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Kommentar Nord-CDU und FleischpflichtKein Schwein gehabt

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Niemand will Schweinefleisch verbieten. Niemand fordert eine Pflicht. Die Nord-CDU blamiert sich mit einem rechtspopulistischen Vorstoß.

Die CDU tut sich wieder durch besonderes Mettgefühl hervor Foto: dpa

N ein, die CDU in Schleswig-Holstein hat nicht im Ernst eine „Schweinefleisch-Pflicht“ für Kantinen in Schulen, Kitas und Behörden gefordert. Und selbstverständlich will sie Muslime, Juden und Vegetarier nicht dazu zwingen, Schweinefleisch zu essen. Es wäre in der Tat arg verkürzt, das so hinzustellen. Vielmehr will die Nord-CDU den Kantinen im Land lediglich „empfehlen“, Schweinefleisch auf dem Speiseplan zu belassen, hat sie jetzt klargestellt. Denn dass mehrere öffentliche Einrichtungen in Schleswig-Holstein – unter anderem aus Rücksicht auf Muslime und Vegetarier – inzwischen auf Schweinefleisch verzichten, hält sie für „falsch verstandene Toleranz“.

Den Spott und die Häme, die über sie herein gebrochen sind, hat sich die Nord-CDU mit ihrem Vorstoß gleichwohl redlich verdient. Und es ist ja auch kein Zufall, dass es bislang vor allem rechtspopulistische Parteien waren und sind, die in anderen europäischen Ländern eine Lanze fürs Schwein brechen – in Frankreich etwa der Front National, in Dänemark die einflussreiche „Volkspartei“.

Auch die Rede von der „falschen Toleranz“ ist ein klassischer Topos rechtspopulistischer Agitation. Dahinter steht ein reales Problem – nämlich, wie man in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft den divergierenden Bedürfnissen unterschiedlicher Gruppen Rechnung trägt. Da kann es dann passieren, dass Schweinefleisch-Fans in die Defensive geraten. Tatsächlich gibt es mancherorts in Großstädten die Tendenz, das Schwein von der Speisekarte zu streichen, weil es Veganern, Muslimen und vielen anderen einfach nicht schmeckt.

Wer aber das Recht auf Schweinefleisch auf der Speisekarte zur deutschen Tradition erklärt, die es um jeden Preis zu erhalten gelte, hängt nicht nur einem statischen Kulturbegriff an, der jeden Kulturwandel – wie den Trend zum Fleischverzicht – per se ausschließt, sondern redet einem Kulturkampf das Wort. Man kann die antimuslimische und antiliberale Stoßrichtung der Forderung (“Die sollen sich gefälligst anpassen“) leicht überhören, wenn man sich davon nicht betroffen fühlt. Das ändert aber nichts daran, dass es gerade der antimuslimische Unterton ist, welcher die Forderung für bestimmte Kreise so attraktiv macht. Denn sie suggeriert, dass sich freche Muslime hier Sonderrechte heraus nehmen, um eine schleichende Islamisierung der Gesellschaft zu betreiben.

Dabei hat der Trend weg vom Schwein nur bedingt mit Muslimen zu tun. Und wenn Kitas und Kantinen es von ihrem Speiseplan streichen, dann tun sie das meist aus rein pragmatischen Gründen. Ideologisch ist es vielmehr, darauf zu beharren, dass es immer Schweinefleisch geben muss, auch wenn es keiner essen mag. Und darauf läuft die Forderung der Nord-CDU letztlich hinaus. Doch auch Muslime, Juden und Vegetarier sind in diesem Land Steuerzahler und Bürger und dürfen deshalb selbstverständlich mitbestimmen, was in öffentlichen Einrichtungen auf den Tisch kommt.

Die Nord-CDU hat der AfD damit aber eine Steilvorlage und ein Stichwort geliefert. Wir werden deshalb noch erleben, wie Rechtspopulisten auch hierzulande für das Recht auf Schweineschnitzel agitieren werden - selbst wenn sie privat Vegetarier sind. Es geht nämlich ums kulinarische Abendland, das wieder mal gerettet werden muss.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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14 Kommentare

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  • Es gibt ernährungsphysiologische Vorbehalte gegen den Verzehr von Schweinefleisch. Eine Reihe inzwischen typischer "Volkskrankheiten" lassen sich mittlerweile auch auf den (übermäßigen) Verzehr von Schweinefleisch und Schweineprodukten zurückführen.

     

    Schweinefleisch gibt es nach wie vor an jeder Ecke, an jedem Imbiss und jeder Würstchenbude, in nahezu jeder Gaststätte, jeder Metzgerei und jedem Supermarkt käuflich zu erwerben, roh, teilweise oder vollständig verarbeitet. Selbst die Gummibärchen enthalten aus dem Schweineknochenmark extrahierte Gelatine.

     

    Im Bemühen um eine Verbesserung der Volksgesundheit ist man seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten dabei, den massenhaften Einsatz von Schweinefleisch und Schweineprodukten zurückzudrängen. Niemand käme ohne den Verlust seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit auf die Idee, den Ersatz von Schweinegelatine durch Supplemente auf pflanzlicher Basis wie Agar-agar oder Pektin mit einer muslimischen "Geheimverschwörung" in Verbindung zu bringen und niemand würde fordern, dass Süßigkeiten zwingend Schweinegelatine enthalten müssen, weil sonst die abendländische Kultur den Bach runtergehe und die Islamisierung nicht mehr aufzuhalten sei.

     

    Diese Diskussion ist doch völlig wirr, weil sie von völlig wirren Leuten ohne jedes ernährungsphysiologische oder medizinische Wissen geführt wird. Letztlich geht es gar nicht um das Schwein oder sein Fleisch, das ist doch nur ein "Platzhalter". Es geht vielmehr um "Deutungshoheit", darum, dass manche meinen, sie könnten dem Koch befehlen, was dieser zuzubereiten bzw. anzubieten habe, auch gegen dessen erklärten Willen. Und darum, dass diese Leute dabei auch noch glauben, nur durch autoritäre Repression sei "die Freiheit" - bei genauerem Hinsehen meinen Sie natürlich nur die eigene - zu retten.

  • Lieber Herr Bax,

     

    finden Sie es als eher links, jedenfalls aufgeklärt und demokratisch-pluralistisch denkender Mensch wirklich in Ordnung, wenn religiöse Speisegesetze Einiger (ob Minderheit oder Mehrheit ist dabei fast egal) zwangsweise Allen aufgenötigt werden? Es geht ja eben nicht, wie Sie schreiben, um Speisekarten: In Restaurants, von denen es immer viele nebeneinander gibt, mag jede kochen und essen, was sie will. Es geht um Mensa oder Schulhort, wo man essen muss: Soll da gelten: Der Prophet hat es verboten, also darfst Du (als Atheist oder Christ) das nicht essen? Wenn Sie es nicht anstößig finden und mit unserer Verfassung unvereinbar, dass meine Töchter im Schulhort kein Schnitzel mehr essen können, weil Muslime das anstößig fänden - wie soll ich Ihnen glauben, dass Sie wenigstens widersprechen, wenn ihnen zum Schulbesuch ein Schleier vorgeschrieben wird? Das bloße Haar meiner Töchter finden durchgeklnallte Fundamentalisten nämlich auch anstößig, so wie sie Schweinefleisch unrein finden. Finden Sie es okay und meine eigene Schuld, wenn ich im öffentlichen Schwimmbad von jungen Männern mit weißem Käppi bedroht werde, weil ich - wie es die Hausordnung der Bäderbetriebe verläangt! - nackt dusche? Oder widersprechen Sie wenigstens dann? Wo aber ist der Unterschied? Sie geben ohne Not und ohne jedes Problembewusstsein die vom Grundgesetz garantierten Freiheiten auf. Religionsfreiheit ist immer auch Freiheit VON Religion: Mir sind religiöse Speisegesetze vollkommen schnuppe, und ich will mich ihnen nicht unterwerfen müssen. Warum aber will das ein taz-Redakteur? Ich verstehe es nicht.

  • Und es wurde wieder mal kein Schwein dazu befragt,.

  • Hat da wohl jemand von der CDU einen Spezl bei der Fleischindustrie? Oder vielleicht eine Spende erhalten?

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Die CDU-Fischköppe schaun halt dem Volk auf die Kiemen oder vielleicht eher auf den Specknacken. In einer Umfrage der Lübecker Nachrichten führt die "Meinung", "Schweinefleisch gehöre zu unserer Kultur und sorge für Abwechslung auf dem Teller", gerade mit 62% (http://t.ln-online.de/content/collectedinfo/14982959).

     

    Die CDU da oben plädiert in diesem Antrag, wie zu lesen ist, auch für eine ausgewogene Ernährung. Da beides so überaus glänzend zusammenpasst, vermute ich, dass wir es demnächst mit einer Epidemie des neuen auf Menschen überspringenden Schweinewahnsinns zu tun bekommen, der "suinen spongiformen Enzephalopathie", kurz SSE.

  • Die Zielsetzung ist eigentlich ganz einfach:

    Niemand sollte gezwungen werden, sich durch die Essgewohnheiten Anderer in den seinen einschränken zu lassen. Also sollten weder die Nicht-Schwein-Esser Schwein essen müssen, noch den Schweinessern Schweinefleisch systematisch vorenthalten werden.

     

    Es ist sicher richtig, dass der "traditionelle" deutsche Speiseplan in einer lebendigen Kultur kein ehernes Gesetz darstellen kann. Aber solange es nur bestimmte Gruppen gibt, die Teile davon grundsätzlich ablehnen, stellt es für den Rest der Bevölkerung eine klare Einschränkung dar, diese Ablehnung mit zu leben. Denn Fleischverbote, so vernünftig oder religiös tiefsitzend sie für Manche auch sein mögen, gelten eben nicht für Alle.

     

    Sie trotzdem zu befolgen, kann entweder freiwillig geschehen, indem z. B. die Eltern aktiv zustimmen, Schwein vom Speiseplan einer Kita zu nehmen, oder als eine oktroyierte Rücksichtnahme eingefordert werden. Dass letztere Variante ganz klar ihre Grenzen hat und diese Grenzen auch dem politischen Diskurs zugänglich sein müssen, ohne dass gleich die Rassismus-Keule rauskommt, sollte für Demokraten selbstverständlich sein.

     

    Vor dem Hintergrund sehe ich nicht, wie eine demokratische legitimierte Auflehnung gegen den generellen Ausschluss von bestimmten Lebensmitteln (oder Fleisch insgesamt - mit Rind- oder Hühnerfleisch ist Vegetariern und erst recht Veganern ja noch lang nicht gedient) von den Speiseplänen per se problematisch sein sollte. Dass die Präferenzen bestimmter religiöser Gruppen Auslöser für die bekannt gewordenen generellen Ausschlüsse waren, macht es logisch notwendig, dass just diese Präferenzen jetzt zum Gegenstand der Diskussion werden. Die Tatsache dass man daraus etwas kulturkriegerisches lesen KANN (wenn man will), darf hier aber nicht zu Redeverboten führen.

  • Der Führer würde sich bei sowas doch im Grabe umdrehen, der war immerhin überzeugter Vegetarier!

    • @ichhörnurmimimi:

      Wohl eher krankheitsbedingt und gezwungenermaßen. Ein Makel des selbsternannten "deutschen Erlösers", den Goebbels propagandistisch ins Gegenteil verkehrte und überhöhte, um die eigentliche Ursache zu kaschieren.

      http://www.zeit.de/2001/17/200117_stimmts.xml

    • @ichhörnurmimimi:

      War er nicht !

  • Johann Strauß hat vielleicht ganz hellsichtig das Parteiprogramm der Nord-CDU vorausgeahnt und vertont:

    http://www.planet-vienna.com/musik/operette/texte/schweinespeck.htm

     

    (natürlich ist die in der Operette verwendete Bezeichnung "Zigeunerbaron" heute inadäquat, aber vielleicht gibt es einen "Vorsitzenden des Arbeitskreises der Sinti und Roma in der CDU", der mit ziemlicher Sicherheit keine Verzehr-Empfehlungen für was-auch-immer abgibt).

  • Was muss es uns gut gehen, wenn wir sonst keine Probleme haben. Schwein gehabt !!!

  • Zitat:

     

    "...unter anderem aus Rücksicht auf Muslime und Vegetarier..."

     

    "...weil es Veganern, Muslimen und vielen anderen einfach nicht schmeckt."

     

    Aber Vegetarier und Veganer essen weiterhin gerne Rind, Geflügel, Lamm und Fisch?

     

    Seien Sie doch bitte so aufrichtig und erkennen an, dass Schweinefleisch wegen Muslimen vom Speiseplan gestrichen wird und behaupten nicht dreist, dass dies auch wegen Vegetariern und Veganern geschehe.

    • @Markus Haupauge:

      Sie haben in ihrem rassistischen Kommentar die Juden vergessen.

       

      Rassismus und Antisemitismus sind zwei sehr gut befreundete Nachbarn.

  • Vielleicht macht es sich der Autor etwas einfach. Wenn eine größer werdende Bevölkerungsgruppe das Schweinefleisch kategorisch ablehnt, aber gleichzeitig versorgt werden muss, dann ist das Verschwinden von Speisekarten kein Pragmatismus sondern schlicht und einfach ein Erfordernis.

     

    Wenn es morgen aus relgiösen Gründen nicht mehr oportun ist, mit einem Daimler-Taxi zu fahren, würde es genauso den Abschied von diesem Kulturgut bedeuten.

     

    Die Frage dahinter ist doch, wessen Bedürfnisse sind wichtiger und haben Vorang. Das beantwortet jeder anders. In der Demokratie zählt was?