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Kommentar Netanjahu bei TrumpNebulöse Vorstellungen von Frieden

Kommentar von Susanne Knaul

Trumps Haltung erlaubt Netanjahu so ziemlich alles. Aber der hat kein Programm. Die Siedler jubeln, doch ist auf den US-Präsidenten Verlass?

Zwei, die sich scheinbar verstehen Foto: dpa

E in paar Siedlungen weniger wünschte sich US-Präsident Donald Trump im Verlauf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu – und keine Vorbedingungen für einen Frieden. Das bedeutet grünes Licht für die Israelis, in den besetzten Palästinensergebieten fast alles zu tun, wonach ihnen das Herz steht, ohne den mahnenden Zeigefinger aus Washington fürchten zu müssen.

Trotzdem schien Netanjahu nicht sofort die Gelegenheit beim Schopf zu packen, um der Zweistaatenlösung den Gnadenstoß zu versetzen. Vor Journalisten, die Netanjahu im Anschluss an das Gespräch mit Trump traf, sprach er unverändert über die zwei Staaten, wobei er selbst und Palästinenerpräsident Mahmud Abbas unterschiedliche Vorstellungen über einen palästinensischen Staat hätten.

Netanjahu hat kein Ersatzprogramm. Eine Einstaatenlösung, also ein Israel für Israelis und Palästinenser, wäre entweder das Ende des jüdischen oder des demokratischen Staates. Beides ist eigentlich keine Option für ihn. Zudem sind für Netanjahu nicht die Palästinenser das größte Problem, sondern Iran. Mit einer deutlichen Absage an Palästina würde er die arabischen Staaten als potenzielle Partner vergraulen, die seine Sorge vor dem erstarkenden Iran teilen.

Wer ohne Abstriche jubelt, ist Naftali Bennett, der Chef der Siedlerpartei. Anders als Netanjahu ist Bennett klar mit seiner Vision. Er twittert über die „neue Ära“, über „neue Ideen“, gratuliert zum „großen Tag für Israelis und vernünftige Araber“. Jederman verstehe nun, dass es „keine Notwendigkeit für einen dritten palästinensischen Staat außer Jordanien und Gaza gibt“. Mit dem von ihm als Freifahrtschein verstandenen Signal aus Washington wird Bennett mit voller Kraft sein erklärtes Ziel vorantreiben: die Annexion von rund der Hälfte des Westjordanlandes. Ein paar zigtausend Palästinenser leben dort, die können israelische Staatsbürger werden – vorausgesetzt, sie schwören auf den jüdisch-demokratischen Staat. Der Rest soll sehen, wo er bleibt.

Nebulös ist nach wie vor, was Trump und Netanjahu meinen, wenn sie vom Frieden reden. Welche Zugeständnisse hatte der neue Chef im Weißen Haus vor Augen, als er seinem Gast mit Augenzwinkern signalisierte, dass er Flexibilität von ihm erwartet? Netanjahu tut gut daran, Vorsicht zu wahren und seine euphorischen Koalitionspartner von der Siedlerpartei im Zaum zu halten. Jetzt ist Trump der mächtigste Mann auf Erden, aber das wird er nicht immer sein.

Zudem erwies sich Trump in der kurzen Zeit seit seiner Amtsübernahme als wenig verlässlicher Partner. Sein Versprechen, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, entpuppt sich als heiße Luft. Netanjahu darf sein Schicksal nicht in die Hände eines Mannes legen, der heute das eine sagt, um morgen das andere zu tun.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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9 Kommentare

 / 
  • schlim schlim

    Hoffentlich destabilisieren die israelischen Rechten und Rechtsradikalen das Land nicht noch weiter.

    Wer kann nur das Chaos stoppen?

  • "Netanjahu hat kein Ersatzprogramm. Eine Einstaatenlösung, also ein Israel für Israelis und Palästinenser, wäre entweder das Ende des jüdischen oder des demokratischen Staates."

    In Deutschland weigert man sich standhaft, die Verhandlungsposition Israels überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

     

    Mit Verlesung der israelischen Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948 gründete der Staat Israel. Am selben Tag endete das Völkerbundsmandat für Palästina. Unmittelbar danach, um 0 Uhr am 15. Mai wurde Israel ohne Kriegserklärung von den arabischen Staaten Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien und Irak kombiniert angegriffen.

     

    Da also die unmittelbaren Nachbarn, den Teilungsplan nicht akzeptieren wollten, sieht sich Israel als legitimer Erbe des Völkerbundsmandats für Palästina. Damit haben sie die Verantwortung für das gesamte Gebiet bis Jordanier, Syrien.

     

    Es hat nie amerikanische oder Truppen anderer Nationen gegeben, die für Israel gekämpft hätten.

     

    Nach und nach hat man mit den Nachbarn Frieden geschlossen. Nur der Iran möchte Israel weiter ins Meer treiben. Das kann man, weil man weit entfernt lebt, den Kopf hinhalten müssen Hamas und andere Terrororganisationen. Kläffende Hunde beißen nicht, trotzdem bastelt der Iran munter an der Atombombe.

     

    Perez, Rabin und andere haben mit der Palästinensischen Autonomiebehörde verhandelt. Doch noch kein Gesprächspartner hat den Staat Israel anerkannt. Vielleicht kommt ja mit der Einstaatenlösung ein Umdenken. Nur ein Staat, der von den Palästinensern anerkannt ist, kann auch die PA anerkennen.

    • @mdarge:

      ist das der neueste hit? Israel als legitimer erbe des völkerbundmandats - ich werd' nicht wieder!

      • @christine rölke-sommer:

        mache einen besseren Vorschlag. Wer organisiert die Verwaltung? Wer stellt die Polizisten für die Sicherheit?

        • @mdarge:

          abzug aus den besetzten gebieten. punkt.

          die palästinenser*innen werden das mit der verwaltung und der polizei auch weuterhin hinkriegen.

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    " den mahnenden Zeigefinger aus Washington fürchten zu müssen."

     

    Welcher mahnende Zeigefinger????

     

    Die USA unterstützen seit Jahrzehnten mit Milliarden die Verbrechen Israels gegen die Palästinenser und verhindern mit Vetos Sanktionen gegen israelische Verbrechen.

     

    Es wird nicht die USA sein, die die zweistaatenlösung vorantreiben wird. Es wird die EU sein, denn wir haben es in unseren Gesetzen stehen, dass Israel jene Partei in diesem Konflikt ist, die mit üblen auf Gewalt beruhgenden Raub- & Menschenrechtsverbrechen die Palästinenser quält und beabsichtigt, weiter zu quälen. So ist es in der Rechtsbewertung von 2004 unseres Gerichtes IGH http://www.icj-cij.org/docket/files/131/1677.pdf dokumentiert, auch wenn die Deutsche Presse unser Gesetz & Gericht notorisch unerwähnt lässt und lieber die Prpaganda der verbrechen behenenden Besatzer mit Ausrufezeichen in die Artikel platziert.

     

    Es wird an uns liegen, wie lange wir mit der EU warten, um Verbrechen so zu bestrafen/sanktionieren, wie es unsere Gesetze vorsehen. Die PLO wird uns schon mit Anklagen gegen die Völkerrechtsverbrecher Israels erinnern, was in unseren Gesetzen steht.

  • Ein weiterer Staat kann ja kein Ziel für sich sein, denn damit ist ja noch nichts in Richtung Frieden gewonnen.

     

    Wenn die Palästinenser nicht mehr die Juden hassen, nicht mehr in der Schule lehren sie umzubringen, nicht mehr Straßen und Plätze nach Judenmördern benennen, wäre das ein Anfang. Wenn ein Palästinenserstaat nicht automatisch ein antisemitisches Gebilde mit denselben Fehlern wie die umgebenden wird, dann kann es Frieden geben.

     

    Und ein friedliches Zusammenleben müßte doch das eigentliche Ziel sein.

    • 1G
      1393 (Profil gelöscht)
      @Werner W.:

      Faszinierend, wie unverschämt man hier nach wie vor üble rassistische Propagangda rumposaunen dar, um die rassistischen Völkerre htsverbrechen Israel zu unterstützen. Aber selbst mutmasslich linke Gazetten bieten das geradezu an, indem sie ihre leser nicht über die Verbrechen Israels informieren.

      Was solls,, man kann ohnehin nur dokumentieren und später,wenn durch istgh Verurteilungen die Verbrechen nicht mehr verheimlicht werden können, daran erinnern, wer wie die Verbrechen Israels durch Desinformation unterstuetzt hat.

       

      Wenn selbst die Kanzlerin Abstand zu gewinnen versucht, sollten Redaktionen doch mal überlegen, ob sie Gestze und Gerichtsbewertungen Deutschlands nicht doch mal ihren Lesern mitteilen.

  • Das Irre ist, dass noch kein israelisches Staatsoberhaupt jemals eine plausible Erklärung liefern konnte, worauf die Sedlungspolitik hinauslaufen soll. Es wurde immer gehofft, die Palästinenser würden sich irgendwann in Luft auflösen, wenn man sie nur ausreichend dreckug behandelt. Dass das nicht passieren würde war aber widerum auch allen klar.

    Die einzigen, die eine "realistische" Politikvorstellung in Israels Regierung haben, sind die knallharten Rechtsradikalen, die auch vor Vertreibungen nicht halt machen würden und sich einen Dreck um Menschenrechte scheren. Die haben mangels Moral auch kein moralisches Dillema.