amerikaner in Haft sitzen.
Den Zynismus der nordkoreanische Propaganda zeigt ein Vorfall nur wenige Stunden nach Otto Warmbiers Tod: Drei nordkoreanische Staatsbürger hatten nachweislich mit einem Shoppingtrip in Arizona das Gesetz gebrochen. Es kam am New Yorker Flughafen zu Handgreiflichkeiten mit den US-Zollbeamten. Die staatliche Nachrichtenagentur verurteilte die USA „als rechtlosen Schurkenstaat“, obwohl die Beschuldigten nach den Zollkontrollen gehen durften. Mehr absurde Realitätsverdrehung geht nicht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links