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Kommentar NSA-LeisetretereiDe Maizières Fatalismus

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Zurückhaltung des Innenministers in den USA ist mehr als merkwürdig – sie ist verdächtig. Ist Deutschland beim NSA-Skandal eher Komplize als Opfer?

Opfer oder Komplize? Merkel unter Schrift. Bild: dpa

E s gibt Dinge, die müssen „angesprochen“ werden. Und sei es nur für das heimische Publikum. So muss die Bundesregierung China bei jedem Treffen auf die Menschenrechte hinweisen. Bei Gesprächen mit Russlands Präsident Putin wird jetzt stets die Bedeutung des Völkerrechts in der Ukraine erläutert. Und bei Verhandlungen mit den USA steht immer auch der NSA-Skandal auf der Agenda – irgendwo ganz hinten.

So auch jetzt beim Besuch von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in den USA. Eigentlich geht es um IT-Sicherheit, aber natürlich bleibe das Thema „NSA“ auf der Tagesordnung, versichert de Maizìere. Aus der empörten Aufregung wird ein neues routiniert-fatalistisches Business as usual. Echte Einflussnahme und Interessenvertretung sieht anders aus.

Dabei ist die NSA eigentlich in der Defensive. Sie hat sich nicht nur erwischen lassen, wie sie befreundete Regierungen und die Bevölkerungen befreundeter Länder in nie gekanntem Umfang ausforscht. Was aus Sicht von Nachrichtendienstlern noch schlimmer ist: sie hat sich die Daten von Ed Snowden auch einfach stehlen lassen.

Wer traut noch der NSA?

Und wer weiß, wer sich bereits vor Snowden bei der NSA bedient hat, ohne dies öffentlich zu machen? Dienste anderer Staaten? Amerikanische Privatunternehmen? Die Frage ist doch nicht, ob wir in Zukunft von der NSA noch vertrauliche Informationen bekommen. Die Frage ist eher, ob wir der NSA noch vertrauliche Informationen geben können.

Um den Informationsfluss seitens der NSA muss man sich ohnehin wenig Sorgen machen. Die USA wird deutsche Nachrichtendienste auch dann mit Hinweisen auf drohende Anschläge in Deutschland unterstützen, wenn gerade dicke Luft herrscht. Einfach, weil es in ihrem eigenen Interesse liegt.

Schließlich befinden sich in Deutschland viele wichtige US-Einrichtungen, auch zur Kriegsführung in Afrika oder anderen Teilen der Welt. Und diese sind stets im Focus gewaltbereiter Islamisten. Deshalb ist jede Hilfe für BKA und Verfassungsschutz zugleich Selbstschutz der USA.

Auf den Geschmack gekommen

Warum also die unerklärliche Zurückhaltung, die auffällige Leisetreterei? War und ist die Bundesregierung beim Aufbau einer globalen US-Überwachungs-Infrastruktur doch mehr Komplizin als Opfer?

Oder ist sie inzwischen auf den Geschmack gekommen und plant insgeheim ähnliches auf deutscher oder europäischer Ebene, um von den US-Informationen unabhängiger zu werden? Meint die Bundesregierung, es genügt, wenn sie künftig ihre interne Kommunikation besser vor Ausspähung schützt? Sollen die Bürger ihre Privatsphäre doch selbst verschlüsseln …

Das willfährige Verhalten der Bundesregierung gegenüber der USA ist nicht nur unangemessen, sondern geradezu verdächtig. Auch dies könnte ein Thema für den Untersuchungsausschuss sein.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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13 Kommentare

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  • Es ist einfach ein Kennzeichen fehlender Größe, wenn deutsche PolititerInnen in die VSA fliegen, und bitten, die Spionage einzustellen. Die Amis lachen sich tot über so ein unterwürfiges Verhalten.

     

    Souveräne Vertreter der deutschen BürgerInnen würden Störsender von der US-Botschaft aufstellen, und die kriegerischen SoldatInnen hinauswerfen!

     

    Haben wir es verdient, zwar sehr teuer, aber schlecht regiert zu werden?

    ICH habe Merkel nicht gewählt! Ich kenne auch keinen in meinem Umfeld, der diese so beliebte Politikerin gewählt hat.

  • Aus de Maizieres Spiegel-Interview:

     

    "Edward Snowden sei aus Sicht der deutschen Regierung ein Straftäter, der das Gesetz gebrochen habe, das Auslieferungsgesuchen der Amerikaner sei rechtmäßig und werde wenn möglich umgesetzt."

     

    Noch Fragen? Dann doch lieber keine, denn für unsere Belange ist diese Regierung nicht zuständig.

  • Lieber NSA als BND, so schon Wolfgang Neuss.

  • Im Grunde ist es der Union doch nur recht, dass die Bürgerinnen und Bürger, denen sie immer misstraut haben, überwacht werden. Dementsprechend halbherzig fallen Protest und Gegenmaßnahmen aus.

    Das ist leider überall so, wo die Mentalität "Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten" sicher eine große Mehrheit hat - daher ist das Thema auch im Wahlkampf nicht ausschlaggebend. Eine fatale Einstellung, wie sich erst zeigen wird, wenn die Demokratie "überwunden" sein wird. Warum soll ich Frau Merkel ehren?

     

    http://youtu.be/9BL9U1H6xl0

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Erpressbarkeit...

    @Frankee, sehe ich auch so.

    Wenn Frau Merkel mit Frau Springer die marktkonforme Demokratie plant, die ihr vorher der Herr Ackermann so gut erklärt hat ;)

    -Ein Gespräch mit Gauck über die DDR-Vergangenheit.

    -Ein Gespräch mit dem noch anonymen Spender der Kohlschen 100.000

    Und das ist nur das,was mir spontan einfällt...

     

    Ich gehe davon aus, dass sich die Deutschen geheimen Dienste längst verselbstständigt haben.

    Sieht man doch beim NSU.

     

    Uschi Leyens Vater hat z.B. vom Verfassungsschutz ein Loch in den Celler Knast sprengen lassen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Celler_Loch

  • Es ist ein Trauerspiel, wie mit dem NSA-Skandal seit seiner Aufdeckung im letzten Sommer bis heute umgegangen wird. Die Politiker irrlichtern unsicher und unentschlossen umher. Die IT-Fachleute diskutieren vorwiegend auf der technokratischen Ebene. Der Generalbundesanwalt will mangels Beweisen kein Ermittlungsverfahren einleiten. Gleichzeitig arbeiten die amerikanischen Spionagedienste in den bekannten deutschen Standorten unbehelligt weiter. Ich frage mich: Wer vertritt denn in unserem Staat noch die hier relevanten Grund-, Freiheits- und Menschenrechte? Selbst die deutsche Industrie, die ja aufgrund der Industriespionage u.a. um ihre Innovationen und damit um ihre Überlebensfähigkeit bangen muss, scheint auf Tauchstation zu sein. Auch der NSA-Untersuchungsausschuss paralysiert sich mit Verfahrensfragen. Und dann noch die "Snowden-Ausladung". Hat nicht kürzlich die Bundesregierung erklärt, dass sämtliche Ihrer NSA-Anfragen von der USA-Regierung nicht beantwortet wurden? Wäre es dann nicht folgerichtig, dass die deutsche Regierung die zweitbeste verfügbare Informationsquelle, nämlich Edward Snowden, nutzt? Oder waren diese Anfragen auch nur "Augenpulver" für das Wählervolk? Unsere Führungselite verhält sich so, als ob es doch übergeordnete Supergrundrechte auf Sicherheit, auf Zusammenarbeit unserer Spionagedienste mit den entsprechenden Diensten der USA, auf eine Führungsrolle der USA in allen relevanten Fragen gäbe, von denen die Bürger aber bis heute nichts wissen. Hat der frühere Bundesinnenminister Friedrich sich bei seiner Erwähnung des Supergrundrechts auf Sicherheit gar nicht tölpelhaft verhalten, sondern vielmehr - einmal mehr - vertrauliche Informationen ausgeplaudert? Mein Tip: Hören Sie mal an, was Freiheitskämpfer Sigismund Ruestig dazu auf YouTube zu Sagen bzw. zu Singen hat.

    http://youtu.be/v1kEKFu6PkY

    http://youtu.be/pcc6MbYyoM4

    http://youtu.be/_a_hz2Uw34Y

     

    Viel Spaß.

    Singer Songwriter Sigismund Ruestig

  • Die Deutschen haben den Löffel abgegeben, sie haben keine Kompetenzen mehr in den IT-Kerntechnologien.Sie können sich somit auch nicht mehr gegen die NSA wehren.Denn es ist schon mehr als seltsam wenn die Firma Siemens die Mikroprozessortechnologie aufgibt und ein paar Jahre später AMD in Sachsen ein profitables Werk einrichtet.Da hat man nicht geschlafen, da ist man USA -Teilrepublik geworden.

  • Irgendwie süß. So nach gefühlten x Monaten/Jahren sickert langsam das Bewußtsein durch, dass die Etikettendebatte NSA nichts weiter ist, als ein Dummy, ein gezielter (gewünschter?) Ablenkungsschauplatz mit einem Feindbild weit über dem Atlantik, nebulös und unantastbar.

     

    Aber in Wirklichkeit geht es um den uralten Machtkampf einer etablierten Oberschicht gegen ihre eigenen Bevölkerungen, auch bei uns. Denn die haben längst erkannt, wie praktisch die digitale Entwicklung für eigene Interessen einzusetzen ist, wenn VORHER prüfbar ist, WEN man z.B. beschäftigt, (also welche Meinungen Leute vertreten), eine Wohnung vermietet, einen Kredit gibt, oder sonstwie beeinflussen und manipulieren kann. Und genau dafür wird inzwischen auf zig Websites und in der digitalen Kommunikation gefordert und erwartet, dass komplette Profile (na-tür-lich wg. einer besseren Be-ar-bei-tung:) auf fremden Servern und ohne Zugriff abgelegt und gehortet werden. Sowohl bei Unternehmen, als auch bei Behörden.

     

    Und natürlich wird kein Wort darüber verloren, wieviele Existenzen und Familien inzwischen genau auf dieser Vorgehensweise aufgebaut sind. Wie gewollt dieser Orwell-Staat eigentlich ist und wie dick wir inzwischen im Geschäft mit dem Export solcher Techniken made in Germany selbst vertreten sind.

     

    Was wir derzeit erleben, ist ein Verrat jener Werte und Grundrechte, die noch vor 30 Jahren in zig Schulen vermittelt und gelehrt wurden, weil wir uns dieser Entwicklung inzwischen nicht mehr entziehen können - und daher auch nicht wollen. Interessanterweise gibt es dazu in der Europawahl keine konkreten Aussagen großer Parteien, weil man vermutlich einfach keine Alternativen hat. Eine gefährliche Entwicklung, die Radikalen Tür und Tor öffnet, auch weil mal wieder niemand sagt, wie es eigentlich ist und zig frustrierte Wähler sich erst gar nicht an der Wahl beteiligen werden.

  • Die Red.: Kommentar entfernt, bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl.
  • wer sich vergegenwärtigt, dass es immer das Ziel der Konservativen war und ist, soviel wie möglich über den Bürger an Daten zu sammeln unter dem Aspekt "innere Sicherheit", dieses aber verfassungsrechtliche Grenzen hat, ist es nur logisch, dass Merkel nach außen zwar so tut,sie wolle etwas unternehmen, nach innen aber weiß, dass die NSA über den BND nützliche Dienste für ebendiese konservative Denke verrichtet (was sie verfassungsrechtlich ja nicht dürfen/hinbekommen).

     

    Das allein ist m.E. der Hauptgrund in dem wachsweichen Auftreten von Merkel und de Maizière gegenüber der USA und dem gigantischen Ausspähskandal der NSA (ebenso GB)

    • @Tim Tamm:

      m.E. dem gemeinen Deutschen geht doch der sog. 'NSA-Skandal' am heimatlichen A... vorbei, oder wieso sonst hat Merkel bei der letzten Bundestagswahl beinahe die absolute Mehrheit erreicht?

  • > Oder ist sie inzwischen auf den Geschmack

    > gekommen und plant insgeheim ähnliches auf

    > deutscher oder europäischer Ebene, um von den

    > US-Informationen unabhängiger zu werden?

     

    Ist der Papst katholisch? Ja, tut sie:

     

    http://blog.fefe.de/?ts=ad88966a

     

    Datenabschnorcheln weltweit, insgeheim und gern auch direkt an der Quelle. Für den Anfang immerhin mit 300 Millionen. Offizieller Vorwand: Die Kompetenzbestien des BND könnten damit Cybergefahren „abwehren“. (1. Ja nee, is klar. 2. Ginge es tatsächlich um Strafttatenabwehr, wären da nicht national wie international Polizei(en) zuständig?)

  • Ob es wohl Mitglieder der Bundesregierung gibt, gegen die die NSA *kein* Kompromat in der Hand hat? ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kompromat )

     

    kurz mal selber nachdenken:

    Wenn alle Bürger in deiner Nachbarschafts jahrelang belauscht und durchleuchtet würden, gegen wieviel % gäbe es wohl erpressungfähiges Material?

     

    kleinere Steuermogeleien, Schwarzarbeit (aktiv/passiv), schmutzige Kompromisse, unschickliche Vorlieben, heimliche Affären... 60% 80% ?

     

    Und wir reden hier von Machtpolitikern, die ständig über Deals, häßliche Kompromisse, Waffengeschäfte, Parteienfinanzierung, (Beihilfe zu) Folter & Verschleppung zu entscheiden haben...

     

    Und darüberhinaus erheblich leichter öffentlich zu Fall zu bringen sind. Allein die Steinmeier-„Aussagen“ zum Murat-Kurnaz-Skandal... dessen Karierre und Reputation könnte die NSA binnen Stunden beenden...