Kommentar Neonazis aus Hoyerswerda: Das Urteil ist nicht das Problem
Die Bewährungsstrafe für die tyrannisierenden Neonazis ist durchaus hart. Was in der Stadt Hoyerswerda passiert, ist hingegen eine Kapitulation.
E s klingt erst mal ungeheuerlich: Stundenlang tyrannisiert eine achtköpfige Horde Neonazis im sächsischen Hoyerswerda ein junges Paar, randaliert vor deren Wohnungen, droht mit Vergewaltigung und Mord. Und selbst jetzt noch, im Gerichtssaal, feixen die Rechten. Und dann das Urteil: läppische Bewährungsstrafen. Wie bitte?
Schon spricht das Internationale Ausschwitzkomitee von einem „Skandal“, empfinden die sächsischen Grünen einen „faden Beigeschmack“. Und tatsächlich mutet es bizarr an, wenn der Richter von einer „günstigen Sozialprognose“ der mehrfach vorbestraften Rechten spricht.
Fakt aber ist: Das Gericht war in seinem Urteil durchaus hart, es schöpfte den Strafrahmen aus. Mit der gestellten Anklage – Bedrohung und Beleidigung – hatten die Rechten kaum mehr als Geldstrafen zu erwarten. Nach Hause gingen sie nun mit Freiheitsstrafen. Auch der Opferanwalt sprach von einem Urteil, mit dem seine Mandanten „leben können“.
Das Problem ist ein anderes. Beängstigend bleibt, wie selbstsicher sich die Neonazis gaben – nicht nur im Gerichtssaal, auch am Tattag. Stunden brauchte die Polizei, um deren Randale unter Kontrolle zu bringen. Am Ende empfahl ein Beamter den Opfern gar den Wegzug, statt die Neonazis in die Schranken zu weisen. Das Paar kam dem nach.
Was in Hoyerswerda passiert, ist eine Kapitulation. Offenbar herrscht in dem Ort ein Klima, das den Neonazis freie Bahn signalisiert. Nicht nur die Polizisten, auch die Nachbarn blieben regungslos. Für dieses Versagen nun eine Wiedergutmachung durch die Gerichte einzufordern, ist denkbar kommod. Um der gefährlichen Gleichgültigkeit etwas entgegenzusetzen, braucht es in Hoyerswerda – und nicht nur dort – keine anderen Urteile. Sondern Menschen, die sich der Verachtung offen entgegenstellen.
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