Kommentar Müllers Textilbündnis: Sozial reden, dann aber kneifen
Minister Müller will Mindeststandards in der globalen T-Shirt- und Jeansproduktion. Das ist gut. Besser wäre noch, er würde diese auch durchsetzen.
D ie Ohrfeige gebührt nicht Entwicklungsminister Gerd Müller, sondern den Verantwortlichen der großen Textilunternehmen. Diese weigern sich, Müllers Plan für bessere soziale und ökologische Bedingungen in den weltweiten T-Shirt- und Jeans-Fabriken zu unterschreiben.
Trotzdem markiert die Initiative des CSU-Politikers einen Fortschritt. Denn erstmals versucht die Bundesregierung Forderungen durchzusetzen, die Bürgerrechtsorganisationen seit Jahren erheben: existenzsichernde Löhne und Begrenzung der Überstunden für die Beschäftigten in den globalen Zulieferfirmen. Indem sie über diesen Plan mitverhandelten, haben auch die Textilkonzerne immerhin einen Schritt in die Richtung getan, den Existenzlohn als Ziel zu akzeptieren.
Gescheitert ist Müller jedoch damit, die Konzerne zur verbindlichen Mitwirkung zu drängen.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will mit einem Textilbündnis Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie verbessern. Derzeit könne niemand ausschließen, dass das Kleidungsstück, das er morgens aus dem Schrank nehme, nicht einen anderen Menschen, zum Beispiel in Bangladesch, krank mache, sagte Müller vor dem Aktionsstart am Donnerstag in Berlin. Das gemeinsame verpflichtende Bündnis von Nichtregierungsorganisationen sowie Vertretern aus Wirtschaft und Gewerkschaften sei ein erster Schritt, um faire und existenzsichernde Löhne, ökologische Mindeststandards und das Verbot von Kinderarbeit zu garantieren. (kna)
Dass die Unternehmen sich verweigern, hat vornehmlich betriebswirtschaftliche Gründe. Höhere Sozialstandards und effektive Kontrollen in Tausenden Zulieferfabriken sind machbar, kosten allerdings viel Arbeitskraft und Geld. Potenziell schmälern sie auch den Gewinn. Das ist immer noch eine schlechte Nachricht für die 08/15-Manager bei Adidas, Aldi, Metro, Otto, Puma und den anderen Unternehmen mit den tollen Nachhaltigkeitsberichten. Da stiften die Chefs gerne Professuren für Umwelt- und Soziales – wenn es zum Schwur kommt, kneifen sie.
Um die Konzerne zur Unterschrift zu bewegen, sollte Müller deshalb jetzt das Gesetzgebungsverfahren ankurbeln. Ohne klare Regeln, die pakistanische Textilarbeiter vor deutschen Gerichten auch einklagen können, passiert zu wenig. Auf dieses Gesetz allerdings, so ist zu befürchten, muss man lange warten. Und so steht auch Gerd Müller wieder im Mittelpunkt der Kritik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee