Der Kommentar von Daniel Bax stimmt, nach akademischen Kriterien müsste man Özkan so sehen. Aber diese Frau hat bereits in der CDU politisch gearbeitet ... und ist dort durch nichts auffällig geworden. Was sie in Wirklichkeit gesagt hat, steht in den Gesetzen. Das Grundgesetz kennt kein christliches Religionsprivileg - es existiert schlichtweg nicht. Weder für Muslime, Buddhisten, Juden, noch für katholische oder evangelische Christen - der Staat kennt keinen Vorzug für eine Religion, er kennt sogar die vollständige Neutralitäg gegenüber Religion und Nicht-Religion (Atheismus).
Und Özkan hat als Juristen offenbar die politischen Implikationen ihrer Aussage gar nicht bedacht: Eine christliche Partei versucht natürlich, diese gesetzliche Neutralität zu umgehen und den Kirchen Privilegien und Mittel zu zuschanzen. Die brauchen diese inzwischen, denn zwischen den Christen und ihren Kirchen tut sich eine große Lücke, eine Abkehr und vielerlei Konflikte auf.
Und in dieses Nest hat Özkan gepickt, denn ihre Religionsgenossen, die Muslime, befinden sich im Aufwind, sie gründen und bauen Moscheen, setzen ihre Interessen und Ansprüche in vielen Gebieten durch und ändern die objektive Kultur in unserer Gesellschaft: Die christliche Dominanz lässt nach, andere Religionsgemeinschaften kommen ins Spiel und werden auf lange Sicht auch die Privilegien- und Zuschanzsysteme der Kirchen in Frage stellen.
Das Ganze ist aber weitaus weniger dramatisch, als es das mediale Echo erahnen lässt: Es geht hier nicht um eine Hälfte, ein Viertel oder ein Fünftel, es geht um wenige Prozentpunkte einer Bevölkerung. Es sind vielleicht drei, vielleicht fünf Prozent der Bevölkerung und damit meine ich nicht die Muslime, sondern alle anderen Religionsgemeinschaften.
Wahrscheinlich ist durch die Widervereinigung mit der DDR eine weitaus größere Anzahl an Atheisten in unsere Gesellschaft integriert worden, als momentan Muslime und allen anderen Teil dieser Gesellschaft werden. Aber das waren ja Deutsche und deren Lebensbedingungen und Wünsche sind uns nicht fremd gewesen. Der Bau eine Mamutmoschee und von Minareten macht schon eher deutlich, dass sich die Kultur unseres Landes verändern wird.
Allerdings sind Muslime gar keine homogene Gruppe und auch nicht auf Ziele vereint, sondern weitaus gespaltener und unterschiedlicher als selbst die katholische und evangelische Kirche.
Aber die massenhafte Abkehr von der Kirche erzeugt natürlich Angst um die Pfründe und wenigstens hier war die CDU (auch die SPD) gut darin, dem Kirchen zu geben, was ihnen eigentlich - jedenfalls nach dem Gesetz - nicht unbedingt zusteht. Das fängt beim Kruzifix in der bayrischen Dorfkirche an und enedet in Rundfunkräten, wo Kirchen Einfluss nehmen auf Programm und Inhalt.
Zwar wollen Muslime gar nicht die Inhalte von ARD und ZDF umdrehen, noch wollen sie eine Gebetsnische in der Grundschule einrichten, aber sie wollen eben schon Moscheen, Vereine und öffentliche Mittel haben, die ihnen auch - nach dem Gesetz - zustehen. Und da fängt dann die Konkurrenz an: In vielen Gemeinden erhalten kirchliche Träger den Löwenanteil an Mitteln für Kindergärten, Einrichtungen, Vereine und selbst für den Erhalt ihrer Kirchen. Diese Mittel sind mancherorts bereits ungerecht an die Kirchen gegangen, weil andere Gemeinschaften einfach übervorteilt werden.
Und nun sehen sich genau diese Lobbyisten vor einer unbequemte Wahrheit gestellt: Die CDU braucht konservative Wähler und das sind eben türkische Muslime aus ruralen Gebieten. Diese Menschen neigen nicht mehr zur SPD, die es geschafft hat, ihren sagenhaften Vorsprung bei diesen Menschen leichtfertig zu verspielen. Deswegen will und wollte Wulf Özkan haben, er will bei konservativen Türken Stimmung machen für die CDU. Und das sollte wohl auch für die NRW-Wahl helfen, denn Rütgers könnte schnell ein paar Tausend Stimmen gewinnen, wenn seine Partei nicht ausländerfeindlich wahrgenommen werden würde. Wird sie aber und daran hat nicht nur Helmut Kohl, sondern vor allem Roland Koch große Schuld. Denn die CDU arbeitet reisserisch mit dem Immigrantenthema und verspielt damit immer wieder die Möglichkeit, konservative Türken und Muslime für sich zu gewinnen.
Die Ministerin selber ist vielleicht auf ihren Berufsstand hereingefallen: In der Politik werden wohl Gesetze gemacht, aber es geht um Interessen, soziale Gruppen und vor allem um Macht.
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