Kommentar Neue Regierung in Italien: Stunde des Übermuts
Die Wähler protestierten gegen die Sparzwänge der EU. Die neue Regierung hat dafür keine Lösung, steuert aber in einen Großkonflikt mit der EU.
T atsächlich verändern“ werde Italien sich unter der neuen Regierung aus 5-Sterne-Bewegung und Lega, verkündete am Mittwoch der Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, der jetzt ausgearbeitete Koalitionsvertrag sei „die größte politische Neuheit der letzten 20 Jahre“. Viele in Europa, in Brüssel, Paris oder Berlin, sehen das als Drohung. Den gut 50 Prozent der italienischen Wähler, die den beiden jetzt an die Regierung strebenden Anti-Establishment-Parteien ihre Stimme gegeben haben, dürften dagegen Di Maios Worte als Versprechen gelten. Um ein Missverständnis gleich auszuräumen: Nein, diese Menschen votierten nicht „gegen Europa“. Diese Themen spielten im Wahlkampf so gut wie keine Rolle.
Wohl aber stimmten sie gegen jene Austeritätspolitik, der Italien seit 2011, seit dem Ausbruch der Eurokrise folgt. Schluss mit den aus Brüssel und Berlin diktierten Sparzwängen: Dies war und ist die Botschaft, die die beiden zukünftigen Koalitionspartner eint. Überraschen kann das nicht. Die Armut im Land hat sich dramatisch ausgedehnt, und auch die Mittelschicht hat herbe Einkommensverluste erlitten.
„Patrioten“ seien jetzt gefragt, verkündet einer der Frontmänner der Fünf Sterne, „die „Stunde des Muts“ habe geschlagen. Oder die Stunde des Übermuts? Der Koalitionsvertrag schweigt sich dazu aus, wie schnell das milliardenschwere Paket an steuerlichen und sozialen Wohltaten umgesetzt und erst recht wie es gegenfinanziert werden soll. Klar ist dagegen die Ansage, dass Italien das gesamte Euro-Vertragswerk vom Stabilitäts- zum Fiskalpakt neu aufschnüren will.
Der Beifall einer Mehrheit der Italiener zu diesem Vorgehen dürfte der sich abzeichnenden neuen Regierung gewiss sein. Mag sein, dass sie sich nicht gegen Europa und den Euro aufstellen will. Doch wenn sie Ernst macht mit ihren Vorhaben, könnte sich ihrerseits die EU schnell gegen Italien positionieren. Und dann wäre ein Großkonflikt denkbar, gegen den die Griechenlandkrise nach dem Wahlsieg der Syriza nur ein müdes Vorspiel war.
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