Kommentar Nahost-Friedensgespräche: Zuckerbrot und Peitsche
Bei den Nahost-Verhandlungen geht es um mehr als als den Bau von ein paar Siedlungen. Die Rolle der Moderaten in der Region steht auf dem Spiel.
J ohn Kerry ist für den Nahen Osten ein Geschenk des Himmels. Hier ist endlich einer, der den Frieden vorantreiben will und der ganz offensichtlich auch die Fähigkeiten dazu hat. Mit unerschütterlicher Zuversicht, mit bewundernswertem Fleiß und dem notwendigen Feingefühl nahm er seine erste Hürde, den Beginn neuer Friedensverhandlungen.
Kerry setzte dabei auf das alte Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche, aber er ließ sich auch helfen. Nur zu gern standen die Außenminister der Arabischen Liga dem Amerikaner zur Seite, der diesmal eben nicht im Alleingang agiert, sondern mit großer Zurückhaltung den Prozess erneut anzustoßen wusste. Und nur zu gern stand ihm die EU zur Seite, um Jerusalem zur rechten Zeit die rote Karte zu zeigen, als sie das Ende der Forschungskooperation mit den Siedlungen verkündete.
Der Chefdiplomat aus dem Weißen Haus hat in den vergangenen Tagen wenig Schlaf bekommen, und daran wird sich wenig ändern. Seine Wahl des Verhandlungsortes Washington stellt sicher, dass der „big brother“ aus dem Weißen Haus immer dabei ist, wenn es ernst wird. Es ist die einzige Chance, denn ohne Zutun des Dritten im Bunde werden die Konfliktparteien nicht zueinanderfinden.
Für Kerry geht es um mehr als um Jerusalem und das Westjordanland. Ein Frieden zwischen Israel und den Palästinensern, so glaubt er, werde in der gesamten Region mit darauf hinwirken, dass im Ringen zwischen westlicher Moderne und islamistischer Tradition letztendlich die Moderaten und die, die auf regionale Kooperation setzen, die Oberhand gewinnen werden. Nur so ist sein Engagement zu verstehen.
Schließlich gibt es in der Region wichtigere Probleme als den Bau von ein paar Siedlungen. Es gilt den gesamten nahöstlichen Umwälzungen einen giftigen Stachel zu ziehen, bevor es zu spät dazu ist.
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