Kommentar Netzneutralität: Überholspur für Konzerne
Die Netzneutralität wird über die Zukunft des Internet entscheiden. Aber die geplanten EU-Regeln zum digitalen Binnenmarkt gehen in die falsche Richtung.
S ogar in den USA – sonst nicht gerade das Zentrum des Verbraucherschutzes – haben sie es schon verstanden. Vor wenigen Wochen sind dort die Regeln für Netzneutralität in Kraft getreten. Internet-Anbieter sind nun verpflichtet, sämtliche transportierte Daten gleich zu behandeln. Nichts mit Überholspuren für Besitzer von dicken Geldbeuteln.
Umso erstaunlicher, dass die EU es nicht auf die Reihe kriegt. In den in Kürze zu Beschluss stehenden Regeln zum digitalen Binnenmarkt zeichnet sich sogar das Gegenteil ab. Statt die Chance zu nutzen, die Netzneutralität endlich gesetzlich zu verankern, sind im aktuellen Entwurf mehr Einschränkungen als Vorgaben drin. Stattdessen erzählen die Verhandler überall herum, dass die Roaming-Gebühren – ab 2017 dann aber wirklich – fallen sollen.
Klar, sowohl Roaming-Gebühren als auch Netzneutralität sind Themen, bei denen die Telekommunikationskonzerne nicht Hurra schreien. Doch es sieht danach aus, als wird das wichtige, aber schwierige Thema einem geopfert, mit dem sich zumindest billig Wählersympathien erspielen lassen.
Denn es ist keineswegs übertrieben zu sagen, dass das Vorhandensein von Netzneutralität über die Zukunft des Internet entscheiden wird. Darüber, ob irgendwann nur noch große Konzerne Inhalte anbieten – die, die es sich leisten können, für die bevorzugte Durchleitung ihrer Daten zu zahlen.
Darüber, ob Internet-Anbieter zusätzlich bei den Verbrauchern abkassieren können, wenn sie nicht nur die Angebote nutzen wollen, die ihnen ihr Provider selbst bereitstellt. Darüber, ob Initiativen, NGOs, nicht-kommerzielle und private Inhalte-Anbieter, die kein Geld haben, für Überholspuren zu zahlen, überhaupt noch im Netz wahrnehmbar sein werden.
Es geht also um Vielfalt, um Zugang, um Gleichbehandlung. In einer Demokratie sollte das nicht so ganz unwichtig sein.
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