Kommentar Neue Bamf-Leitung: Ein Rechtsausleger
Der Sommer kommt: Durch den vermeintlichen Bamf- Skandal konnte Horst Seehofer jetzt einen maximal loyalen Mann als Behördenchef installieren.
A us dem vermeintlichen Bamf-Skandal ist die Luft in den letzten beiden Wochen fast restlos wieder entwichen. Trotzdem hat Seehofer die Bamf-Präsidentin Jutta Cordt rausgeworfen. Vollmundig hatte Seehofer angekündigt, die Behörde „aufzuräumen“ und umzubauen. Am Dienstag dann wurde bekannt, dass er dem Kanzleramt die Kontrolle über das Bamf entziehen will. All das geschieht, ohne dass sich die Vorwürfe gegen das Bamf ernsthaft erhärtet hätten: brachiale Symbolpolitik, ohne Rücksicht auf Fakten.
Die Berufung eines Juristen aus dem innersten CSU-Zirkel aber erfüllt noch einen weiteren Zweck. Der designierte Bamf-Chef Sommer war Büroleiter bei Stoiber, Referent bei Beckstein, Kassenprüfer der Partei, Abteilungsleiter im bayrischen Innenministerium. Eine zu Seehofer loyalere Figur ist kaum denkbar.
Er bringt die passende geistige Grundausstattung mit, um Flüchtlinge künftig noch stärker als Sicherheitsproblem zu behandeln. In den vergangenen beiden Jahren wurde die Asyldiskussion mit großer Härte geführt.
Trotzdem lag die sogenannte Schutzquote 2016 und 2017 höher als je zuvor: 2016 wurden 62 Prozent aller Antragsteller anerkannt, 2017 noch 43 Prozent. Widerspruchsverfahren sind da noch gar nicht eingerechnet. Der Wert ging in den letzten Monaten zwar zurück, ist aber nach wie vor hoch – ein Zustand, der der CSU kaum gefallen dürfte.
Mit Sommer soll nun ein Jurist die Behörde leiten, der in Bayern bewiesen hat, dass er das Recht immer genau so auszulegen vermag, dass die Flüchtlinge, sooft es geht, den Kürzeren ziehen. Als Bamf-Chef hat er da durchaus Möglichkeiten: etwa bei der Einleitung von Widerrufsverfahren bei bereits erteiltem Asyl oder bei der Verschärfung der Herkunftsländer-Leitsätze – einem Hebel, mit dem das Bamf zuletzt schon hingekriegt hat, dass immer weniger Afghanen Asyl bekommen.
Hinweis: In einer früheren Fassung des Textes hatte es geheißen, Sommer habe in der Vergangenheit für den VS in Bayern gearbeitet. Die bayrische Staatsregierung hat dies am Mittwoch erstmals offiziell gegenüber der taz dementiert. Wir haben die entsprechende Passage entfernt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene